Pakistan sperrt X während Massenprotesten
Die pakistanischen Behörden haben am Wochenende die Plattform X (ehemals Twitter) blockieren lassen, nachdem in zahlreichen Städten Massenproteste gegen die Wahlergebnisse ausgebrochen waren. Bereits am Wahltag vor knapp zwei Wochen hatte die Regierung eine Internetsperre verhängt.
Wie die Organisation NetBlocks am Montag berichtete, ist die Plattform X bereits seit 48 Stunden gesperrt. NetBlocks hatte bereits am Sonntagnachmittag eine landesweite Sperre des Dienstes bestätigt. Es handle sich um die “neueste und längste in einer Reihe von landesweiten Internet-Zensurmaßnahmen”, die im Zusammenhang mit der Parlamentswahl am 8. Februar stehen.
Am Wochenende waren Medienberichten zufolge Tausende Oppositionsanhänger in zahlreichen Städten des Landes auf die Straße gegangen. Die Anhänger der PTI-Partei um den inhaftierten Ex-Premierminister Imran Khan forderten unter anderem Transparenz und sprachen von “gestohlenen Stimmen”.
Der Staat reagierte den Berichten zufolge mit einer massiven Präsenz von Sicherheitskräften – und der Blockade der Plattform X.
Umstrittene Wahl
In dem Land mit mehr als 240 Millionen Menschen hatten am 8. Februar Parlamentswahlen stattgefunden. Die Wahlen waren von Manipulationsvorwürfen überschattet und die Ergebnisse wurden erst mit großer Verzögerung bekannt gegeben.
Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs durften Mitglieder der Oppositionspartei PTI rund um Ex-Premier Imran Khan nur als unabhängige Kandidaten bei der Wahl antreten. Die Opposition hatte diese Entscheidung als politisch motiviert kritisiert und dem Militär des Landes vorgeworfen, die Wahlen zu seinen Gunsten beeinflussen zu wollen.
Khan sitzt unter anderem wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis. Er selbst sieht die Verfahren als politisch motiviert an, um ihn von der Macht fernzuhalten.
Dennoch wurden Kandidaten, die ihm und seiner Partei nahestehen, stärkste Kraft bei den Wahlen. Den Wahlsieg beanspruchte aber auch die Muslimliga PML-N um den kürzlich aus dem Exil zurückgekehrten früheren Premier Nawaz Sharif für sich. Die Partei verkündete in der vergangenen Woche, gemeinsam mit der Volkspartei PPP und Kleinparteien eine Regierungskoalition bilden zu wollen.
Unterdessen hatte ein hochrangiger Behördenvertreter aus der Millionenstadt Rawalpindi am Samstag erklärt, er habe bei der Manipulation der Wahlergebnisse geholfen. Die Behörden hätten Stimmen für unabhängige Kandidaten geändert. Auch der Chef der Wahlkommission soll dabei angeblich eine Rolle gespielt haben – die Kommission hat die Anschuldigung zurückgewiesen. Nach seiner Aussage wurde der Behördenvertreter verhaftet.
Schon kurz nach der Wahl hatten Anhänger von Imran Khan behauptet, Wahlzettel seien gefälscht worden. Auch Verzögerungen bei der Auszählung und eine Netzsperre am Wahltag hatten zu Manipulationsvorwürfen geführt. Bereits am zwei Tage nach der Wahl hatten Anhänger der PTI-Partei deshalb in Peshawar im Nordwesten Pakistans protestiert.
Im Vorfeld hatten Beobachter wiederholt vor unfreien Wahlen gewarnt.
Internetsperre am Wahltag
Am Wahltag hatten die Behörden das Mobilfunknetz landesweit abschalten lassen – weder Anrufe noch die Nutzung des mobilen Internets waren möglich. Die Behörden hatten die Einschränkungen mit der angeblichen Sicherheit von Wählerinnen und Wählen begründet, nachdem sich im Land einen Tag zuvor zwei tödliche Anschläge ereignet hatten. Beobachter hatten darauf hingewiesen, dass die Sicherheitslage auch bei den Wahlen im Jahr 2018 angespannt gewesen sei – dennoch habe es damals am Wahltag keine solchen Einschränkungen gegeben.
An der Kommunikationssperre hatte es scharfe Kritik gegeben. So hatte etwa Livia Saccard von Amnesty International kommentiert: “Die Entscheidung, Telekommunikationsdienste und das mobile Internet am Wahltag abzuschalten, ist ein unverhohlener Angriff auf die Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung.” Der Zugang zu Informationen sei eingeschränkt worden, nachdem “verheerende Bombenanschläge verübt” und “die Opposition im Vorfeld mit aller Härte bekämpft wurde”.
Felicia Anthonio von der NGO Access Now hatte erklärt: “Den Zugang zu mobilen Kommunikationswegen ausgerechnet am Wahltag komplett zu sperren, ist inakzeptabel – die Menschen in Pakistan brauchen Internetzugang, damit eine freie und faire Wahl gewährleistet werden kann.” Durch die Telekommunikationssperre werde die Integrität der Wahlen gefährdet.
Gemeinsam mit zahlreichen weiteren NGOs hatte Access Now noch wenige Tage vor der Wahl an die pakistanischen Behörden appelliert, keine Netzsperre zu verhängen. Der Zugang zu Informationen sei für Wählerinnen und Wähler unter anderem wichtig, um sich über die Kandidaten zu informieren – aber auch, um das nächstgelegene Wahllokal zu finden. Auch die Wahlberichterstattung werde durch Netzsperren eingeschränkt.
Die pakistanischen Behörden hatten auch zuvor bereits zu der umstrittenen Maßnahme gegriffen: Als es etwa nach der Verhaftung von Khan im vergangenen Jahr zu gewalttätigen Protesten gekommen war, hatten die Behörden zunächst einzelne Plattformen und dann landesweit das mobile Internet blockieren lassen. Auch im Dezember 2023 und im Januar 2024 hatten die Behörden Plattformen wie X und Facebook sperren lassen.
Auch zwei Tage nach der Wahl hatten die Behörden den Zugang zu der Plattform X gesperrt. (js)