Streaming-Tipp: Überwachungslabor China

Überwachungszentrale in Pudong
Die chinesischen Überwachungssysteme erkennen automatisch Regelverstöße im öffentlichen Raum. (Quelle: NDR)

Kameras im öffentlichen Raum, Haustürsensoren und Bewegungsverfolgung während der Corona-Pandemie: China baut die Überwachung seiner Bürgerinnen und Bürger immer weiter aus. Die neue ARD-Reportage “China: Überwachungsstaat oder Zukunftslabor?” gibt interessante Einblicke in dieses System.

In Shanghai gibt es inzwischen etwa Überwachungszentralen, die wie aus einem George-Orwell-Roman wirken. Allein im Stadtbezirk Pudong sind 290.000 Kameras im Einsatz, die die Bevölkerung ununterbrochen überwachen. Nur selten wird ausländischen Medien Zutritt zu den staatlichen Einrichtungen gewährt, die ARD-Journalisten durften aber in der “Gehirn” genannten Zentrale in Pudong filmen. Die Bilder der Überwachungskameras erscheinen dort auf einem überdimensionalen Bildschirm. Algorithmen erkennen automatisch, wenn Menschen gegen Regeln verstoßen: beispielsweise, wenn ein Bauarbeiter keinen Helm trägt – oder Menschen ihren Müll neben die Tonne werfen.

Auch das Einhalten der Maßnahmen in der Corona-Krise wird kontrolliert. So erkennt das System etwa, wer im öffentlichen Raum keine Maske trägt. Und um Corona-Verdachtsfälle zu überwachen, installieren die Behörden vernetzte Sensoren an den Türen von Betroffenen. Verlassen diese regelwidrig ihre Wohnung, wird die Zentrale alarmiert.

Mitarbeiter sogenannter Nachbarschaftskomitees sind per Handy-App direkt mit der Überwachungszentrale verbunden. Auch sie können Regelverstöße melden – das System entscheidet dann automatisiert, an welche Stelle die Fälle weitergereicht werden.

Kameras an allen wichtigen öffentlichen Orten geplant

Die Regierung bezeichnet die Überwachungszentralen als Teil eines “intelligenten Stadtkonzepts”, das für “soziale Stabilität” sorge. Die Überwachung in Pudong sei Teil einer Entwicklung, die die Regierung im ganzen Land vorantreibe, berichtet die ARD. Ziel sei eine hundertprozentige Kamera-Abdeckung an allen wichtigen öffentlichen Orten, wie Bahnhöfen, Straßenkreuzungen und Parks. Chinas Staatsmedien vermelden, die Polizei könne inzwischen jede Person auf der Straße mittels Gesichtserkennung in Sekundenschnelle identifizieren.

Die Reportage zeigt auch andere Aspekte der Totalüberwachung auf: Chinas Datensammelwut sei seit Corona explodiert. Bürger müssen sich etwa beim Betreten bestimmter Stadtviertel, beim Supermarktbesuch oder im Taxi zwingend mit einer Kontaktverfolgungs-App anmelden. Dabei überwache die App personenbezogen Gesundheitsstatus und Aufenthaltsorte – wer am selben Ort war wie eine infizierte Person, erhält keinen Zutritt. Forscher der Ruhr-Universität Bochum haben diese App für die ARD untersucht: Dabei haben sie nachgewiesen, dass sie anders als die deutsche Corona-Warn-App bei jeder Anmeldung Daten an eine zentrale Stelle überträgt. Die Regierung könne so detaillierte Bewegungsprofile der einzelnen Bürgerinnen und Bürger erstellen und es gebe ein hohes Missbrauchspotenzial.

Auch über ein Sozialbewertungssystem versuche die Regierung, für jeden Bürger ein digitales Verhaltensprofil anzulegen. Wer beispielsweise Bücher pünktlich in die Bibliothek zurückbringt, erhält Punkte. Wer gegen Vorschriften verstößt, verliert Punkte. Unklar sei aber, wie genau bewertet wird. Das Bewertungssystem sollte eigentlich 2020 landesweit eingeführt werden, derzeit werde es jedoch noch in einigen Städten erprobt. Die Pekinger U-Bahn testet derzeit ein eigenes Bewertungssystem: Positiv beurteilte Fahrgäste dürfen die Sicherheitskontrollen an den Eingängen der Bahnhöfe unkontrolliert passieren.

Die Reportage zeigt außerdem, wie die chinesische Regierung die Minderheit der Uiguren in der autonomen Region Xinjiang unterdrückt. Die Eingänge zu Wohnvierteln sind hier mit Gesichtserkennungssystemen versehen, die direkt mit der Polizei verbunden sind. Den uigurischen Bewohnern sei dort nur der Besuch naher Verwandter erlaubt – wenn er zuvor genehmigt wurde, berichtet eine Betroffene in der Reportage. Den Journalisten ist es auch gelungen, einen Komplex aus mehreren Rechenzentren zu filmen, in dem Polizeidaten und Überwachungskameras ausgewertet werden. Unbemerkt ist das ARD-Team dabei jedoch nicht geblieben.

Die 44-minütige Reportage China: Überwachungsstaat oder Zukunftslabor?" ist bis zum 31. Mai 2022 in der ARD-Mediathek verfügbar. (js)