Neuer Entwurf für umstrittenes Verfassungsschutzgesetz

Innenminister Horst Seehofer
Innenminister Seehofer mit seiner Verfassungsschutzreform bislang am Widerstand der SPD und Opposition. (Quelle: Martin Rulsch – CC BY-SA 4.0)

Nach mehr als einem Jahr Streit liegt jetzt ein neuer Entwurf für ein Gesetz vor, das die Befugnisse des Verfassungsschutzes ausweitet. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll dem Inlandsnachrichtendienst künftig in bestimmten Fällen gestattet werden, nicht nur Telefonate und SMS zu überwachen, sondern auch Chats über verschlüsselte Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Telegram mitzulesen.

Öffentlich zugänglich ist der Entwurf nicht.

Fehlende Kompetenz und “strukturelle Probleme”

Aus der Opposition kam Kritik. “Statt neue Überwachungsbefugnisse einzuführen, sollte die Bundesregierung die personelle Ausstattung und die inhaltlichen Kompetenzen im Bereich Extremismus verstärken”, kritisierte der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle. Außerdem müssten zunächst die bestehenden Überwachungsinstrumente evaluiert werden, bevor neue hinzukämen.

Die Grünen begrüßten zwar, dass die Online-Durchsuchung – also der verdeckte Zugriff auf Computer mutmaßlicher Extremisten – dem Verfassungsschutz weiterhin verwehrt bleiben soll. “Diese Entscheidung war überfällig”, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz. Gleichzeitig mahnten sie jedoch “strukturelle Probleme” im Verfassungsschutz an. Statt echter Reformen halte das Bundesinnenministerium an zahlreichen, “offensichtlich verfassungswidrigen Befugniserweiterungen” fest, sagte von Notz.

Auch Reporter ohne Grenzen hatte sich in einer Stellungnahme zu einem früheren Entwurf des Gesetz geäußert. Die Organisation sah vor allem die Pressefreiheit und den Quellenschutz in Gefahr. In ihrer “Rangliste der Pressefreiheit” wertet sie das Gesetz als eine der größten Gefahren für die Pressefreiheit in Deutschland.

Kontroversen um das mögliche Gesetz ergaben sich schon seit längerem. Im März 2019 veröffentlichte die Nachrichtenseite netzpolitik.org den damals aktuellen Entwurf und löste eine öffentliche Diskussion aus.

Gegen Extremisten und Schleuser

Das Bundesinnenministerium hatte argumentiert, beide Befugnisse würden der Sicherheitsbehörde in der virtuellen Welt letztlich nur Dinge erlauben, die ihr in der realen Welt jetzt schon gestattet seien. Die SPD sah das allerdings anders.

“Gut, dass es mit den Sicherheitsgesetzen jetzt vorangeht”, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU) der dpa. Die Befugnisse von Verfassungsschutz und Bundespolizei müssten dringend den neuen digitalen Möglichkeiten angepasst werden. “Extremistengruppen und Schleusernetzwerke können wir nur überwachen und aushebeln, wenn wir deren Kommunikation überwachen”, fügte er hinzu. Diese Netzwerke nutzten vor allem verschlüsselte Dienste wie WhatsApp oder Skype. Eine einfache Telefonüberwachung sei deshalb nicht ausreichend.

Polizei nicht gleich Nachrichtendienst

Das Bundeskriminalamt hat diese Möglichkeiten heute schon im Ermittlungsverfahren. In den Polizeigesetzen der Länder sind die Regelungen zur Überwachung verschlüsselter Chats und zur Online-Durchsuchung unterschiedlich. Für die Aufklärung extremistischer Gruppierungen durch den Verfassungsschutz gilt das bisher nicht. “Extremismus bekämpft man nicht, indem man die Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten überwindet”, kritisierte FDP-Politiker Kuhle.

Im Innenministerium hieß es, man hoffe, dass das neue Gesetz spätestens Anfang 2021 in Kraft treten werde. Bei der Reform des Gesetzes, das die Befugnisse der Bundespolizei regelt, gibt es dem Vernehmen nach noch größere Meinungsverschiedenheiten zwischen den Koalitionären. Umstritten ist unter anderem, an welchen Orten die Bundespolizei in Zukunft für Maßnahmen gegen unerlaubte Einreise zuständig sein soll – etwa ob auch Haltepunkte von Fernbussen dazugehören sollen. (dpa / hcz)