Pakistan schränkt Internet wegen Protesten ein
Seit der Verhaftung des ehemaligen pakistanischen Premiers Imran Khan am Dienstag kommt es in mehreren Städten des Landes zu gewalttätigen Protesten. Die Regierung hat soziale Netzwerke blockieren lassen – teils funktioniert das mobile Internet gar nicht mehr. Menschenrechtsorganisationen fordern die Aufhebung der Blockade.
Nach Angaben der Organisation NetBlocks sind die Plattformen Facebook, Twitter und YouTube seit Dienstag landesweit über mehrere Mobilfunk- und Festnetz-Provider nicht mehr erreichbar. Die Blockade einzelner Dienste lasse sich mit sogenannten VPN-Diensten umgehen. In einigen Regionen des Landes wurde das mobile Internet jedoch komplett gesperrt. Laut der Organisation Access Now betrifft dies unter anderem die Hauptstadt Islamabad.
Lokalen Medienberichten zufolge hat die Telekommunikationsbehörde am Mittwoch zudem angekündigt, das mobile Internet in Pakistan solle landesweit “auf unbestimmte Zeit” blockiert werden. Dies habe das Innenministerium entschieden. Unklar bleibt, ob die landesweite Sperre bereits umgesetzt wurde.
Ehemaliger Premier verhaftet
Pakistanische Behörden hatten am Dienstag den früheren Premierminister und jetzigen Oppositionsführer Imran Khan wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet. Bei einer Verurteilung dürfte Khan bei den für November geplanten Wahlen nicht antreten. Am Donnerstagnachmittag entschied der Oberste Gerichtshof, die Festnahme sei illegal gewesen und ordnete die sofortige Freilassung Khans an.
Khan wurde im April 2022 nach vier Jahren Amtszeit durch ein parlamentarisches Misstrauensvotum abgesetzt. Er betrachtet die Absetzung als illegal und hatte behauptet, ausländische Regierungen hätten Einfluss auf die Abstimmung genommen. Seit seinem Ausscheiden aus dem Amt hat die Justiz wiederholt neue Vorwürfe gegen ihn erhoben.
Medienberichten zufolge ereignete sich die Festnahme kurz nachdem das Militär Khan gewarnt hatte, keine “unbegründeten Anschuldigungen” gegen die Armee zu erheben. Der ehemalige Premierminister hatte zuvor erneut einen hochrangigen Offizier des Geheimdienstes beschuldigt, an einem Attentat auf ihn im vergangenen Jahr beteiligt gewesen zu sein.
Die Festnahme am Dienstag löste in mehreren Orten des Landes heftige Proteste aus, bei denen es Berichten zufolge zu Gewalt auf Seiten der Demonstrierenden und der Polizei kam. Mindestens sechs Menschen sollen nach Angaben von Ärzten und Polizei getötet worden sein. Unter anderem in der Hauptstadt Islamabad wurden inzwischen auch Soldaten stationiert.
In Folge der Proteste sollen im ganzen Land mehr als 2000 Menschen verhaftet worden sein. Auch Funktionäre von Khans Partei Tehreek-e-Insaf sind darunter. Ihnen wird vorgeworfen, die Proteste organisiert zu haben.
Menschenrechtler fordern Aufhebung der Blockade
Rimmel Mohydin von Amnesty International forderte die Behörden am Donnerstag auf, die Lage zu entschärfen. Die Behörden sollten Zurückhaltung üben und keine Schusswaffen einsetzen, um Demonstrierende auseinanderzutreiben.
Organisationen wie Human Rights Watch, Amnesty International und Access Now fordern die Regierung außerdem auf, die Internetsperre aufzuheben.
Eliška Pírková von Access Now sagte: “Der Zugang zum Internet und zu sozialen Medien ist entscheidend, um mit Angehörigen in Kontakt zu treten und die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Zugang zu Informationen und Versammlungsfreiheit auszuüben.” Insbesondere während Protesten und Krisen sei es für die Menschen wichtig, Informationen austauschen und überprüfen zu können.
Human Rights Watch zufolge begründet die Regierung die Internetblockade mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung und der Eindämmung von Falschnachrichten. Die Organisation kritisiert, den Menschen in dem Land mit gut 220 Millionen Einwohnern werde der Zugang zu “lebensrettenden Informationen” verweigert. Auch der Zugang zu Gesundheitsversorgung werde eingeschränkt und die Berichterstattung erschwert.
Wie die pakistanische Tageszeitung Dawn berichtet, fordern auch zivilgesellschaftliche Organisationen und Unternehmen aus Pakistan die Aufhebung der Blockade. In einer gemeinsamen Erklärung forderten sie die Regierung auf, den Internetzugang als Grundrecht anzuerkennen, das nicht willkürlich beschnitten werden dürfe. Die Rechte auf Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit würden derzeit “ungerechtfertigt eingeschränkt”, die Internetsperre habe darüber hinaus aber auch Auswirkungen auf die Wirtschaft.
Internetsperre während Protestmarsch
Laut Access Now haben pakistanische Behörden in der Vergangenheit bereits wiederholt Internetsperren während Protesten angeordnet: Beispielsweise im Mai 2022, als Imran Khan einen Protestmarsch nach Islamabad angeführt hatte.
Auch einzelne Plattformen wurden in der Vergangenheit mehrmals blockiert: Im Februar hatten die Behörden etwa die Enzyklopädie Wikipedia kurzzeitig sperren lassen. Grund dafür sollen angeblich “blasphemische Inhalte” gewesen sein. YouTube war sogar von 2012 bis 2016 nicht erreichbar. Auslöser war ein islamfeindlicher Film, dessen Veröffentlichung in mehreren Ländern Proteste ausgelöst hatte. (js)