Prüfstellen für Klimazertifikate wegen Verdacht auf Betrug durchsucht

Umweltbundesamt
Chinesische Unternehmen meldeten sich beim UBA, weil sie als Träger für Klimaschutzprojekte aufgeführt wurden, mit denen sie nichts zu tun hatten. (Quelle: IMAGO / Zoonar)

Polizeikräfte haben am Freitag die Räumlichkeiten von drei Prüfstellen für Klimazertifikate in Deutschland durchsucht. Das teilte die zuständige Berliner Staatsanwaltschaft am Montag mit. Es besteht der Verdacht, dass die Firmen an einem Betrug bei angeblichen Klimaschutzprojekten in China beteiligt sind. Einige Projekte sollen nie realisiert worden sein, obwohl wertvolle CO2-Zertifikate darauf ausgestellt wurden.

Bei den Durchsuchungen hätten die Beamtinnen und Beamten zahlreiche Unterlagen beschlagnahmt, so die Staatsanwaltschaft. Im Fokus der Ermittlungen stehen demnach 17 Geschäftsführer und Mitarbeitende von Prüfstellen. Sie werden des “gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betruges” verdächtigt. Es gebe den Anfangsverdacht, so die Staatsanwaltschaft, dass sie das Umweltbundesamt (UBA) beziehungsweise die dort angesiedelte Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) “hinsichtlich der Existenz und/oder jedenfalls der Antragsberechtigung verschiedener Klimaschutzprojekte getäuscht haben”.

Es sollen fünf Klimaschutzprojekte von dem Betrug betroffen sein. Die Staatsanwaltschaft schätzt den Schaden auf über 1,1 Millionen Euro.

Zertifikatssystem Vertrauensbasis

Das Umweltbundesamt hatte Ende Mai Anzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Zuvor hatte das ZDF über mutmaßlichen Betrug bei sogenannten Upstream-Emission-Reductions-Zertifikaten (UER) berichtet. Demnach hätten Zertifikate im Wert von mehreren Millionen Euro gar nicht genehmigt werden dürfen. Denn viele der beanstandeten Klimaschutzprojekte existierten überhaupt nicht oder waren bereits gebaut, als die CO2-Zertifikate beantragt wurden – was sie eigentlich als UER-Projekte disqualifiziert.

Die UER-Zertifikate nutzen Mineralölkonzerne in Deutschland, um durch CO2-Einsparungen im Ausland gesetzliche Klimaschutzvorgaben hierzulande zu erfüllen. Die meisten genehmigten Projekte dienen dazu, den Treibhausgasausstoß der Ölförderung oder der dazugehörigen Lieferkette zu reduzieren. Sie werden von deutschen Prüfinstituten zertifiziert und vom UBA genehmigt. Dabei muss sich die Behörde laut UBA auf die Verifizierer verlassen und ihnen die Prüfung vor Ort überlassen.

Die Behörde erklärte gegenüber Posteo: “Wir befinden uns in dem Dilemma, dass die China-Projekte nach der Regelung der UER-Verordnung eben nicht durch deutsche Behörden vor Ort kontrolliert werden können, sondern durch Zertifizierungsunternehmen überprüft werden. Das sieht die UER-Verordnung so vor.” Das UBA habe in China schlicht keine Hoheitsrechte.

“Wir schauen also aus großer Ferne auf Daten, die uns Dritte zur Verfügung stellen”, so die Behörde weiter. “Wir prüfen dann etwa, ob die angegebenen Geo-Daten der Projekte mit Satellitenbildern übereinstimmen.” Das zeige aber nicht immer die Realität. Man könne mit Satelliten nicht in eine Anlage reinschauen oder prüfen, ob sie richtig arbeitet.

In Reaktion auf die ZDF-Recherche hatte das UBA eine Untersuchung angekündigt. Zudem hatte die Behörde Informationen aus China erhalten. Beispielsweise habe ein chinesisches Unternehmen im April dem UBA gegenüber erklärt, in keinem Zusammenhang mit fünf Klimaschutzprojekten zu stehen – in den zugehörigen Unterlagen sei das Unternehmen aber als Projektträger genannt worden. Bei den chinesischen Behörden habe man um Amtshilfe gebeten, hieß es Ende Mai aus dem Amt.

Konsequenzen im Umweltbundesamt

Umweltministerin Steffi Lemke hatte Anfang Juli vor dem Umweltausschuss des Bundestags gesagt, dass es sich bei dem aktuellen Fall eventuell um “schwere Umweltkriminalität” handelt. “Wir haben es hier mutmaßlich mit einem Betrugsversuch zu tun, mit einem Betrugsgeflecht.” Betroffene Projekte in China seien sofort gestoppt worden.

Insgesamt geht es um 40 von 79 UER-Projekten, die derzeit unter Betrugsverdacht stehen, erklärte das UBA. Bei zehn davon fand die Behörde bis Mitte Juni “besonders deutliche Hinweise, die einen Verdacht auf Betrug nahelegen”. Zwei der Projekte wurden wegen Verstoßes gegen die Vorgaben bereits rückabgewickelt, zwei weitere sollen folgen. “Das UBA wird aber ausnahmslos alle 79 Projekte noch einmal gründlich untersuchen”, hieß es aus dem Amt. Das soll sowohl Alt-Projekte betreffen, die bereits genehmigt wurden, als auch alle Neu-Projekte.

Zudem hatte das Umweltbundesamt die Suspendierung des für Klimaschutz-Projekte in China zuständigen Mitarbeiters aus der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) bekanntgegeben. Zu diesem Zeitpunkt hätten allerdings keine Beweise für ein persönliches Fehlverhalten der betroffenen Person vorgelegen. Der Schritt sollte lediglich die “lücken- und vorbehaltlose Aufklärung” vorantreiben".

Auch der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, hatte sich anlässlich der ZDF-Recherche Mitte Juni geäußert und das gesamte System hinter den Zertifikaten bemängelt. “Mir hat das System von Anfang an nicht gefallen, weil ich es für betrugsanfällig gehalten habe”, sagte Messner gegenüber der Welt am Sonntag. Dass es vorzeitig beendet wird, sei wegen der abstrakten Betrugsgefahr ohnehin geplant gewesen.

Das UBA selbst meint: “Die wichtigste Lehre für künftige Nachhaltigkeits-Zertifizierungen ausländischer Projekte ist aus unserer Sicht, dass Kontrollen vor Ort gesichert werden, um die unabhängigen Prüfer überprüfen zu können, wenn Zweifel auftauchen.” Sind solche Zertifikate einmal in der Welt, sei es für die Behörden aus personellen und rechtlichen Gründen schwer, Betrugsfälle rückabzuwickeln. (Mit Material der dpa / hcz)