Myanmar: Internet seit über einem Jahr gesperrt

Telenor-SIM-Karte
Die meisten Menschen in den betroffenen Gebieten nutzen das Internet über Mobilfunkanbieter. (Quelle: Bjoertvedt – CC BY-SA 3.0)

Bereits seit Juni 2019 ist das mobile Internet in Teilen Myanmars abgeschaltet. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch fordert, diese Einschränkungen aufzuheben. Da die meisten Menschen das Internet über Handys nutzen, seien mehr als eine Millionen Menschen von der Sperre betroffen. In manchen Dörfern sei der Ausbruch der Corona-Pandemie weiterhin unbekannt.

Die Sperre des über Mobilfunk zugänglichen Internets war am 21. Juni 2019 in Teilen der Staaten Chin und Rakhine in Kraft getreten. Dort kommt es immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und der Rebellengruppe Arakan Army. Zwischen September 2019 und Februar 2020 hatte die Regierung die Sperre in fünf Gemeinden aufgehoben, dann aber wieder in Kraft gesetzt. Seit dem 2. Mai besteht die Sperre in Maungdaw im Rakhine-Staat nicht mehr.

Das verantwortliche Ministerium für Transport und Kommunikation hatte am 12. Juni 2020 in Aussicht gestellt, die Sperre in acht Gemeinden noch mindestens bis zum 1. August aufrecht zu erhalten, berichtet die Zeitung Myanmar Times. In einer Pressekonferenz hieß es demnach, die Sperre würde aufgehoben, sobald keine Gefahr mehr für die Bevölkerung bestehe und das Telekommunikationsgesetz nicht weiter verletzt würde. Die Regierung rund um die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi begründet die Internet-Sperre damit, dass die Arakan Army über das Internet Angriffe auf das Militär des Landes organisieren würde. Human Rights Watch argumentiert, dass Menschen gerade in Krisensituationen nicht von Informationen abgeschnitten werden dürfen.

Corona-Pandemie unbekannt

Laut Human Rights Watch erschwert die Internet-Sperre es Hilfsorganisationen, in die betroffenen Gebiete zu gelangen. Auch sei die Corona-Pandemie dort teilweise noch unbekannt und Menschen kämen nicht an Informationen über die nötigen Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern.

Auf die Wichtigkeit dieser Informationen weisen auch diplomatische Vertretungen in Myanmar hin. Eine am 21. Juni 2020 veröffentlichte Erklärung wurde unter anderem von Frankreich, Deutschland, Schweden, Großbritannien und den USA unterzeichnet. Die Vertretungen weisen auch auf die im November anstehenden Wahlen in dem Land hin. Durch die Internet-Sperre sei es für Wähler unmöglich, sich zu informieren, heißt es in der Myanmar Times.

Human Rights Watch kritisiert außerdem, dass es durch die Internet-Sperre schwieriger ist, die Situation der Rohingya-Minderheit im Rakhine-Staat zu beobachten. Im Januar 2020 hatte der Internationale Gerichtshof die Regierung Myanmars in einer Vorentscheidung dazu verpflichtet, einen Völkermord an der muslimischen Minderheit zu verhindern.

Regierung verweist auf SMS

Die Regierung hatte die Maßnahme im April 2020 verteidigt und erklärt, Bewohner der betroffenen Gemeinden könnten Informationen zum Corona-Ausbruch auch weiterhin per SMS erhalten. Zudem gebe es an manchen Orten stationäre Internetanschlüsse. Diese spielen laut Human Rights Watch aber keine Rolle, da in Myanmar die meisten Menschen das Internet über ihr Mobiltelefon nutzen würden.

Als Grundlage für die Sperre dient Artikel 77 des Telekommunikationsgesetzes des Landes. Laut Myanmar Times kritisieren Nichtregierungsorganisationen diesen Artikel bereits seit Jahren – unter anderem, da nicht klar definiert sei, in welchen Situationen er angewendet werden kann. Auch mangelnde Transparenz wird kritisiert, denn die meisten Beschlüsse nach Artikel 77 sollen nicht öffentlich verfügbar sein. Human Rights Watch fordert, dass das Gesetz an internationale Standards angeglichen wird, um die Meinungsfreiheit zu schützen.

Kritische Medien werden blockiert

Die Regierung nutzt den Paragrafen auch, um gezielt Webseiten zu blockieren. So sollen Telekommunikations- und Internet-Anbieter auf Anweisung der Regierung den Zugriff auf über 2000 Webseiten verhindern. Neben pornografischen Internetseiten zählen Seiten der Kategorie “Fake News” dazu. Auf dieser Liste sollen jedoch auch kritische Medien stehen, wie die Deutsche Welle und Human Rights Watch berichten. Auch Seiten, die aus der Sicht ethnischer Minderheiten berichten, befinden sich auf der Blockadeliste.

Die für Menschenrechte in Südostasien zuständige Abteilung der Vereinten Nationen fordert ebenfalls, dass die Beschränkungen in Myanmar sofort aufgehoben werden. Besonders während einer Pandemie und in einem Konfliktgebiet sei es für die Bevölkerung wichtig, Zugang zu Informationen zu haben. (js)