Mehr Flächen für Windenergie benötigt
Der Bundesverband Windenergie (BWE) fordert “Blockaden” in Deutschland abzubauen, die verhindern, dass mehr Windkraftanlagen errichtet werden können. Probleme gebe es unter anderem mit zu großen Abstandsregeln zu Navigationsanlagen für den Luftverkehr sowie mit weiträumigen Sicherheitszonen für militärische Belange. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Verbandes unter Akteuren der Branche hervor. Nicht mehr “zeitgemäße Technologie” und zu großzügige Abstandsregelungen blockierten den Bau von Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 7 Gigawatt Leistung, so der Verband.
Dabei geht es um die Anzahl der Windenergieprojekte, die aufgrund von sogenannten Drehfunkfeuern oder militärischen Belangen blockiert oder verzögert werden. Drehfunkfeuer sind Funksendeanlagen, die dem Luftverkehr zur Navigation dienen. Sie senden ein Signal, anhand dessen Piloten ihre Position bestimmen können. Die Deutsche Flugsicherung betreibt derzeit 54 solcher Anlagen.
Im Umkreis dieser Funkfeuer gilt ein Schutzbereich von 15 Kilometern, in dem keine Windkraftanlagen errichtet werden dürfen. Momentan würde deswegen der Bau von 418 Windenergieanlagen mit einer potenziellen Leistung von rund 2200 Megawatt blockiert. Der Verband fordert, den Schutzbereich auf 10 Kilometer zu begrenzen. In den Bundesländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sei diese Regelung besonders problematisch für den Ausbau.
Konfliktfelder im Zusammenhang mit militärischen Belangen sind laut Verband beispielsweise Zonen für Tiefflüge, Schutzbereiche für Radaranlagen oder Übungsgebiete. Diese blockierten die Errichtung von 953 Windenergieanlagen mit einer geplanten Leistung von über 4800 Megawatt. Die mit Abstand stärksten Hemmnisse bildeten Hubschraubertiefflugstrecken, die mit 46,5 Prozent beinahe die Hälfte der ermittelten Blockaden ausmachen sollen. Vor allem in Niedersachsen stellten diese Regelungen aus Sicht der vom BWE Befragten ein Problem dar.
Für eine schnelle Klärung der Konflikte sei die direkte Abstimmung zwischen den beteiligten Ministerien Verkehr, Verteidigung und Wirtschaft notwendig, forderte Verbandspräsident Hermann Albers.
Besserung in Sicht
An der Umfrage nahmen 141 Akteure von Verbänden, Ministerien und Energieagenturen aus 12 Bundesländern teil. Der BWE hat über 20.000 Mitglieder und ist damit der größte deutsche Branchenverband für Windenergie.
Es gebe ein großes Potenzial, zusätzliche Flächen für die Windenergie freizugeben, schreibt der Verband. Zum Vergleich: Ende Juni lag die installierte Leistung der Windkraftanlagen in Deutschland bei rund 55 Gigawatt (GW). Für das Jahr 2021 geht die Branche früheren Angaben zufolge von einem Zubau in Höhe von 2,2 bis 2,4 GW aus. Die Jahreszahlen werden am kommenden Donnerstag vorgestellt.
Seit der letzten Umfrage im Jahr 2019 sei einiges passiert, hieß es zugleich. So habe die Deutsche Flugsicherung ihre Berechnungsformel zur Bewertung des Störeinflusses von Windenergieanlagen auf Drehfunkfeuer geändert. Dadurch seien deutlich mehr Projekte als genehmigungsfähig bewertet worden. 2019 konnten noch mehr als 1000 Anlagen mit einer Leistung von rund 4800 Megawatt wegen Drehfunkfeuern nicht errichtet werden – aktuell weniger als halb so viele.
Ministerium will gegensteuern
Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hatte angekündigt, kurzfristige Flächenpotenziale für die Windenergie zu erschließen. Dafür sollen unter anderem vorgeschriebene Abstände zu Drehfunkfeuern und Wetterradaren verringert werden.
Durch Reformen im Bereich Funknavigation und Drehfunkfeuer könnten neue Windkraftanlagen mit 4 bis 5 GW Gesamtleistung ermöglicht werden, hieß es in der “Eröffnungsbilanz” Habecks. Zusätzlich gebe es ein Potenzial von 3 bis 4 GW Leistung im Bereich militärischer Belange. Habeck will zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie reservieren; das wäre deutlich mehr als bisher.
Die Maßnahmen seien nötig, damit Deutschland wie geplant im Jahr 2045 Klimaneutralität erreichen kann. Die neue Regierung aus SPD, Grünen und FDP will außerdem erreichen, dass der Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bis 2030 von derzeit rund 42 auf 80 Prozent steigt.
Problem 10 H & Co.
Neben den vom Verband monierten Hindernissen bremsen auch spezielle Abstandsregeln der verschiedenen Bundesländer den Ausbau der Windkraftanlagen. In Bayern hat der Ausbau von Windrädern im vergangenen Jahr einen neuen Tiefstand erreicht: Wie aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Grünen im Landtag hervorging, wurden dort 2021 keine neuen Genehmigungsanträge für Windkraftanlagen mehr gestellt.
“Bei der Windkraft sind wir in Bayern jetzt auf dem Nullpunkt angelangt”, urteilte der energiepolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Martin Stümpfig. Die von Ex-Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) eingeführte 10-H-Regel schreibt vor, dass der Abstand eines Windrades zur nächsten Wohnsiedlung in der Regel mindestens das Zehnfache der Bauhöhe betragen muss – bei 200 Meter Rotorhöhe also zwei Kilometer. In anderen Bundesländern gelten teils ähnliche Abstandsregeln, doch in Bayern sind sie besonders streng.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Oliver Krischer (Grüne), appellierte an die Kooperationsbereitschaft der Länder. “Keine Landesregierung wird sich dem notwendigen Ausbau entziehen können, wenn sie Klimaschutzziele erreichen und Versorgungssicherheit garantieren will”, sagte er der Düsseldorfer am Montag der Rheinischen Post.
Bundesweit stagniert der Neubau von Windkraftanlagen: Während 2017 noch 1792 neue Anlagen gebaut wurden – ähnlich wie in den Jahren zuvor -, ist seit 2018 ein massiver Einbruch zu beobachten. 2020 betrug der Zubau laut BWE nur noch 420 Anlagen. Die Anzahl der Windkraftanlagen hierzulande verharrt somit bei unter 30.000 Stück. (dpa / hcz)