UN-Bericht: Förderpläne für Kohle, Gas und Öl nicht mit Klimazielen vereinbar

Schornsteine des Braunkohlekraftwerks Jaenschwalde
Nach Angaben des EU-Klimawandeldienstes Copernicus ist das Jahr 2023 auf dem Weg zum bislang wärmsten Jahr. (Quelle: IMAGO / Andreas Franke)

Die weltweit geplanten Fördermengen von Kohle, Öl und Gas sind weiterhin zu hoch, um das 1,5-Grad-Ziel zur Begrenzung des Klimawandels zu erreichen. Zu diesem Ergebnis kommt ein neuer Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), der am Mittwoch in Stockholm vorgestellt wurde.

Wie das UNEP mitteilte, liegt die von den Staaten geplante Produktion fossiler Energieträger für 2030 bei mehr als dem Doppelten (110 Prozent mehr) dessen, was mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar wäre. Weltweit steige die Produktion von Kohle bis 2030 weiter an – bei Öl und Gas sei sogar ein Anstieg bis mindestens zum Jahr 2050 zu erwarten.

Im Klimaabkommen von Paris aus dem Jahr 2015 haben sich Staaten weltweit dazu verpflichtet, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dafür darf nur noch eine begrenzte Menge klimaschädlicher Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO2) in die Erdatmosphäre gelangen. Diese werden zum größten Teil bei der Verbrennung der Brennstoffe Öl, Erdgas und Kohle freigesetzt.

“Die Pläne der Regierungen, die Produktion fossiler Brennstoffe auszuweiten, untergraben die Energiewende, die notwendig ist, um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, schaffen wirtschaftliche Risiken und stellen die Zukunft der Menschheit infrage”, kritisierte UNEP-Direktorin Inger Andersen.

Das UN-Umweltprogramm UNEP veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Berichte über Lücken, sogenannte “Gaps”, beim Umgang mit dem Klimawandel. Vor dem nun erschienenen “Production Gap Report” in Zusammenarbeit mit Universitäten und Thinktanks stellte der in der vergangenen Woche veröffentlichte “Adaptation Gap Report” weiterhin gravierende Finanzierungslücken bei der Anpassung an die Erderwärmung und ihre Folgen fest.

Pläne nicht mit 1,5-Grad-Ziel im Einklang

Insgesamt wurden in dem Bericht 20 Staaten untersucht, die fossile Brennstoffe produzieren, darunter Australien, Brasilien, China, Deutschland, Indien, Norwegen und die USA. Auf diese Länder entfielen mehr als 80 Prozent der weltweiten Produktion und mehr als 70 Prozent des weltweiten Verbrauchs fossiler Brennstoffe.

Laut UNEP haben sich 17 dieser Staaten dazu verpflichtet, Netto-Null-Emissionen zu erreichen – die Summe an klimarelevanten Gasen in der Atmosphäre soll also nicht mehr ansteigen. Einige Staaten hätten auch bereits Initiativen zur Senkung der Emissionen aus der Produktion fossiler Brennstoffe eingeleitet – aber keines der Länder habe sich verpflichtet, die Kohle-, Öl- und Gasproduktion im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel zu reduzieren.

UN-Generalsekretär António Guterres kritisierte: “Die Regierungen verdoppeln buchstäblich die Produktion fossiler Brennstoffe, und das bedeutet doppeltes Leid für die Menschen und den Planeten. Wir können die Klimakatastrophe nicht bekämpfen, ohne ihre eigentliche Ursache anzugehen: die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.”

Das UNEP stellte fest, angesichts von Risiken und Unsicherheiten bei der Kohlenstoffabscheidung und -speicherung sollten Staaten einen nahezu vollständigen Ausstieg aus der Kohleproduktion und -nutzung bis zum Jahr 2040 anstreben. Die Produktion und Nutzung von Öl und Gas müsse bis zum Jahr 2050 um mindestens drei Viertel gegenüber dem Stand von 2020 reduziert werden.

Deutschland ist dem Bericht zufolge der weltweit zweitgrößte Produzent von Braunkohle und zwölftgrößte Produzent von Kohle insgesamt. Beim deutschen Kohleausstieg seien zwar keine Ziele zur Verringerung der Förderung festgelegt worden. Es sei aber davon auszugehen, dass sich der Ausstieg aus dem Kohlestrom bis spätestens 2038 und der von der Regierung angestrebte Anteil von 80 Prozent erneuerbarer Energien bis 2030 entsprechend auswirke. Die Schließung von Lieferverträgen für Gas und der Bau von LNG-Terminals fördert laut UNEP allerdings indirekt die internationale Gasproduktion, weil sie langfristige Nachfrage signalisierten.

Aufruf an Teilnehmer der COP

Ein Vertreter des Climate Action Network, in dem mehr als 1900 Klimaschutz-Organisationen in etwa 130 Staaten zusammengeschlossen sind, sprach in einer Reaktion auf den Bericht von “eklatanter Heuchelei” von Staaten, die sich als Klimavorreiter darstellten, aber die Krise zugleich selbst verstärkten.

Das UN-Umweltprogramm hat den Bericht wenige Wochen vor dem Start der diesjährigen UN-Weltklimakonferenz COP28 am 30. November in Dubai veröffentlicht. UN-Generalsekretär Guterres forderte in Hinblick auf die Konferenz: “Die COP28 muss ein klares Signal senden, dass das Zeitalter der fossilen Brennstoffe vorbei ist.” Es brauche glaubwürdige Zusagen für den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Auch Samantha Burgess, stellvertretende Direktorin des EU-Klimawandeldienstes Copernicus, erklärte am Mittwoch: “Die Dringlichkeit ehrgeiziger Klimamaßnahmen für die COP28 war noch nie so groß wie heute.” Im Oktober habe es außergewöhnliche Temperaturanomalien gegeben, nachdem bereits zuvor vier Monate lang globale Temperaturrekorde gebrochen worden waren.

Nach Angaben von Copernicus war es im Oktober global seit Messbeginn noch nie so warm wie in diesem Jahr. Das bisherige Kalenderjahr von Januar bis Oktober war demnach um 0,10 Grad Celsius wärmer als der Zehnmonatsdurchschnitt für 2016, dem bisher wärmsten Kalenderjahr. Der vergangene Monat war global gesehen um 0,40 Grad wärmer als der bisher wärmste Oktober 2019. In Europa war es demnach der viertwärmste Oktober.

Burgess kommentierte: “Wir können mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen sein wird und derzeit 1,43 Grad Celsius über dem vorindustriellen Durchschnitt liegt.”

Der Klimawandeldienst Copernicus der Europäischen Union veröffentlicht regelmäßig Daten zur Temperatur an der Erdoberfläche, zur Meereisdecke und zu Niederschlägen. Die Erkenntnisse beruhen auf computergenerierten Analysen, in die Milliarden von Messungen von Satelliten, Schiffen, Flugzeugen und Wetterstationen auf der ganzen Welt einfließen. (dpa / js)