Polens Parlament stimmt für umstrittenes Rundfunkgesetz

TVN
TVN24 ist der einzige Sender, den das Rundfunkgesetz unmittelbar betrifft. (Quelle: IMAGO / newspix)

In Polen dürfen Rundfunklizenzen voraussichtlich nur noch dann an Ausländer vergeben werden, wenn diese ihren Hauptsitz innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums haben. Das polnische Parlament hat am Mittwoch Abend das entsprechende neue Rundfunkgesetz verabschiedet. Es wurde nur mit knapper Mehrheit angenommen: 228 Abgeordnete stimmten dafür, 216 dagegen, 10 enthielten sich.

Für eine Lizenzvergabe reicht es demnach nicht aus, wenn die Antragssteller eine Vertretung in der EU haben, ihre Zentrale aber außerhalb. Hinzu kommt, dass der Lizenznehmer auch nicht beispielsweise von einem Mutterkonzern abhängig sein darf, der seinen Wohnsitz oder seine Zentrale außerhalb des hiesigen Wirtschaftsraums hat.

Die Opposition und andere Kritiker vermuten, dass das Gesetz auf den Privatsender TVN und sein Informationsprogramm TVN24 abzielt. Er vertritt regierungskritische Positionen und gehört zu einer niederländischen Holding-Gesellschaft; diese ist wiederum Teil des US-Konzerns Discovery. TVN ist der einzige Sender, der unmittelbar von dem neuen Gesetz betroffen ist.

Regierung zerbricht an Gesetz

Die Gesetzesnovelle sorgt für massive Konflikte in Polen: Das nationalkonservative Regierungsbündnis ist am Dienstag an dem Streit darüber zerbrochen, die PiS-Partei muss nun eine Minderheitsregierung führen. Der ehemalige Koalitionspartner, die Verständigungspartei, war zwar der kleinere der zwei PiS-Partner, ihre 13 Abgeordneten waren aber für eine Mehrheit nötig.

Die Abgeordneten traten am Mittwoch offiziell aus der Regierung aus, nachdem am Dienstag ihr Parteivorsitzender Jaroslaw Gowin als Vize-Ministerpräsident und Entwicklungsminister entlassen wurde. Begründet wurde die Entlassung damit, dass er und die Abgeordneten zu wenig an Reformen der PiS mitgearbeitet hätten. Gowin hatte außer den Änderungen am Rundfunkgesetz auch geplante Steuererhöhungen abgelehnt.

Im weiteren Gesetzgebungsprozess muss die zweite Kammer des Parlaments, der Senat, dem Gesetz ebenfalls zustimmen. Er kann noch Änderungen vorschlagen.

Kritik aus den USA und auf den Straßen

Laut Ned Price, Sprecher des US-Außenministeriums, hatten Vertreter der USA kurz vor der Abstimmung polnische Kollegen kontaktiert und die Novelle kritisiert. “Polen ist ein wichtiger NATO-Verbündeter, der versteht, dass das transatlantische Bündnis nicht nur auf gegenseitigen Interessen beruht, wenn es um unsere gemeinsame Sicherheit geht, sondern auch um das gegenseitige Engagement für gemeinsame demokratische Werte und Wohlstand”, kommentiert Price. Er betonte, dass eine freie und unabhängige Presse eine Demokratie stärker macht.

Am Dienstag Abend versammelten sich Tausende Polen in verschiedenen Städten, um gegen das geplante Gesetz zu demonstrieren. Sie fürchten staatliche Zensur. Seit längerem versucht die regierende PiS, möglichst viele Medien unter staatliche Kontrolle zu bringen. Ihr Vorgehen begründet sie mit der nationalen Sicherheit und der angeblichen Einflussnahme ausländischer Kräfte.

Im Dezember hatte der teilstaatliche Ölkonzern Orlen einen Großteil der polnischen Regionalzeitungen gekauft. Im Mai wurden dann drei Chefredakteure entlassen und durch regierungsfreundliche Mitarbeiter ersetzt. Dabei hatte Orlen-Vorstandsvorsitzender Daniel Obajtek Mitte April noch versichert, dass es nach der Übernahme des Verlags Polska Press weder Entlassungen noch inhaltliche Einmischungen geben werde. Einen Monat später fanden Kommunalwahlen statt.

In der Rangliste der Pressefreiheit fiel Polen innerhalb von fünf Jahren seit dem Regierungsantritt der PiS-Partei um zahlreiche Ränge zurück: von ehemals Platz 18 auf nun Platz 64 – von 180. (hcz)