Streaming-Tipp: "Alles ist Eins. Außer der 0." - Anfangsjahre des CCC
Als “merkwürdige Menschen mit merkwürdigen Maschinen” beschrieben anwesende taz-Redakteure – wohl aus Unwissenheit – die Teilnehmer der Gründungssitzung des Chaos Computer Clubs (CCC) im Jahr 1981. Eingefunden hatten sich dort damals Andersdenkende, Visionäre oder einfach Technik-Nerds, die – von kalifornischen Technikvisionären inspiriert – Ideen, Wissen und Weltanschauungen austauschen wollten. Das Interesse an den aufkommenden Heimcomputern verband sie.
Dass es den CCC-Mitgliedern aber nie nur darum ging, sich über Soft- und Hardware auszutauschen, zeigt die Dokumentation “Alles ist Eins. Außer der 0.”, die aktuell kostenlos in der ARD-Mediathek angesehen werden kann. Der Computer habe eigentlich immer nur eine sekundäre Rolle gespielt, erklärt etwa der ehemalige Chefredakteur der CCC-Zeitschrift Datenschleuder Peter Glaser in dem Film. Das zentrale Interesse des Clubs sei die soziale Komponente gewesen. Die eineinhalb Stunden lange Dokumentation hangelt sich an den wichtigsten Ereignisse in der Geschichte des Vereins entlang. Gezeigt werden zahlreiche Archivaufnahmen und alte Interviews mit einigen der frühesten Mitglieder.
Den Fokus legt der Film vor allem auf den nonkonformistischen Mitgründer und Visionär Wau Holland und den ehemaligen Pressesprecher Steffen Wernéry. Anhand der beiden Charaktere wird deutlich, mit welchem Gedankengut der Club einst gegründet wurde: Wie vielen heutigen Netzaktivisten ging es auch den frühen Club-Mitgliedern darum, mithilfe der digitalen Technik eine bessere Zukunft für alle zu schaffen – aber auch auf ihre Gefahren hinzuweisen und sich mit dem Fortschritt kritisch auseinanderzusetzen.
Der Film verdeutlicht noch einmal, dass der CCC auch immer schon politisch war: Die Mitglieder sprachen sich schon frühi gegen staatliche Repression und Geheimhaltung aus. Während der Nuklearkatstrophe von Tschernobyl 1986 beispielsweise war es der CCC, der als Erster verfügbare Daten zu gemessener Strahlung über das damalige BTX-Netz verteilte und öffentlich machte.
Im Konflikt mit dem Gesetz
Es sind solche Schlüsselereignisse, die dem CCC zur Einmaligkeit verholfen haben. Die präsentierten Originalaufnahmen lassen sie wieder aufleben: 1983 boykottierte der Club die viel kritisierte Volkszählung und gewann dadurch an Popularität und vor allem Mitglieder. 1984 führten Holland und Wernéry im Beisein von Pressevertretern den berühmten BTX-Hack einer Hamburger Bank durch – und blamierten damit die Deutsche Post. Die erbeutete Summe von über 130.000 Deutsche Mark wurde zwar nach der Demonstration an die Bank zurückgezahlt. Aber die Arbeit des Clubs veränderte sich durch die mediale Aufmerksamkeit nach Aussage Hollands nachhaltig: “Wir waren mit Problemen konfrontiert, die wir vorher noch überhaupt nicht kannten: Wir hatten plötzlich mit Medienmanagement zu tun.”
Diese und andere in der Dokumentation erzählte Anekdoten gehören zum Gründungsmythos des CCC und faszinieren bis heute – einige wegen ihrer Absurdität, andere wegen der Hilflosigkeit der Beteiligten: So erklärt etwa der Sparkassenvorsitzende vor der Kamera, dass die Gefahr von Hacks gebannt sei, weil das Passwort geändert wurde.
Von Behörden und Medien wurde der CCC zu Beginn noch mitunter als kriminelle Vereinigung dargestellt. Denn der breiten Öffentlichkeit waren Computer Mitte der 80er Jahre noch suspekt – und das, was die meist jungen Hacker damit machten sowieso. In den gezeigten Talkshow-Aufnahmen wurden die Computer-Experten als Sonderlinge präsentiert. Geheimdienste und Sicherheitsbehörden betrachteten ihre Aktivitäten als potenzielle Bedrohung für Staat und Infrastruktur, versuchten aber gleichzeitig einzelne Mitglieder zu erpressen und anzuwerben. “Es ist das eingetreten, was befürchtet wurde: Dass jugendliche Hacker und Computerkriminelle in einen Topf geworfen werden.” sagt Steffen Wernéry im Interviews nach dem Tod des Hackers Karl Koch 1989.
Auszeit für die Feiertage
Die Dokumentation wurde im vergangenen Jahr im Kino gezeigt – pünktlich zum 40. Jahrestag der Gründung des CCC. “Alles ist Eins. Außer der 0.” gelingt es, die Zuschauer auf eine Zeitreise mitzunehmen in die wilden Zeiten der Computer-Pioniere.
Auch wenn die Bundesrepublik heute eine andere ist als die der 80er Jahre, die Themen des damaligen CCC sind heute genauso zeitgemäß wie vor 40 Jahren: Wem gehören Daten? Welche müssen geschützt werden, welche sollten öffentlich verfügbar sein? Wie bleibt der Mensch frei?
“Alles ist Eins. Außer der 0.” ist bis einschließlich 12. Januar 2023 kostenlos in der ARD-Mediathek und den dazugehörigen Apps verfügbar. (hcz)