Kasachstan: Internationale Kritik an neuem Mediengesetz

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Das neue Gesetz definiert wichtige Begriffe nicht und eröffnet dadurch Möglichkeiten staatlicher Willkür. (Quelle: IMAGO / SNA)

In Kasachstan ist ein neues Mediengesetz verabschiedet worden. Organisationen wie Reporter ohne Grenzen (RSF) und Human Rights Watch (HRW) kritisieren die Reform. Sie sehen darin einen Vorstoß der Regierung, die Pressefreiheit einzuschränken und Zensur ausüben zu können.

Offizielles Ziel des Mediengesetzes sei zwar, Journalisten bei ihrer Arbeit der Recherche und Verbreitung von Informationen besser zu schützen, schrieb RSF am Dienstag. “In der Praxis werden jedoch vor allem bestehende Gesetze bekräftigt, und es wird versucht, die Medien zu kontrollieren, anstatt sie zu schützen.”Aus Sicht von RSF dient die Reform dazu, die Kontrolle der Regierung über die Presse zu verstärken. “Das von Präsident Kassym-Jomart Tokajew unterzeichnete Gesetz ist weit davon entfernt, das Arbeitsumfeld und den Schutz von Journalisten zu verbessern […]”, sagte Jeanne Cavelier von RSF.

Insgesamt sieht auch HRW die Pressefreiheit im Land durch die Neuregelung geschwächt. “Obwohl das neue kasachische Massenmediengesetz einige Änderungen enthält, die den Status quo verbessern dürften, drohen seine Mehrdeutigkeit und der restriktive Charakter anderer Bestimmungen, die Arbeit einheimischer und ausländischer Journalisten zu behindern”, bemängelte HRW in einer Stellungnahme vom Samstag.

HRW ruft internationale Partner Kasachstans dazu auf, die kasachischen Behörden zu ermahnen, die Meinungsfreiheit zu bewahren und das neue Gesetz mit internationalen Standards in Einklang zu bringen.

Medien benötigen Genehmigung

Journalisten aus dem Ausland müssen sich künftig akkreditieren lassen, bevor sie in Kasachstan tätig werden dürfen. Reporter ohne Grenzen sieht das Gesetz hier im Widerspruch zum Grundsatz der Pressefreiheit und warnt: “Angesichts der aktuellen politischen Lage ist zu befürchten, dass diese neue Maßnahme bedeutet, dass Reporter, die für behördenkritische Medien arbeiten, eher willkürlich verboten werden.”

Auch HRW kritisiert, die Novelle räume der Regierung weitreichende Befugnisse ein, die Arbeit ausländischer Journalisten zu behindern und zu unterbrechen. Ausländischen Medien könne die Registrierung verweigert werden, wenn ihre Inhalte “Propaganda für Extremismus” enthalten. "Gleichzeitig hält Kasachstan an einer vagen und zu weit gefassten Definition von “Extremismus” fest, die missbräuchlich zur Bestrafung legitimer, geschützter Äußerungen verwendet wird", erklärte HRW.

Die Organisation warnt davor, dass auch Online-Publikationen künftig als “Massenmedien” gelten. Das verpflichte auch diese, sich bei Regierungsstellen zu registrieren und eine Vertretung in Kasachstan zu unterhalten.

Das Gesetz ermächtige zudem eine zuständige Behörde, alle Medien zu überwachen, um sicherzustellen, dass sie die nationalen Rechtsvorschriften einhalten und nicht gegen “nationale, kulturelle und familiäre Werte” verstoßen. Diese Begriffe wurden laut HRW aber nicht definiert. “Diese Bestimmung kann möglicherweise zu einer stärkeren Selbstzensur unter Journalisten führen und die Themen einschränken, über die sie berichten können”, so die Menschenrechtsorganisation.

Das neue Gesetz verbietet Medien auch, “Propaganda” für Selbstmord zu veröffentlichen. Laut RSF fehlt aber auch hier eine klare Definition, was unter Propaganda zu verstehen ist.

Positive Aspekte

Präsident Kassym-Jomart Tokayev hatte das neue Gesetz am 19. Juni unterzeichnet. Zuvor hatten Journalistenorganisationen und Medienmacher Bedenken wegen restriktiver Vorschläge in dem Gesetzesentwurf geäußert. Sie hatten die Regierung dazu aufgefordert, den Entwurf zu überarbeiten oder zurückzuziehen. Daraufhin wurden einige der umstrittenen Bestimmungen gestrichen, andere blieben aber bestehen.

Als Verbesserung der bisherigen Situation sieht HRW die Verkürzung der Verjährungsfrist für Klagen gegen Medien wegen Verbreitung “ungenauer” Informationen von drei auf ein Jahr.

Auch, dass Medienanfragen künftig innerhalb von fünf statt sieben Arbeitstagen von “Informationsinhabern” beantwortet werden müssen, wertet HRW als positiv, ebenso wie die Einführung einer Definition für den “Sonderstatus eines Journalisten”. Diese ziele offenbar auf mehr rechtliche Garantien und Schutz für Journalisten ab.

Auslegbare Gesetze

Reporter ohne Grenzen zeigt sich auch deshalb “umso mehr” besorgt wegen des neuen Mediengesetzes, weil die Regierung bereits andere Gesetze einsetze, um die Schikanen gegen Journalisten zu verstärken. Unter anderem komme das Gesetz über die “Verbreitung falscher Informationen” zum Einsatz, das sehr weit ausgelegt werden könne.

Anwendung habe diese Regelung beispielsweise in dem Fall der Investigativjournalistin Zhamila Maricheva gefunden. Sie wurde am 6. Juni zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie in einer Meldung auf Telegram über die verweigerten Akkreditierungen von 36 Reportern des kasachischsprachigen Ablegers von Radio Free Europe berichtet hatte. In diesem Zusammenhang hatte sie das neue Mediengesetz zitiert, obwohl dieses laut Gericht keinen Einfluss auf die Akkreditierungsentscheidung gehabt haben soll.

Zudem ist laut RSF der Journalist Daniyar Adilbekov seit dem 27. März unter dem Vorwurf der “Verbreitung falscher Informationen” inhaftiert. Ihm werde der Zugang zu den Akten der Staatsanwaltschaft verwehrt.

In der Rangliste der Pressefreiheit von RSF belegt Kasachstan derzeit Platz 142 von 180 Staaten. Wie die Organisation berichtet, hat die Regierung in den vergangenen Jahren fast alle Oppositionsmedien mit Schadensersatzklagen und gezielten Angriffen auf Journalisten zum Schweigen gebracht. Kritische Fernsehsender gebe es nicht mehr und im Radio würden fast nur noch Musik und staatlich vorgegebene Nachrichten übertragen. (hcz)