Ungarn hebt Sondervollmachten auf
Die ungarische Regierung hat die Aufhebung der umstrittenen Sondervollmachten eingeleitet, die sie während der Corona-Pandemie erlassen hatte. Einen diesbezüglichen Gesetzesvorschlag reichte der stellvertretende Ministerpräsident Zsolt Semjen am Dienstag kurz vor Mitternacht im Parlament ein.
Nach Behandlung der Vorlage im Parlament und ihrer Billigung würden Gefahrennotstand und Sondervollmachten voraussichtlich am 20. Juni enden, schrieb Justizministerin Judit Varga auf ihrer Facebook-Seite.
Machtgewinn ohne Ablaufdatum
Der rechts-nationale Ministerpräsident Viktor Orban hatte sich Ende März vom Parlament mit umfassenden Vollmachten ausstatten lassen, um die Corona-Pandemie bekämpfen zu können. So konnte Orban am Parlament vorbei auf dem Verordnungsweg regieren. Der Schritt war international und von der heimischen Opposition heftig kritisiert worden, weil das zugrunde liegende Gesetz keine zeitliche Befristung vorsah.
Nach den neu verordneten Gesetzen konnten Journalisten ins Gefängnis gesperrt werden, wenn sie mit Nachrichten Menschengruppen “beunruhigten”. Das galt auch für die Wiedergabe von wahren Tatsachen. Hinzu kommt, dass ein Großteil der ungarischen Medien ohnehin nur noch regierungsfreundlich berichtet. Die Justiz gilt als beschädigt und die Wissenschafts- und Lehrfreiheit als eingeschränkt.
Regieren ohne Kontrolle
Kritiker hatten moniert, dass es allein im Ermessen Orbans liege, den Zustand zu beenden, der ihm das Regieren auf dem Verordnungsweg ermöglicht. Der machtbewusste Regierungschef hat seit Ende März weit mehr als 100 Dekrete erlassen, die unter anderem den Datenschutz, die Rechte von Arbeitnehmern und die Informationspflichten von Ämtern und Behörden einschränken.
Die Anzahl der Neuansteckungen mit dem Coronavirus ging in Ungarn zuletzt deutlich zurück. Bis zum Mittwoch waren 3793 Menschen nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert, das die Lungenkrankheit Covid-19 auslösen kann. Bislang wurden 505 Tote gemeldet.
Repression auch in anderen Staaten
Ungarns Regierungschef ist nicht der einzige Autokrat, der die Corona-Pandemie ausnutzt, um seine Macht auszubauen: Auch Russland und China haben beispielsweise die Chance genutzt, um die Überwachung im Land auszubauen und die Rechte politischer Gegner einzuschränken.
China hatte beispielsweise eine Corona-App entwickelt, die Bürger quasi zwangsweise installieren mussten. Sie bringt weitreichende Überwachung mit sich und kann dazu eingesetzt werden, die Bewegungsfreiheit ganzer Bevölkerungsgruppen einzuschränken.
Russland nutzte Überwachungskameras und die Standortermittlung über Smartphones, um Menschen in Corona-Quarantäne in jedem Moment zu überwachen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf Russland und China vor, digitale Überwachungsinstrumente wegen Covid-19 ungerechtfertigt stark einzusetzen.
Der russiche Präsident Vladimir Putin hatte Anfang April ein Gesetz verabschiedet, das der Regierung weitreichende Sondervollmachten überträgt, sollte sich die Epidemie oder eine ähnliche Bedrohung ausweiten. Von Behörden als “Fake News” eingestufte Nachrichten ziehen harte Strafen nach sich. (dpa / hcz)