MI5 speicherte jahrelang illegal Kommunikationsdaten
Der britische Innengeheimdienst MI5 hat beim massenhaften Abfangen von persönlicher Kommunikation und beim Speichern der Daten gegen mehrere Gesetze verstoßen. In den Jahren 2014 bis 2019 fanden “schwerwiegende Verstöße bei der Einhaltung der Vorschriften” auf höchster Ebene der Organisation statt, stellte am Montag das zuständige Gericht in seinem Urteil fest.
Dass die Speicherung rechtswidrig geschah, sei den Verantwortlichen bewusst gewesen. Sie hätten die Verstöße dennoch nicht an die Aufsichtsbehörden gemeldet. Seit Ende 2014 seien Richtlinien und gesetzliche Vorgaben zur Überprüfung, Aufbewahrung und Löschung von Daten missachtet worden.
Die Versäumnisse hätten eigentlich “dringende Maßnahmen durch den Vorstand des MI5 erfordertet”, so das Gericht. Von den illegalen Überwachungsmethoden könnten Millionen Menschen betroffen sein. Die Menschenrechtsorganisationen Liberty und Privacy International hatten die Klage im Januar 2020 eingereicht. Sie begrüßten das Urteil.
Die für die Kontrolle der Sicherheitsbehörden zuständige Justizbehörde Investigatory Powers Tribunal (IPT) gab sowohl dem Geheimdienst als auch dem Innenministerium in ihrem Urteil die Verantwortung für die Verstöße. Es seien “weitreichende organisatorische Fehler” zwischen den Behörden begangen worden. Das Innenministerium und verschiedene Innenminister hätten die Verstöße des MI5 übersehen und nicht untersucht, obwohl sie seit 2016 Informationen hatten, die darauf hindeuteten, dass der MI5 außerhalb des Gesetzes handelte.
Das Innenministerium hat laut IPT von 2016 bis April 2019 “keine angemessenen Nachforschungen” angestellt, “ob die gesetzlichen Garantien eingehalten wurden”. Unterzeichnete Überwachungsanordnungen an das MI5 aus der Behörde waren daher teils rechtswidrig. Das Innenministerium sei seiner Rolle als Aufsichtsinstanz nicht gerecht geworden. Die Überwachungsanordnungen hätten nicht die Schutzanforderungen der geltenden Gesetze wie dem Regulation of Investigatory Powers Act 2000 (RIPA) und Investigatory Powers Act 2016 (IPA) erfüllt.
Der Geheimdienst ist eigentlich dazu verpflichtet, das Innenministerium über Vorbehalte in Bezug auf geplante Überwachungsmaßnahmen zu informieren. Das hatte die Sicherheitsbehörde dem Gericht zufolge seit 2014 versäumt. Seit mindestens 2016 sei dem MI5 bewusst gewesen, dass ein “sehr hohes Risiko” bestand, mit dem Vorgehen gegen gesetzliche Auflagen zu verstoßen.
EU-Menschenrechte verletzt
PI erklärte, es gehe sowohl um Material, das durch gezielte Überwachung und Abhören gewonnen wurde, als auch um Daten, die bei der Erfassung von Massenkommunikation gespeichert wurden. Die Daten könnten potenziell alles umfassen, “vom Inhalt der abgefangenen Kommunikation bis hin zu Daten, die durch die gezielte Beschaffung von Kommunikationsdaten aus Telekommunikationssystemen gewonnen werden (beispielsweise Verkehrsdaten, Standortdaten, Teilnehmerdaten und alle anderen Daten im Zusammenhang mit einer Kommunikation)”.
Die klagenden NGOs kritisierten nach dem Urteil, dass die Datenverarbeitungsvereinbarungen des MI5 systematisch die Rechte auf Privatsphäre und Meinungsfreiheit verletzt hat. Zudem hätte das Vorgehen auch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen – was das Gericht in seinem Urteil bestätigt hat.
“Dieses Urteil bestätigt, was wir bei Liberty und andere seit Jahren sagen – Überwachungsmechanismen sind nicht zweckmäßig und schützen unsere grundlegenden Datenschutzrechte nicht”, sagte Megan Goulding, Anwältin bei Liberty. Den Sicherheitsdiensten sollte es nicht erlaubt sein, die Bürger auszuspionieren und ihre Daten zu sammeln, weil die Befugnisse die Privatsphäre verletzten und die Grundpfeiler der Demokratie untergrüben.
“Der heutige Tag hat gezeigt, dass die sogenannten Sicherheitsvorkehrungen völlig unwirksam sind, um unsere Rechte zu schützen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen”, so Goulding weiter. Liberty fordert von der Regierung nun Beschränkungen, um Datenschutzrechte zu schützen.
Caroline Wilson Palow, Justiziarin bei Privacy International kritisierte, dass die Regierung immer wieder bessere Schutzmaßnahmen versprochen habe, ohne effektive Taten folgen zu lassen. “Das heutige Urteil ist besonders besorgniserregend, weil es bestätigt, dass solche Schutzmaßnahmen illusorisch sein können. Der MI5 hat sie jahrelang nicht eingehalten und mehrere Innenminister haben die Anzeichen hierfür ignoriert”, sagte Palow.
Illegale Anordnungen bleiben bestehen
Die britische Innenministerin bezeichnete die im Urteil kritisierten Versäumnisse zwischen dem Innenministerium und dem MI5 am Montag als “historisch”. In einer Erklärung an das Parlament wies sie aber darauf hin, dass “es nicht der Fall war, dass der MI5 das Material niemals hätte aufbewahren dürfen, nur dass ein kleiner Teil davon zu lange aufbewahrt worden war”.
Trotz der Rechtsverstöße, die der Geheimdienst bei seiner Arbeit begangen hat, sollen unrechtmäßig ausgestellte Anordnungen nicht aufgehoben werden. Denn das Tribunal sorgt sich zu sehr darum, das dies “der nationalen Sicherheit sehr schaden würde”. (hcz)