Studie untersucht Umweltauswirkungen von umstrittenen Agrokraftstoffen

Rapsfeld
Da ein Großteil der Kraftstoffe für Deutschland in anderen Ländern angebaut wird, entstehen dort auch die Umweltschäden. (Quelle: Daniel Schwen – CC BY-SA 2.5)

Biokraftstoffe seien die beste Option zur Emissionsminderung im Verkehr – das behauptet zumindest die beteiligte Wirtschaft seit mittlerweile zwei Jahrzehnten. Eine nun veröffentlichte Studie, die Umweltbelastungen jenseits der Emissionsminderung untersucht hat, kommt zu einem anderen Ergebnis.

“Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Konsum von Agrokraftstoffen in Deutschland mit erheblichen globalen Auswirkungen auf Umwelt und Ökosysteme einhergeht”, so das Fazit. Ein Stopp der Nutzung von Agrokraftstoffen könne somit einen erheblichen Beitrag zur nachhaltigen Nutzung der Ressourcen leisten.

Die Studie hat das Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) angefertigt. Betrachtet wurden für das Jahr 2022 demzufolge die Produktion und Herstellung der Agrokraftstoffe und deren Auswirkung auf die Umwelt. Dabei wurde unter anderem berücksichtigt, wo die benötigten Rohstoffe angebaut wurden, die Größe der Anbauflächen und Höhe der Erträge, die Auswirkungen der dabei eingesetzten Düngemittel und Pestizide sowie die Energie, die zur Herstellung von Biokraftstoffen erforderlich ist.

Knapp 54 Prozent der im Jahr 2022 in Deutschland zur Anrechnung auf die Treibhausgasminderungsquote angemeldeten vier Millionen Tonnen Biokraftstoff stammten demnach aus Anbaubiomasse, die restlichen 46 Prozent aus Abfällen und Reststoffen – letztere wurden in der Studie nicht berücksichtigt. Zur Anbaubiomasse der in Deutschland verbrauchten Agrokraftstoffe führt die Studie als Anbaufrüchte etwa Raps, Soja, Sonnenblumen, Palmöl, Weizen, Mais, Roggen, Gerste sowie Zuckerrübe und Zuckerrohr auf. Der Biokraftstoff wird meist fossilen Kraftstoffen beigemischt und als E5, E10, B7 oder B10 verkauft, kann aber auch Bestandteil des umstrittenen Kraftstoffs HVO100 sein.

Die Nutzung von Agrokraftstoffen gehe auch mit einer enormen Belastung für Biodiversität und Klima einher, sagte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, am Mittwoch. Die DUH fordert die Bundesregierung deshalb dazu auf, die staatliche Förderung von Agrokraftstoffen sofort zu beenden und einen CO2-Preis auf Agrokraftstoffe einzuführen.

Dünger- und Pestizideinsatz

Die Erzeugung der Biokraftstoffe verbraucht laut Studie unter anderem eine erhebliche Menge Düngemittel wie Stickstoff und Phosphor – die nur begrenzt eingesetzt werden sollten, um Grundwasser und Böden nicht zu stark zu belasten. Pro Jahr kommen rund 230.000 Tonnen Stickstoff-Dünger beim Anbau der Agrokraftstoffe für Deutschland zum Einsatz. Über 90 Prozent davon werden für Raps und Getreide verbraucht. Die Menge an eingesetztem Phosphor-Dünger beträgt jährlich knapp 55.000 Tonnen. Davon entfielen die größten Anteile auf Getreide (knapp 12.000 Tonnen) sowie Raps (7500 Tonnen).

Weltweit würden jährlich etwa 4 Millionen Tonnen Pestizide eingesetzt. Unter der Annahme eines global einheitlichen pro-Kopf-Budgets ergebe sich ein Gesamtbudget von 41.900 Tonnen Pestiziden für Deutschland. Allein 9990 Tonnen oder knapp 24 Prozent dieses Budgets würden für den Anbau von Energiepflanzen verbraucht.

Der besonders zur Biodiesel-Produktion angebaute Raps und die Ölpalmen führten durch den “hohen Einsatz von Pestiziden” und der benötigten Anbaufläche zu einer zusätzlichen Belastung. “Beide Feldfrüchte werden mit toxikologisch problematisch einzuschätzenden Pestiziden geschützt”, so die Studie. Durch den Anbau in anderen Teilen der Welt würden die negativen Auswirkungen jedoch dorthin ausgelagert. Das für Ölpalmen hauptsächlich eingesetzte Pestizid Paraquat beispielsweise sei in der EU verboten.

Ein Ausstieg aus den Agrokraftstoffen könnte der Untersuchung zufolge Deutschland dabei helfen, internationale Verträge einzuhalten: etwa das Kunming-Montréal-Abkommen, mit dessen Unterzeichnung sich Deutschland verpflichtet hat, die Risiken durch Pestizide bis zum Jahr 2030 um die Hälfte zu reduzieren. Das Pestizid-Budget könne um 18 Prozent reduziert werden, wenn keine Pflanzen mehr für die in Deutschland angerechneten Agrokraftstoffe angebaut würden und “somit erheblich zur Erreichung der Ziele von Montreal beitragen”.

Energetische Nullrechnung

Im Jahr 2022 hätte die Erzeugung von Biokraftstoffen für Deutschland rund 61 Petajoule benötigt. Das entspreche dem Verbrauch einer deutschen Großstadt mit 470.000 Einwohnern beziehungsweise der Energieproduktion von 2500 Windenergieanlagen.

Für die Erzeugung einiger der Kraftstoffe werde mehr fossile Energie verbraucht, als durch ihre Verbrennung wieder entsteht: Für ein Megajoule Agroethanol auf Basis von Getreide benötige die Produktion 1,1 Megajoule fossile Ressourcen – für ein Megajoule Biodiesel auf Basis von Palmöl hingegen nur 0,45 Megajoule.

Die Studie weist darauf hin, dass auch bei der Erzeugung von Agrokraftstoff teils Energie aus regenerativen Quellen genutzt wird und für diese Fälle kein Verbrauch fossiler Energieträger anzurechnen sei. Allerdings gehen die Autorinnen und Autoren davon aus, dass diese Energie für andere Zwecke hätte genutzt werden können. “Daher wird es als korrekt angesehen, den Primärenergieverbrauch entlang der Produktionspfade als vollständig fossil anzunehmen”, heißt es dazu.

Böden

Die für den Anbau der Pflanzen belegte Fläche, die die Studie auf 968.000 Hektar beziffert, stehe in den meisten Fällen nicht mehr für die Lebensmittelproduktion zur Verfügung. “Diese […] Kraftstoffe stehen in direkter Nutzungskonkurrenz zur Produktion von Lebensmitteln und können zu direkten (und indirekten) Landnutzungsänderungen führen”, heißt es.

Große Teile der Fläche würden von Getreide, Raps und Soja sowie Ölpalmen belegt. Allerdings befänden sich nur 11 Prozent der genutzten Böden in Deutschland: 46 Prozent liegen in anderen EU-Mitgliedsstaaten, 10 Prozent in Europa außerhalb der EU, 13 Prozent in Süd- und Mittelamerika, 10 Prozent in Australien und 9 Prozent in Asien.

Verlust von Biodiversität

Auch auf die Artenvielfalt habe der Anbau von Biokraftstoff negative Auswirkungen. Wie groß diese ausfallen, sei stark von Anbauland und Pflanzenart abhängig. Die Studie stellt fest: “[…] der Konsum von Agrokraftstoffen in Deutschland geht nicht nur mit einer hohen Flächenbelegung in Deutschland und zahlreichen anderen Ländern einher, sondern führt zu globalen Artenverlusten aufgrund des Energiepflanzenbaus in mehreren Ländern.”

Die größten Artenverluste verursache der Rapsanbau in Chile. Allerdings spiele dieser kaum eine Rolle für den deutschen Kraftstoffmarkt. Relevanter für den deutschen Markt ist hingegen der Ölpalmenanbau. Unter den in Deutschland konsumierten Biokraftstoffen wirkt sich der Anbau von Ölpalmen für Biodiesel mit Abstand am stärksten auf die Biodiversität aus. Vom Artenverlust seien vor allem Indonesien, Peru (durch Zuckerrohranbau), Osteuropa (durch Getreideanbau), Brasilien (durch Sojaanbau) sowie Australien (durch Rapsanbau) betroffen.

Ob Deutschland oder die EU angesichts der Umweltauswirkungen auf den Einsatz von Agrokraftstoffen verzichten sollten, wird seit langer Zeit diskutiert. Eigentlich hatte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bereits im Mai 2022 einen stufenweisen Ausstieg aus den Agrokraftstoffen angekündigt. Bis 2030 sollten demnach keine Biokraftstoffe mehr eingesetzt werden. Nun teilte das Bundesumweltministerium auf Anfrage von Posteo mit, dass der entsprechende Gesetzesentwurf seit Anfang 2023 zur Beratung bei den beteiligten Bundesministerien liege. “Bislang hat sich innerhalb der Bundesregierung keine Mehrheit für den Gesetzesentwurf gefunden”, sagte ein Sprecher. (hcz)