Polen: Demonstrationen gegen Rundfunkgesetz

Demonstration für TVN
Präsident Andrzej Duda kann das umstrittene Gesetz noch mit einem Veto aufhalten. Ob er das tun wird, ist ungewiss. (Quelle: IMAGO / NurPhoto)

Am Sonntag haben sich zehntausende Menschen in Polen zu Protesten gegen ein neues Rundfunkgesetz zusammengefunden. Sie sorgten sich darum, dass die neuen Regelungen die Pressefreiheit einschränken und den Interessen der konservativen Regierungspartei PiS dienen. Medienberichten zufolge trugen die Demonstrierenden Plakate mit Forderungen wie “Freie Medien, freie Menschen, freies Polen” und “Wir haben ein Recht auf die Wahrheit”.

Unter anderem versammelten sich die Protestierenden vor dem Präsidentenpalast in Warschau. Denn Präsident Andrzej Duda muss das Gesetz noch absegnen. Medienberichten zufolge hatte er bereits angedeutet, eventuell sein Veto einzulegen. Das gilt aber bei Weitem nicht als sicher: Duda gehört der regierenden PiS-Partei an und hat in der Vergangenheit schon mehrere umstrittene Gesetze abgesegnet.

Das Parlament hatte das neue Gesetz am Freitag in einer kurzfristig angesetzten Express-Sitzung erneut verabschiedet. Änderungsvorschläge der Opposition hatte die Regierungsmehrheit kurzerhand abgelehnt.

Rundfunklizenzen sollen demnach nur noch an Ausländer vergeben werden, wenn diese ihre Zentrale beziehungsweise Wohnsitz im Europäischen Wirtschaftsraum haben. Der Lizenznehmer darf auch von niemanden abhängig sein, der Zentrale oder Wohnsitz außerhalb des Wirtschaftsraums hat.

Kritischer Nachrichtensender als Ziel

Offiziell soll das Gesetz dem Schutz der polnischen Medienlandschaft dienen; laut Regierung soll die Regelung verhindern, dass nicht-europäische Unternehmen die Meinungsbildung in Polen beeinflussen. Kritiker sehen darin aber den Versuch, ausländische Medien wie den regierungskritischen US-Nachrichtensender TVN24 aus dem Land zu drängen.

TVN24 gilt als führender Nachrichtensender des Landes, steht regelmäßig in Konflikt mit der Regierungspartei PiS und musste 2017 eine Rekordstrafe zahlen, weil er über Proteste gegen die Regierung berichtet hatte. Medienexperten bezeichneten das damalige Vorgehen als Zensur.

Über eine in den Niederlanden registrierte Holding ist die TVN-Programmgruppe Teil des US-Konzerns Discovery. Sollte das neue Gesetz in Kraft treten, wären die Eigentümer in den USA dazu gezwungen, ihre Kontrollmehrheit innerhalb von sechs Monaten zu verkaufen. TVN-Eigentümer Discovery nannte das Gesetz laut Süddeutscher Zeitung einen “beispiellosen Angriff auf die freien Medien” und auf “Polens größten und wichtigsten Verbündeten”, die USA. Der Konzern kündigte rechtliche Schritte an.

Protestveranstaltungen fanden in Danzig, Stettin, Posen, Krakau und vielen anderen Städten des Landes statt. Redner wie der Chefredakteur der liberalen und regierungskritischen Tageszeitung Wyborcza Jaroslaw Kurski warfen der PiS-Partei vor, kritische Medienstimmen ersticken zu wollen, um sich Vorteile bei zukünftigen Wahlen zu sichern – 2023 stehen Parlamentswahlen in Polen an.

Regelmäßige Regelverstöße

Anfang August hatte der PiS-kontrollierte Teil der Nationalversammlung Sejm das Gesetz bereits schon einmal abgesegnet. Die Regelung scheiterte im September aber zunächst im von der Opposition kontrollierten Senat – nachdem Rechtsexperten und der juristische Dienst den Gesetzentwurf als Verstoß gegen die polnische Verfassung, die EU-Verträge und ein polnisch-amerikanisches-Handelsabkommen einstuft hatten. Der Sejm kann den Senat aber mit einer einfachen Mehrheit überstimmen – wie nun erfolgt.

Wie schon im August ist es auch bei der aktuellen Abstimmung zu Regelverletzungen gekommen: Eigentlich hätte das Plenum früher über die Sitzung informiert werden müssen.

EU und USA verstimmt

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) rief am heutigen Montag Präsident Duda dazu auf, das “Lex TVN” zu stoppen und sein Veto einzulegen. "Wir halten es auch mit Blick auf EU-Recht für hochproblematisch, wie die polnische Regierung hier gegen eine unabhängige Sendergruppe vorgeht“, kommentierte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. “Gesetze so in Form zu bringen, dass sie zu den politischen Zielen passen, ist eines Rechtsstaats unwürdig.” Bereits im September hatte eine RSF-Delegation bei einem Besuch in Warschau an das Parlament appelliert und Präsident Andrzej Duda aufgefordert, die Gesetzesnovelle abzulehnen. Sollte das Gesetz in Kraft treten, würde das regierungsfreundlichen Unternehmen ermöglichen, sich mehrheitlich bei TVN einzukaufen.

Kritik an dem Gesetz erfolgte aktuell auch von Seiten der EU und den USA. Die Tagesschau zitierte EU-Kommissions-Vize-Präsidentin Vera Jourova: “Sobald das Gesetz in Kraft tritt und nicht mit EU-Regeln konform ist, wird die Kommission nicht zögern, zu handeln.” Die EU wirft der polnischen Regierung unter Vize-Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski seit Längerem vor, demokratische Rechte anzugreifen und EU-Gesetze zu missachten.

Das US-Außenministerium teilte über einen Sprecher mit, dass das Gesetz das Vertrauen ausländischer Investoren in die Vertragstreue Polens unterwandere. Zudem würde es die Meinungs- und Pressefreiheit bedrohen. Die US-Regierung sei “tief besorgt”. Die USA riefen Präsident Duda dazu auf, die verfassungsmäßigen Grundrechte zu verteidigen.

Duda hat nun knapp drei Wochen Zeit, das Gesetz zu unterschreiben, sein Veto einzulegen oder das politisch kontrollierte Verfassungsgericht mit der Begutachtung zu betrauen. (hcz)