Slowakei: Verfassungsgericht stoppt vorerst Corona-App

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Die geplante Massenüberwachung ist in der Slowakei vorerst gestoppt.

Die slowakischen Gesundheitsbehörden dürfen die Handydaten ihrer Bürger vorerst nicht mehr gegen deren Willen überwachen. Das hat das Verfassungsgericht in Kosice (Kaschau) am Mittwoch entschieden. Die höchste juristische Instanz der Slowakei gab damit einer Beschwerde der oppositionellen Sozialdemokraten gegen eine erst Ende März von der Parlamentsmehrheit beschlossene Novelle des Telekommunikationsgesetzes teilweise Recht.

Oppositionspolitiker begrüßten die Entscheidung der höchsten Richter. Die Gesetzesnovelle sei mit dem Ausmaß ihres Eingriffs in Datenschutz und Bürgerrechte “beispiellos in Europa” gewesen, erklärte der sozialdemokratische Vizeparteichef und ehemalige Gesundheitsminister Richard Rasi dem TV-Nachrichtensender TA3.

Dauerhafte Überwachung verhindert

Die von der konservativ-populistischen Parlamentsmehrheit beschlossene Gesetzesnovelle hatte der obersten staatlichen Gesundheitsbehörde den Zugriff zu den Handy-Lokalisierungsdaten der Mobilfunkbetreiber erlaubt, um so zu verfolgen, wo sich Corona-Infizierte bewegen und mit wem sie sich treffen.

Der Präsident des Verfassungsgerichts stellte gegenüber Journalisten einschränkend klar, dass das Urteil die Gesetzesnovelle nicht völlig aufhebe, sondern nur vorerst außer Kraft setze.

Maßnahmen müssen befristet sein

Auch hätten die Richter nicht grundsätzlich eine Handyüberwachung verboten, sondern lediglich beanstandet, dass die Gesetzesnovelle Zweck, Dauer und Kontrolle der außerordentlichen Maßnahme nicht ausreichend definiert habe.

Medien wiesen darauf hin, dass das Urteil auch nicht eine zusätzlich von der Regierung geplante Handy-App betreffe, mit der die Einhaltung verpflichtender Quarantäne bei Corona-Verdacht überwacht werden soll. Die Sozialdemokraten wollen aber auch diese anfechten.

System ineffektiv

In der Slowakei wird derzeit eine ähnliche Debatte um Corona-Apps geführt wie hierzulande – mit dem Unterschied, dass es in Deutschland noch nicht zum Rechtsstreit kam, weil es noch keine funktionierende App gibt.

Zudem ist die Methode zweifelhaft, mit der die slowakische Regierung die Standortdaten erfassen wollte. Bei einer Ermittlung mithilfe der Mobilfunk-Provider stehen nur äußerst ungenaue Daten zur Verfügung. Bei einer Präzision von maximal 50 Metern kann man beispielsweise keineswegs herausfinden, welche Personen sich tatsächlich so nahe gekommen sind, dass sie sich hätten infizieren können.

Als Alternative gibt es Konzepte, die bei der Standortermittlung auf Bluetooth LE setzen, das prinzipiell präziser arbeiten könnte. Bei dieser Methode melden die Apps nur einen Personenkontakt, wenn sich die beiden Mobilgeräte in gegenseitiger Bluetooth-Reichweite befanden. Dieses System wird auch von der Bundesregierung favorisiert. Allerdings entstehen auch bei Bluetooth LE Fehlalarme und Personenkontakte können nicht mit absoluter Sicherheit festgestellt werden. Entsprechende Bedenken gibt es auch gegenüber diesem System in Bezug auf die Zuverlässigkeit. (dpa / hcz)