Journalisten erheben Verfassungsbeschwerde gegen Abhörmaßnahmen
Drei Journalisten haben Verfassungsbeschwerde gegen das heimliche Abhören des Pressetelefons der Klimaprotestgruppe “Letzte Generation” erhoben. Sie werden vom Bayerischen Journalisten-Verband (BJV), der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) sowie Reporter ohne Grenzen (RSF) unterstützt, wie die Verbände am Mittwoch mitteilten. Das Bundesverfassungsgericht soll die grundrechtlichen Grenzen für das Abhören von Pressetelefonen klären und Rechtssicherheit für Journalistinnen und Journalisten schaffen.
Die Generalstaatsanwaltschaft München hatte zwischen Oktober 2022 und April 2023 das Pressetelefon der Letzten Generation abhören lassen. Anlass waren Ermittlungen gegen die Aktivistinnen und Aktivisten wegen des Vorwurfs der Bildung einer “kriminellen Vereinigung”. Zunächst hatte das Amtsgericht München die Maßnahme im November 2023 für rechtmäßig erklärt. Im Juli 2024 hatte das Landgericht München I in der mehrmonatigen Überwachungsaktion bayerischer Ermittler zwar einen tiefgreifenden Eingriff in die Pressefreiheit gesehen, sie aber ebenfalls für verhältnismäßig erklärt. Dieser Beschluss missachte die Pressefreiheit, so RSF.
Eingriff in die Pressefreiheit
Benjamin Lück, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF, sagte: “Wenn der Staat systematisch Gespräche der Presse mit politischen Gruppen abhört, greift das empfindlich in die Pressefreiheit ein. Steht die Gruppe mit ihren Aktionen so stark in der Öffentlichkeit wie die Letzte Generation, ist dieser Eingriff unnötig und unverhältnismäßig: Es gibt nichts, was nicht sowieso bekannt wäre.” Journalisten müssten auch über “kontroverse Protestformen an der Grenze der Legalität” frei berichten können.
Beschwerdeführer sind zum einen die beiden von der Abhörmaßnahme betroffenen Journalisten Jörg Poppendieck (rbb) und Jan Heidtmann (Süddeutsche Zeitung), die von der GFF und RSF unterstützt werden. Zum anderen hat der BJV gemeinsam mit einem ebenfalls betroffenen Medienschaffenden Klage eingereicht.
Heidtmann kritisierte: “Die Abhöraktion der Generalstaatsanwaltschaft München gegenüber der Letzten Generation war völlig überzogen und verletzt die Pressefreiheit. Da die Gerichte in München dieses Vorgehen trotzdem legitimiert haben, bleibt uns nur der Weg vors Bundesverfassungsgericht.”
Grundrechtliche Abwägungen
Die Kläger kritisieren, das Amtsgericht München habe in der Überwachungsanordnung keinerlei grundrechtliche Abwägung festgehalten und die Pressefreiheit nicht erwähnt. Ermittlungsrichter müssten die betroffenen Grundrechte jedoch direkt bei ihren Entscheidungen berücksichtigen und das Abwägungsergebnis sofort dokumentieren. "Diese Abwägung erst nachzuschieben, wenn die Maßnahme längst erfolgt ist, reicht nicht aus“, kritisiert Rechtsanwältin Nicola Bier, Referentin für Recht bei Reporter ohne Grenzen. “Gerichte müssen Maßnahmen der Ermittlungsbehörden in jedem Fall grundrechtlich prüfen – nicht nur wenn sie von Betroffenen angegriffen werden.” Auch in dieser Frage wollen die Organisationen eine Klärung durch das Bundesverfassungsgericht erreichen.
Journalisten müssten mit Aktivistinnen sprechen können, ohne vom Staat systematisch belauscht zu werden. In der Abwägung zwischen Strafverfolgungsinteresse und beeinträchtigten Grundrechten käme RSF zu dem Ergebnis, dass die Abhöraktion der Generalstaatsanwaltschaft München nicht mit der Pressefreiheit in Deutschland vereinbar sei.
171 Betroffene
Das Landgericht hatte in seiner Entscheidung unter anderem argumentiert, die Abhöraktion der Ermittler habe sich “nicht direkt gegen Medienvertreter gerichtet”. Zudem sei der abgehörte Anschluss, der von der Letzten Generation als Pressekontakt ausgewiesen wurde, nicht nur für Telefonate mit Journalisten genutzt worden.
Nach Ansicht der Organisationen wurde die Telefonnummer von der Gruppe jedoch gezielt für journalistische Anfragen bereitgestellt. Es sei absehbar gewesen, dass auf dem abgehörten Telefonanschluss eine Vielzahl von Medienschaffenden anrufen würde. Die Staatsanwaltschaft und das anordnende Gericht hätten daher wissen müssen, dass laufende Gespräche von Journalisten abgehört würden.
Nach Angaben der Organisationen waren von der Überwachungsmaßnahme die Gespräche von 171 Journalistinnen und Journalisten betroffen. Auch die Ermittler hatten laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung im Januar 2023 in einem Vermerk für die Staatsanwaltschaft festgehalten: “Auf dem Anschluss gehen fast ausschließlich Anfragen von Medienvertretern, Studenten und Schülern ein, die um eine Presseauskunft oder ein Interview bitten.” Der Telefonanschluss sei aber weiter überwacht worden. (dpa / js)