US-Behörden verlangen immer öfter Standortdaten von Google
Google hat erstmals bekannt gegeben, wie oft US-amerikanische Strafverfolgungsbehörden per richterlichem Beschluss die Herausgabe von Standortdaten gefordert haben. Demnach ist die Zahl der Gerichtsbeschlüsse in den vergangenen drei Jahren stetig gestiegen.
Google hat im Jahr 2020 insgesamt 11.554 sogenannte “Geofence Warrants” erhalten. Im Jahr 2019 waren es noch 8396, im Jahr 2018 nur 982. Der Großteil dieser Beschlüsse wurde dabei von lokalen Strafverfolgern oder Behörden auf Ebene des jeweiligen Bundesstaates vorgelegt. Wie viele Menschen jeweils betroffen waren, geht aus den Zahlen nicht hervor.
Wenn die Behörden einen “Geofence Warrant” erwirken, verlangen sie von Google Informationen zu allen Geräten, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Umkreis aufgehalten haben – also etwa in der Nähe eines Tatorts. Wie die rechtswissenschaftliche Zeitschrift Harvard Law Review berichtet, liefert Google im ersten Schritt anonymisierte Daten. Nachdem die Behörden diese geprüft haben, verlangen sie gegebenenfalls weitere Informationen zu einzelnen Nutzerinnen und Nutzern wie Namen und E-Mail-Adressen, die mit einem Google-Konto verknüpft sind.
Standortdaten aus Google Maps
Standortdaten sammelt Google über Apps wie Google Maps und Google Fotos und speichert diese in einer Datenbank. Nach Angaben von Google fordern Strafverfolgungsbehörden bereits seit 2016 Standortdaten.
Die Daten hat Google nun nach Druck aus der Zivilgesellschaft veröffentlicht: Im Dezember hatten 60 Bürgerrechtsorganisationen Google aufgefordert, die Anzahl der “Geofence Warrants” offenzulegen. Denn diese Gerichtsbeschlüsse sind hochumstritten. Albert Fox Cahn, Geschfäftsführer des Surveillance Technology Oversight Projects (STOP), bezeichnete sie als “wachsende Bedrohung für unsere Privatsphäre” und sagte: “Eine einzige dieser Anordnungen kann jede Person bei einer Demonstration, in einer kirchlichen oder medizinischen Einrichtung erfassen.”
Bürgerrechtler sehen Verfassungsverstoß
Organisationen wie STOP und die Electronic Frontier Foundation (EFF) sehen in den Anordnungen einen Verstoß gegen den vierten Zusatzartikel der US-Verfassung, der Menschen vor staatlichen Übergriffen schützen soll. Durch diesen Zusatzartikel sei festgelegt, dass Durchsuchungsbeschlüsse immer für einen bestimmten Ort oder ein bestimmtes Gerät, beispielsweise ein Haus oder ein Mobiltelefon, ausgestellt werden müssen. Durch die “Geofence Warrants” würden jedoch auch Personen erfasst, die nicht im Zusammenhang mit einer Straftat stehen, kritisiert die EFF.
So gibt es wiederholt Berichte, dass Personen durch Standortabfragen fälschlicherweise ins Visier von Ermittlern geraten sind: Beispielsweise wurde 2019 ein unschuldiger Mann des Mordes verdächtigt und festgenommen, weil sich sein Telefon in der Nähe des Tatortes befunden hatte.
Im Jahr 2020 wurde eine weitere unschuldige Person eines Einbruchs verdächtigt. Der Betroffene war regelmäßig in der Nähe des Tatorts Fahrrad gefahren und hatte seine zurückgelegten Strecken mit einer App aufgezeichnet.
Kritik an Google
Die EFF bezeichnet Google als “Dreh- und Angelpunkt” in einem “verfassungswidrigen System”. Die Behörden würden sich an Google wenden, weil das Unternehmen mit seinen Produkten Daten von Millionen Nutzerinnen und Nutzern sammle. Auch das Harvard Law Review berichtet, Google erhalte mehr dieser Anordnungen als andere Unternehmen. Laut Google machen sie mehr als ein Viertel aller richterlichen Beschlüsse zur Datenherausgabe aus, die das Unternehmen in den USA erhält.
Die EFF fordert Google auf, den “Geofence Warrants” nicht einfach nachzukommen und sie gegebenenfalls gerichtlich anzufechten. Auch sollte Google die Öffentlichkeit darüber informieren, in wie vielen Fällen solche Schritte eingeleitet wurden.
Google gibt an, betroffene Nutzerinnen und Nutzer über die Offenlegung ihrer Daten zu informieren, sofern dies nicht explizit durch Gesetze oder den Gerichtsbeschluss verboten ist. Die EFF hingegen kritisiert, Google informiere Betroffene nicht in jedem Fall. Zudem fordert die Organisation, Nutzerinnen und Nutzer bereits zu benachrichtigen, wenn ihre anonymisierten Daten weitergegeben werden – und nicht erst, wenn ihr Name und ihre E-Mail-Adresse an die Behörden herausgegeben werden. Google solle generell weniger Daten sammeln und die eigene Datensammelpraxis besser erklären.
Organisationen wie STOP fordern darüber hinaus ein Verbot der “Geofencing Warrants”. In New York existiert bereits ein entsprechender Gesetzentwurf: Die Regelung würde es den Behörden auch verbieten, Standortdaten von Datenhändlern zu kaufen. (js)