Los Angeles: Polizei erhält automatisch Meldungen von Ring-Nutzern

Türklingel mit eingebauter Ring-Kamera
Bürgerrechtler warnen seit langem vor dem Aufbau eines Überwachungsnetzwerkes durch Ring-Kameras. (Quelle: Amazon)

Meldungen in der “Neighbors”-App von Amazon Ring können in Los Angeles automatisch bei der Polizei landen. Das zeigt eine gemeinsame Recherche der Los Angeles Times sowie der Online-Magazine The Markup und AfroLA. Nicht immer handelt es tatsächlich um kriminelle Aktivitäten.

Die Amazon-Tochterfirma Ring bietet vernetzte Überwachungskameras an, beispielsweise in Türklingeln. Zusätzlich betreibt das Unternehmen in den USA mit der “Neighbors”-App auch eine Art soziales Netzwerk. Nutzerinnen und Nutzer können darüber Meldungen teilen – beispielsweise wenn ihnen etwas verdächtig vorkommt, aber auch wenn ein Haustier entlaufen ist. Ring selbst erklärt zum Zweck der App: “Mit der Neighbors-App können Anwohner – und teilweise auch Polizeibehörden – zusammenarbeiten, um Kriminalität zu bekämpfen.”

Laut den Recherchen werden in der App abgesetzte Meldungen in Los Angeles teils automatisch an die dortige Polizei (LAPD) weitergeleitet. Aus per Informationsfreiheitsanfrage erhaltenen Dokumenten geht demnach hervor, dass über einen Zeitraum von zwei Jahren mehr als 13.000 dieser Nachbarschaftsmeldungen an mindestens 15 E-Mail-Adressen der Behörde gesendet wurden.

“Verdächtiges Verhalten”

Die Vereinbarung zwischen dem LAPD und Ring beziehe sich eigentlich nur auf Ereignisse, die als Straftat eingestuft werden. Den Recherchen zufolge wurden in über 30 Prozent der untersuchten weitergeleiteten Beiträge jedoch keine kriminellen Aktivitäten beschrieben – sondern Meldungen über entlaufene Haustiere oder “verdächtiges Verhalten”.

Andrew Guthrie Ferguson, Rechtsprofessor an der American University in Washington, erklärte gegenüber The Markup: “Berichte über verdächtiges Verhalten sind eine verschlüsselte Art und Weise zu sagen, dass jemand nicht dazugehört.” In vielen wohlhabenden Gegenden führe dies dazu, dass Menschen anderer Ethnien ins Visier genommen werden.

Der Recherche von The Markup zufolge teilen in Los Angeles vor allem Menschen Beiträge über die App, die in wohlhabenderen Stadtteilen leben. Zu den Meldungen aus diesen Gegenden zählten auch Berichte über “Fremde” – als Beispiel nennt der Bericht eine Meldung über einen “lateinamerikanischen Mann mit einem Schlafsack”.

Ángel Díaz von der USC Gould Law School sagte, die “Neighbors”-App sei die Weiterentwicklung “einer langen Geschichte von Gemeinschaften, die sich zusammenschließen, ihre eigenen Überwachungssysteme schaffen und festlegen, wer ihrer Meinung nach irgendwo hingehört und wer nicht”.

Unbegründete Meldungen

Unklar bleibt, welche Konsequenzen die mit dem LAPD geteilten Meldungen hatten. The Markup weist jedoch darauf hin, dass in den USA beispielsweise Schwarze häufiger von der Polizei inhaftiert, verletzt und getötet werden als weiße Personen. Durch Überwachungssysteme wie Ring und die “Neighbors”-App würden bestehende Vorurteile aufrechterhalten – und es entstehe ein zusätzliches Risiko für marginalisierte Gruppen.

Laut dem Bericht hat die Organisation “Stop LAPD Spying Coalition” im Jahr 2021 eine Initiative der Polizei überprüft, in deren Rahmen Bürger zur Meldung verdächtiger Aktivitäten ermutigt wurden – mit dem Ziel, Terroranschläge zu verhindern. Die Untersuchung habe ergeben, dass 60 Prozent der Meldungen aus Stadtteilen mit überwiegend weißen Bewohnern stammten – und fast die Hälfte unbegründet waren. Hamid Khan, Gründer der Organisationen erklärte, durch Apps wie “Neighbors” werde es noch einfacher, solche Meldungen abzusetzen.

Ring selbst wollte sich zu Fragen von The Markup nicht äußern und gab nur allgemein an, dass Racial Profiling und hasserfüllte Inhalte auf “Neighbors” nicht erlaubt seien.

Anhaltende Kritik

Amazon-Ring steht schon lange wegen seiner Zusammenarbeit mit Polizeibehörden in der Kritik. Laut The Markup haben neben dem LAPD insgesamt 2604 weitere Polizeibehörden in den USA Partnerschaften mit Ring geschlossen. Auch nahezu 600 Feuerwehren arbeiteten mit Ring zusammen. Die Partnerschaften zwischen Ring und den Strafverfolgern seien für die Nutzerinnen und Nutzer jedoch nicht immer ersichtlich.

Über die “Neighbors”-App können Polizeibehörden Besitzer von Ring-Kameras auch um die Aufnahmen ihrer Überwachungskameras bitten. Datenschutzexperten in den USA haben wiederholt gewarnt, dass dadurch ein privates Überwachungsnetzwerk entstehe.

Die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) kritisiert zudem, Apps wie “Neighbors” seien als eine Art “digitale Nachbarschaftswache” konzipiert. Eine Meldung sei dabei auch immer wie eine Aufforderung an die Behörden zu verstehen, sich eines vermeintlichen Problems anzunehmen. Durch den Einsatz solcher Apps würden tatsächlich jedoch bekannte Probleme verstärkt, beispielsweise Racial Profiling. Menschen würden von Nutzern der App unter anderem also aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft als angeblich verdächtig gemeldet. Nach Ansicht der Organisation verstärken die Apps zur Nachbarschaftsüberwachung eine bestehende Paranoia. (js)