Kritik an tunesischer Biometriedatenbank

Reisepass vor einer tunesischen Flagge
Menschenrechtsorganisationen warnen beispielsweise vor dem Diebstahl der Bürgerdaten. (Quelle: IMAGO / ZUMA Wire)

Die tunesische Regierung führt künftig biometrische Ausweise und Pässe ein. Das Parlament hat in der vergangenen Woche zwei entsprechende Gesetzentwürfe angenommen. Zivilgesellschaftliche Gruppen hatten seit Jahren Kritik an den Vorhaben geübt.

Die NGO Access Now bezeichnete die Parlamentsabstimmung als Höhepunkt einer langen Kampagne gegen die beiden Gesetze. Die Organisation kündigte an, nun genau beobachten zu wollen, wie die Gesetze umgesetzt werden. Ein Termin für die Einführungen der neuen Ausweise ist noch nicht bekannt – in der Vergangenheit hatte Access Now auch über Finanzierungslücken bei dem Vorhaben berichtet.

Marwa Fatafta von Access Now kommentierte: “Die Abstimmung über den verpflichtenden biometrischen Ausweis ist das traurige Ende von acht Jahren zivilgesellschaftlichem Engagement für den Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz in Tunesien.” Sie mahnte: “Die digitale Transformation voranzutreiben, ohne die Grundrechte in den Mittelpunkt zu stellen, ist riskant und kontraproduktiv.”

Nach Angaben der Organisation müssen in Tunesien alle Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahre einen Personalausweis besitzen – er kann aber bereits ab 15 Jahren beantragt werden. Alle Ausweisinhaber müssen künftig Fingerabdrücke abgeben und auch ein biometrisches Foto wird gespeichert.

Regierung plant zentrale Datenbank

Das tunesische Vorhaben steht auch deshalb besonders in der Kritik, weil das Innenministerium die Daten nicht nur auf dem Chip im Ausweis, sondern auch in einer zentralen Datenbank speichern will.

Wie Access Now berichtet, hatten Parlamentsabgeordnete einen Tag vor der Abstimmung noch einen Änderungsantrag eingereicht, um die Einrichtung einer solchen Datenbank zu verhindern. Dieser Antrag sei jedoch abgelehnt worden.

Access Now fürchtet, dass die Datenbank Ziel von IT-Angriffen wird. Biometrische Daten sind besonders sensibel. Weil sie sich nicht verändern lassen, können Personen ein Leben lang über sie identifiziert werden – ein Datenleck hätte also weitreichende Folgen. Unklar sei nämlich auch, wie genau die Behörden die sensiblen Daten nutzen und schützen wollen. Zudem sei das tunesische Datenschutzgesetz aus dem Jahr 2004 veraltet und werde nicht durchgesetzt.

Die NGO hatte während des Gesetzgebungsprozesses außerdem gewarnt, staatliche Stellen könnten Bürgerinnen und Bürger mithilfe der Datenbank überwachen und das Recht auf Privatsphäre verletzen.

Kritik seit 2016

Der Plan, biometrische Merkmale in tunesischen Ausweisen zu speichern, wurde vom Innenministerium bereits im Jahr 2016 vorgestellt. Schon damals hatte es viel Kritik an dem Vorhaben gegeben. Die Piratenpartei Tunesien hatte beispielsweise gewarnt, dass eine zentrale Datenbank mit Bürgerdaten besonders anfällig für IT-Angriffe wäre.

Zwischenzeitlich hatte das Innenministerium seinen Gesetzentwurf zurückgezogen. Laut Access Now hatte es im Jahr 2022 dann angekündigt, die Arbeit daran wiederaufzunehmen – neue Gesetzentwürfe aber teils nicht veröffentlicht. Menschenrechtsorganisationen hatten sich daraufhin nochmals gegen das Projekt ausgesprochen und vor den Risiken gewarnt. Ende vergangenen Jahres hatte unter anderem der Parlamentsausschuss für Rechte und Freiheiten den Gesetzen zugestimmt, womit diese im Parlament zur Abstimmung eingebracht werden konnte.

Wiederholt hatten NGOs das tunesische Innenministerium aufgefordert, Fragen zu beantworten: Beispielsweise, ob auch Strafverfolgungsbehörden Zugang zu der Biometriedatenbank erhalten sollen – oder gar ausländische Regierungsbehörden. Auch über die genauen Sicherheitsvorkehrungen sollte das Ministerium aufklären. In den Gesetzentwürfen waren laut Access Now keine Details zu diesen Themen enthalten – weshalb das Vorhaben auch wegen mangelnder Transparenz in der Kritik steht.

Unklar blieb aus Sicht der Kritiker auch, warum das Innenministerium überhaupt biometrische Ausweise einführen will. Zuletzt hatte die Regierung auf Vorgaben der internationalen Zivilluftfahrtbehörde ICAO für maschinenlesbare Reisedokumente verwiesen. Um diese umzusetzen würde laut Access Now aber ein entsprechender Reisepass ausreichen – die Daten müssten nicht zusätzlich im Personalausweis vorhanden sein.

Kassem Mnejja von Access Now sagte, die Zivilgesellschaft warne schon seit dem Jahr 2016 vor dem Gesetz und fordere solide Menschenrechtsgarantien – diese Forderungen seien jedoch bis heute nicht erfüllt worden.

Access Now hatte in der Vergangenheit auch weitere Vorhaben der tunesischen Regierung kritisiert, weil dabei Bürgerdaten gesammelt werden – aus Sicht der NGO ohne den Datenschutz sicherzustellen. (js)