Pornoseiten: Provider lehnen Sperren ab

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Da sich ausländische Pornoseiten weigern, deutsches Recht zu befolgen, steht die Frage im Raum, ob Websperren berechtigt sind.

Seit dem Frühjahr versucht die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen die Betreiber großer Pornoportale wie YouPorn, Pornhub und Mydirtyhobby dazu zu bringen, sich an das deutsche Jugendschutzrecht zu halten – bislang ohne Erfolg. Nun trat die Behörde an deutsche Internet-Provider heran und bat darum, die Seiten in Deutschland zu sperren. Unter anderem kontaktierten die Medienwächter laut Spiegel die Provider Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica, 1&1 und Tele Columbus.

“In Sachen XHamster hat uns die Landesmedienanstalt NRW gebeten, eine freiwillige DNS-Sperre gegen deren Internetseiten umzusetzen. Diesen Wunsch werden wir nicht erfüllen”, teilte ein Sprecher des Internet-Providers Vodafone der Nachrichtenseite Golem mit. Und ein Sprecher von 1&1 stellte dem Spiegel gegenüber klar, dass es nicht infrage käme, Websites auf behördlichen Zuruf zu sperren. Die Anfrage habe auch nicht den rechtlichen Kriterien des Bundesgerichtshofs zur Webseitensperrung entsprochen.,

Sperren als letztes Mittel

Die Provider warten auf eine förmliche Sperrverfügung. Denn grundsätzlich können Internet-Provider zwar dazu verpflichtet werden, den Zugang zu bestimmten Webseiten zu sperren.

Allerdings hatte der Bundesgerichtshof im Jahr 2015 entschieden, dass eine Störerhaftung der Provider beziehungsweise “Zugangsanbieter” an die Verhältnismäßigkeit gebunden ist (Aktenzeichen I ZR 3/14 und I ZR 174/14). Bevor die Provider in die Pflicht genommen werden können, muss der Rechteinhaber in zumutbaren Maß gegen die Betreiber der illegalen Angebote vorgehen.

Damals ging es um illegale Musikangebote. Im aktuellen Fall muss sich demnach die Landesmedienanstalt zunächst mit den Betreibern der Pornoseiten auseinandersetzen, bevor sie die Provider zum Handeln auffordert. Die unternommenen Versuche blieben aber bislang ohne Erfolg.

Keine Altersverifikation

Im September 2019 hatte die Landesmedienanstalt NRW angefangen, die Pornoseiten zu prüfen. Im Juni hatte die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) dann drei Pornoseiten untersagt, ihre Inhalte hierzulande anzubieten. “Konkret machen alle drei Angebote pornografische Inhalte frei zugänglich, ohne sicherzustellen, dass Kinder und Jugendliche keinen Zugang dazu erhalten”, hieß es in einer Mitteilung. Der Jugendmedienschutzvertrag schreibt vor, dass Anbieter pornografischer Angebote sicherstellen müssen, dass nur Erwachsene Zugang haben.

Als Zugangskontrolle muss ein sogenanntes Altersverifikationssystem (AVS) vorhanden sein, zu dem die KJM Vorgaben festgelegt hat. Insgesamt 30 Gesamtkonzepte und 20 Module wurden bislang als geeignet erklärt.

Kontaktaufnahme ohne Erfolg

Bei den im Juni monierten Seiten handelt es sich laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung um Pornhub, Youporn und Mydirtyhobby. Allen dreien fehlt eine geeignete AVS und alle gehören zum kanadischen Unternehmen Mindgeek. Europäischer Geschäftssitz ist aber in allen drei Fällen Zypern. Außerdem soll laut dem Fachmagazin Medienkorrespondenz bereits im März 2020 die Webseite XHamster beanstandet worden sein. Allerdings konnte deren ebenfalls in Zypern ansässiger Betreiber Hammy Media Ltd. nicht ermittelt werden.

Laut KJM sei die Rechtsdurchsetzung bei Anbietern mit Sitz im Ausland “grundsätzlich schwieriger” – in Deutschland ansässige Anbieter kämen den gesetzlichen Verpflichtungen zum Jugendschutz in der Regel nach.

Die beanstandeten Seiten dürfen in der jetzigen Form eigentlich nicht weiterbetrieben werden. Im Juni wurden den Portalen entsprechende Verfügungen zugestellt. Anschließend hatte sich die KJM mit der zypriotischen Medienaufsichtsbehörde abgestimmt und die Anbieter zu dem Problem angehört. Dann hatten die Anbieter Zeit, der Verfügung Folge zu leisten – oder sich juristisch zu wehren.

Der Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, Tobias Schmid teilte damals mit, man sei “bereit, den Weg weiterzugehen und alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel auszuschöpfen. Dass Anbieter mit solch enormer Reichweite, die sich gezielt an deutsches Publikum richten, deutsches Recht trotz offenkundiger Gefährdung von Kindern und Jugendlichen ignorieren, ist nicht hinnehmbar”.

Heikle Websperren

Als keine Reaktion erfolgte, brachte Schmid die Sperrung der Webseiten ins Spiel. Doch dieses Mittel gilt als außergewöhnlich und ist höchst umstritten. Laut Spiegel steht die Möglichkeit zur Sperrung von bestimmten Webseiten seit zwanzig Jahren im Gesetz, doch angewandt wurde sie seitdem nur zögerlich und selten erfolgreich.

Denn die Gesetzesänderung zog damals eine ausufernde politische Diskussion nach sich. Kritiker argumentierten, dass die Sperren ein Zensursystem ermöglichen, wie man es beispielsweise aus China kennt. So könnten Seiten beispielsweise aus politischen Gründen gesperrt werden, um unliebsame Meinungen zu unterdrücken und politischen Gegnern die Plattform zu nehmen.

Im Jahr 2008 wollte beispielsweise die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen Filter gegen Seiten mit kinderpornografischen Inhalten einrichten. Schlussendlich wurde das geplante Gesetz aber überparteilich wegen Untauglichkeit abgelehnt. Stattdessen entwickelte die Bundesregierung ein Verfahren, um die Quellen der Angebote lahmzulegen und sich um die Opfer zu kümmern.

Im Jahr 2002 versuchte der damalige Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow, zwei Naziseiten von den Providern sperren zu lassen. Auch dieses Vorgehen sorgte für Protest und Widerstand in der Netzgemeinde und Politik. Trotz gewonnener Verwaltungsverfahren gab Büssow den Plan auf. Der Bezirksregierung wurde die Zuständigkeit entzogen und stattdessen ist nun die Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen für solche Fälle zuständig.

Keine schnelle Lösung in Sicht

Auch im aktuellen Fall ist keine schnelle Lösung absehbar: Die Pornoportale haben bereits zum Gegenangriff angesetzt und reichten am Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage gegen die Landesanstalt ein. Laut Spiegel versuchen sie in mehreren Verfahren, die Behörde dazu zu zwingen, ihre Maßnahmen einzustellen.

Und auch die Internet-Provider kündigten an, sich im Fall einer Sperrverfügung eine juristische Überprüfung vorzubehalten. Laut Medienkorrespondenz ist ein mehrere Jahre andauernder juristischer Streit zu erwarten, der durch zahlreiche Instanzen gehen wird. hcz