Schufa & Co. sammeln massenhaft Daten aus Handy-Verträgen
Wer in den vergangenen Jahren einen Mobilfunkvertrag in Deutschland abgeschlossen hat, hat vermutlich auch unwissentlich seine persönlichen Daten an Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa gegeben. Wie Recherchen von NDR und Süddeutsche Zeitung (SZ) ergeben haben, speichern die meisten Firmen diese Datensätze seit dem Jahr 2018, ohne die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher nach Erlaubnis zu fragen.
Ob die Personen immer alle Rechnungen beglichen haben oder verschuldet sind, spielt keine Rolle. “Betroffen können damit alle deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher sein, die in den vergangen vier Jahren einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen haben”, schreibt die SZ.
Erfasst wurde beispielsweise, wann welcher Vertrag mit welchem Provider abgeschlossen wurde – sowie wann und wie oft ein Wechsel zu einem anderen Anbieter erfolgte. Für Unternehmen sind diese Daten von Interesse, um Kundenverhalten abschätzen zu können. Die Wirtschaftsauskunfteien sammeln Verbraucherinformationen, um Bonitätsprüfungen vorzunehmen.
Datenschützer kritisieren die Informationssammlung aus den Mobilfunkverträgen. Sie zweifeln an der Rechtmäßigkeit und sehen darin einen Verstoß gegen die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Verbraucherschützer fürchten zudem, dass auch unverschuldeten Verbrauchern Nachteile entstehen, beispielsweise beim Abschluss neuer Verträge.
Gegen Beschluss der Datenschutzkonferenz
Die SZ fragte bei mehreren deutschen Auskunfteien an, ob sie die Mobilfunkvertragsdaten für ihre Bonitätsbewertungen verwenden. Eine Antwort erhielt die Zeitung von den allerwenigsten. Nur Infoscore Consumer Data gab an, solche Daten nicht zu speichern und Crif Bürgel antwortete, solche Informationen nicht für die Bonitätsbewertung zu nutzen.
Aus Sicht der deutschen Datenschutzbehörden, die in der Datenschutzkonferenz (DSK) organisiert sind, ist die Erfassung der Informationen in dieser Form unzulässig. Das bestätigte die DSK jüngst in einem Beschluss vom 22. September: Es würden “unterschiedslos große Datenmengen über übliche Alltagsvorgänge im Wirtschaftsleben erhoben und verarbeitet” werden, “ohne dass die betroffenen Personen hierzu Anlass gegeben haben”.
Seit Inkrafttreten der DSGVO im Sommer 2018 gelten strengere Regeln für das Speichern der Daten. Auch zuvor mussten die Auskunfteien eine Einwilligung bei den Verbrauchern einholen, doch seitdem sind die Anforderungen höher. Die Firmen “scheuten sich […] offenbar”, diese zu erfüllen, erklärte ein Sprecher des Landesdatenschutzbeauftragten in Nordrhein-Westfalen der SZ. Stattdessen sammelten viele Auskunfteien die Daten nun ohne Einwilligung. Sie begründen ihr Vorgehen mit “berechtigtem Interesse”, das in Artikel 6 der DSGVO verankert ist. Laut dem DSK-Beschluss ist dies aber unzulässig, solange keine Einwilligung vorliegt. Diese dürfe auch nicht zur Bedingung des Vertragsabschlusses gemacht werden.
Dass die Auskunfteien anderer Meinung sind, haben die Firmen in einer gemeinsamen Stellungnahme des Branchenverbandes “Die Wirtschaftsauskunfteien e. V.” dargelegt. Angeblich profitierten “finanzschwächere Menschen” von der Datenverarbeitung und Personen, für die “ansonsten keine oder nur sehr wenige bonitätsrelevante Daten” vorliegen. Zur Erklärung: Hat ein Verbraucher in seinem Leben beispielsweise noch keinen Kredit abbezahlt oder Verträge mit regelmäßigen Zahlungen vereinbart, bewerten die meisten Auskunfteien dies als negativ für die Zahlungsmoral – auch wenn es nie zu Zahlungsversäumnissen kam.
Angebliche Barmherzigkeit
Verbraucherschützer halten die Argumentation der Auskunfteien nicht für schlüssig. Nach Ansicht des Vorstands des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Klaus Müller, würde das Argument, weniger wohlhabenden Personen etwas Gutes zu tun, hier “instrumentalisiert”. Das Vorgehen habe nichts mit “Barmherzigkeit” zu tun. Gegenüber der SZ erklärte er: “Diese Argumentation ist falsch, die teilen wir nicht. Wir können auch keinen Beleg dafür sehen.”
Die Verbraucherschützer sehen eher das Problem, dass Personen keine Verträge mehr bekommen, weil sie beispielsweise regelmäßig den Anbieter wechseln, um Vorteile wie Rabatte mitzunehmen. Müller bezieht seine Kritik auf die Erfassung von Positivdaten. Für die Speicherung von Negativdaten über Verbraucher, die Kredite nicht abbezahlen, gebe es hingegen gute Gründe.
Zweifelhaftes Geschäftsmodell der Auskunfteien
Auskunfteien sammeln im großen Umfang Informationen über Verbraucher, um deren Kreditwürdigkeit einzuschätzen. Firmen wie die Schufa erheben aber selbst keine Daten, sondern bekommen diese von Vertragspartnern und aus öffentlichen Quellen. Unter anderem speichern die Auskunfteien Namen und Anschriften sowie Informationen zu Bankkonten, Kreditkarten, Leasing- und Mobilfunkverträgen oder Krediten und Bürgschaften. Im Normalfall muss der Verbraucher aber diesem Datenaustausch bei Vertragsabschluss zustimmen.
Zudem speichern Schufa & Co. sogenannte Zahlungsstörungen wie unbezahlte und angemahnte Forderungen. Aus diesen Daten ergibt sich ein sogenannter Score, an dem künftige Vertragspartner wie Vermieter oder Banken die Zahlungsmoral des Verbrauchers ablesen können sollen.
Allerdings ist für die Verbraucher kaum zu durchschauen, wie die Unternehmen ihre Scores errechnen und welchen Einfluss einzelne Werte auf die Gesamtbewertung nehmen. Die Algorithmen dahinter sind größtenteils Geschäftsgeheimnis. Die Schufa gibt an, der zuständige hessische Beauftragte für Datenschutz habe “vollständige Kenntnis über die verwendeten Scoreverfahren, inklusive der verwendeten Daten und Variablen”; zudem würden die Verfahren von Universitäten und unabhängigen Fachinstituten geprüft. Verbraucher, denen ein schlechter Score zugeteilt wurde, können Fehlinformationen dennoch nur schwer korrigieren lassen. Ob Positivdaten wie regelmäßig bezahlte Mobilfunkverträge in die Scores einfließen, dafür gibt es laut Daten- und Verbraucherschützern keine Garantie.
Informationen darüber, was man bei Konfliktfällen mit den Auskunfteien unternehmen kann und wie man eine kostenlose Selbstauskunft beantragt, finden Verbraucher bei den Verbraucherzentralen.
Was als nächstes in dem aktuellen Fall passieren wird, ist noch unklar. Müller vom VZBV fordert gegenüber der SZ, den Beschluss der Datenschutzkonferenz nun durchzusetzen und im Sinne der DSGVO zu handeln. Die erfassten Daten müssten gelöscht werden. Es könne nicht sein, dass die Daten, die womöglich die Freiheiten der Menschen einschränken, einfach weiter gespeichert werden. Möglicherweise wird ein Gericht über den Verbleib der Daten entscheiden müssen. (hcz)