Kenia: Internet während Protesten eingeschränkt

Demonstranten stehen Polizisten in der Hauptstadt Nairobi gegenüber
Bereits seit vergangener Woche protestieren Menschen in Kenia gegen geplante Steuererhöhungen. (Quelle: IMAGO / ZUMA Press Wire)

In Kenia sind Internetverbindungen derzeit teils unterbrochen. NGOs kritisieren, die Regierung habe das Internet vorsätzlich abschalten lassen, weil es im Land aktuell zu teils gewalttätigen Protesten kommt.

Seit Tagen gehen in Kenia landesweit Menschen gegen geplante Steuererhöhungen auf die Straße. Medienberichten zufolge fürchten viele Menschen in dem Land mit etwa 54 Millionen Einwohnern steigende Lebenshaltungskosten in Folge eines umstrittenen Finanzgesetzes. So ist beispielsweise eine Ökosteuer vorgesehen, durch die sich die Preise für Hygieneartikel erhöhen würden. Auch höhere Sozialabgaben sind geplant. Die Regierung hofft auf Mehreinnahmen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Sogar Grundnahrungsmittel sollten stärker besteuert werden. Eine geplante Steuer auf Brot und Speiseöl wurde aber bereits wieder gestrichen – die Demonstrierenden fordern allerdings, das Gesetz komplett zu kippen. Es sind besonders junge Leute, die gegen Präsident Ruto und seine Wirtschaftspolitik protestieren.

Am Dienstag waren die Proteste eskaliert und Demonstrierende hatten das Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Nairobi gestürmt – es kam zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei. Mindestens fünf Menschen sollen getötet worden sein. Zu der Zeit hatte im Parlament die dritte Lesung des Finanzgesetzes stattgefunden. Das Parlament hat das Gesetz gebilligt – nun muss es noch vom Präsidenten unterschrieben werden.

Nur etwa eine Stunde nach dem Parlamentssturm sind die Internetverbindungen landesweit bei 20 Providern eingebrochen, berichtet unter anderem die NGO Access Now. Auch die größten Telekommunikationsanbieter wie Safaricom und Wananchi seien betroffen. Außerdem seien der Messenger-Dienst Signal und die Online-Plattform X teils nicht mehr erreichbar gewesen. Berichten zufolge hatten sich die Demonstrierenden über diese Dienste organisiert.

Access Now geht davon aus, dass es sich um vorsätzliche Netzsperren aufgrund der Proteste handelt.

Zweifel an offizieller Erklärung

Zwar habe der Anbieter Safaricom inzwischen erklärt, ein Ausfall von zwei Unterseekabeln sei verantwortlich für die Störungen. Access Now hält diese Erklärung jedoch nicht für plausibel: Nach Einschätzung der NGO deutet etwa der Zeitpunkt der Unterbrechung darauf hin, dass es sich um absichtliche Einschränkungen handle. Die Situation habe sich außerdem weiter verschlechtert.

Auch Isik Mater von der Organisation NetBlocks erklärte, mehrere Faktoren deuteten auf eine absichtliche Netzsperre hin.

Felicia Anthonio von Access Now sagte: “Die Einschränkung des Internetzugangs während der Proteste ist eine eklatante Verletzung der Grundrechte und eine Bedrohung für die Sicherheit der Menschen sowohl online als auch offline. Die kenianische Regierung muss Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass der Zugang zum Internet und zu wichtigen Kommunikationsplattformen in Krisenzeiten landesweit gewährleistet ist.”

Noch am Montag hatte die kenianische Kommunikationsbehörde öffentlich erklärt, sie habe keine Absicht, eine Netzsperre zu verhängen.

Access Now kritisiert, die anhaltende Blockade sei ein großer Rückschritt, da Kenia lange Zeit auf solche Maßnahmen verzichtet habe. Die erste Netzsperre gab es in dem Land im November 2023, als die Behörden Telegram während nationaler Prüfungen blockiert hatten.

Die Regierung von Präsident Ruto habe die Bedeutung des Internets für die Entwicklung in der Region mehrfach unterstrichen, indem sie beispielsweise landesweit WLAN-Hotspots eingerichtet hatte. Der aktuelle Vorfall spiegele diese Verpflichtung nicht wider, so Access Now. Netzsperren würden gegen internationale Menschenrechtsabkommen verstoßen.

Die Organisation kündigte an, die Situation in Kenia weiter zu beobachten. Die kenianische Regierung und die Telekommunikationsanbieter müssten den Zugang zum Internet unverzüglich wiederherstellen. Von weiteren Blockaden müsse außerdem abgesehen werden. Auch das Recht auf freie Meinungsäußerung müsse gewährleistet werden.

Weitere Ausschreitungen erwartet

Derweil gibt es Warnungen vor weiterer Gewalt in Kenia. Das Auswärtige Amt etwa ruft zu erhöhter Vorsicht auf: Bei den Demonstrationen würden Wasserwerfer und Tränengas eingesetzt und es komme zu Verhaftungen. “Mit weiteren Demonstrationen und (gewaltsamen) Auseinandersetzungen muss gerechnet werden”, heißt es zur aktuellen Situation.

Amnesty International wirft den kenianischen Behörden vor, Menschen verschleppt zu haben, die verdächtigt werden, an den Protesten beteiligt gewesen zu sein.

Kenianische Medien hatten am Dienstag außerdem berichtet, ihnen sei seitens der Behörden wegen ihrer Berichterstattung über die Proteste mit Schließungen gedroht worden. Die Polizei soll auch Pressevertreter angegriffen oder vorübergehend festgenommen haben, berichtet das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ).

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, forderte Zurückhaltung von den kenianischen Behörden und mahnte einen friedlichen Verlauf der Demonstrationen an.

Präsident Ruto hat bereits angekündigt, dass nun auch das Militär gegen die protestierenden Menschen eingesetzt werden soll.

Nachtrag vom 27. Juni 2024: Am Mittwoch hat Präsident Ruto angekündigt, das Gesetz nicht zu unterzeichnen. Es werde komplett zurückgezogen. Jüngsten Angaben zufolge sind bei den Protesten am Dienstag mindestens 23 Menschen getötet worden. (js)