US-Gericht: Handydurchsuchung an Grenze war verfassungswidrig

Emblem auf einer Grenzschutzuniform
Beobachter gehen davon aus, dass letztlich der Oberste Gerichtshof der USA über die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungen entscheiden muss. (Quelle: IMAGO / USA TODAY Network)

Ein US-Bundesbezirksgericht hat entschieden, dass US-Grenzbeamte eine richterliche Anordnung benötigen, bevor sie elektronische Geräte wie Mobiltelefone von Reisenden durchsuchen dürfen. Das Urteil gilt US-Medienberichten zufolge aber nur für den Eastern District des Bundesstaates New York – in dem beispielsweise der viel frequentierte John F. Kennedy International Airport (JFK) liegt.

Die US-Zoll- und Grenzschutzbehörde “Customs and Border Protection” (CBP) darf im Rahmen von Kontrollen an allen Landesgrenzen auch elektronische Geräte durchsuchen. Die Behörde selbst erklärt, alle Personen, Gepäckstücke und Waren, die in den USA ankommen oder sie verlassen, unterlägen ihrer Kontrolle – das schließe “alle elektronischen Geräte ein, die die Grenzen unseres Landes passieren”.

Angaben der Behörde zufolge wurden im vergangenen Jahr mehr als 41.700 Geräte von internationalen Reisenden durchsucht.

Das US-Bundesbezirksgericht für den Eastern District von New York entschied in der vergangenen Woche allerdings, dass Beamte eine richterliche Anordnung einholen müssen, bevor sie eine solche Durchsuchung vornehmen.

Bürgerrechtsexperten kritisieren Verfassungswidrigkeit

Das Knight First Amendment Institute an der Columbia University in New York City begrüßte das Urteil. Mitarbeitende des Instituts hatten in dem Verfahren als Sachverständige eine Stellungnahme abgegeben und darin kritisiert, dass die Durchsuchung von Mobiltelefonen an der Grenze ohne richterliche Anordnung gegen die US-Verfassung verstoße. Die zuständige Richterin habe sich auf diese Argumentation gestützt, erklärte das Institut.

Konkret hatte das Institut einen Verstoß gegen den im ersten Verfassungszusatz verankerten Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit kritisiert. Auch gegen den vierten Zusatzartikel der US-Verfassung verstoße die Praxis. Dieser soll Menschen vor staatlichen Übergriffen schützen und verlangt beispielsweise, dass Durchsuchungsbeschlüsse von Richtern ausgestellt und begründet werden und dabei nur für einen bestimmten Ort oder ein bestimmtes Gerät gelten.

Scott Wilkens, Senior Counsel am Knight Institute, sagte: “Das Gericht erkennt an, dass die Durchsuchung elektronischer Geräte ohne richterliche Anordnung an der Grenze ein ungerechtfertigtes Eindringen in private Äußerungen, persönliche Beziehungen und journalistische Aktivitäten von Reisenden darstellt – Aktivitäten, die durch den ersten und vierten Verfassungszusatz geschützt werden sollen.” Das Urteil stelle klar, dass Grenzbeamte erst eine richterliche Anordnung brauchen, bevor sie sich Zugang zu dem verschaffen, was der Oberste Gerichtshof als ein “Fenster zum Leben einer Person” bezeichnet habe.

Nachträglicher Beschluss

Hintergrund der Entscheidung ist ein Verfahren, in dem ein US-Bürger beantragt hatte, dass auf seinem Mobiltelefon gefundenes Material in einem Strafprozess gegen ihn nicht als Beweis zugelassen wird.

Er wurde demnach im März 2022 bei seiner Ankunft am JFK-Flughafen von Grenzbeamten festgehalten und aufgefordert, ihnen sein Mobiltelefon und den Zugangscode auszuhändigen. Ihm sei erklärt worden, er habe keine andere Wahl, weshalb er der Aufforderung nachgekommen war.

Die Beamten hatten das Telefon anschließend manuell durchsucht. Weil sie dabei Material von Kindesmissbrauch gefunden haben sollen, erwirkten sie knapp zwei Wochen später eine richterliche Anordnung für die Durchsuchung des Gerätes und eines weiteren Telefons, das die Person bei sich geführt hatte.

Der Betroffene wurde in der Folge angeklagt. Er hatte daraufhin vor Gericht beantragt, dass das bei der Handydurchsuchung gefundene Beweismaterial nicht zugelassen wird und auf den vierten Zusatzartikel der US-Verfassung verwiesen.

Das Gericht gab seinem Antrag teilweise statt und stellte fest, dass die Handydurchsuchung tatsächlich gegen den vierten Verfassungszusatz verstoßen habe. Die Richterin verwies in ihrer Entscheidung auch auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofs, der im Jahr 2014 entschieden hatte, dass die Polizei für die Durchsuchung des Telefons einer verhafteten verdächtigen Person einen Durchsuchungsbeschluss benötigt. Die Argumentation des Obersten Gerichts sei auch auf Durchsuchungen an den Landesgrenzen anwendbar.

Die Beweismittel dürfen in diesem Fall aber dennoch verwendet werden – das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Beamten zum Zeitpunkt der Durchsuchung in “gutem Glauben” (“in good faith”) gehandelt haben.

Wie unter anderem das US-Magazin TechCrunch berichtet, bezieht sich das aktuelle Urteil nur auf den Eastern District von New York. Dort liegen auch die Flughäfen von New York City, darunter JFK. Zudem ist noch eine Berufung gegen das Urteil möglich. Die US-Grenzbehörde prüfe die Entscheidung derzeit, sagte ein Sprecher gegenüber dem Magazin.

Keine einheitliche Rechtsprechung

In der Vergangenheit hatten sich bereits weitere US-Gerichte mit den Durchsuchungen von Handys und anderen elektronischen Geräten an US-Grenzen beschäftigt. So hatte beispielsweise ein Gericht im Jahr 2020 ebenfalls einen Verfassungsverstoß festgestellt. Ein Jahr später hatte ein Berufungsgericht in dem Fall jedoch entschieden, dass die US-Grenzbeamten elektronische Geräte durchsuchen dürfen.

Bürgerrechtsorganisationen wie die Electronic Frontier Foundation (EFF) kritisieren die Handydurchsuchungen seit langem. Generell setze die US-Verfassung enge Grenzen, in denen Behörden in das Privatleben von Personen eindringen dürfen – nur an der Grenze seien diese weniger stark ausgeprägt. Dabei könnten auf Mobiltelefonen und Laptops viele persönliche Daten gespeichert sein, die Aufschluss über politische und religiöse Ansichten, den Gesundheitszustand oder das Familien- und Liebesleben geben können.

Wilkens vom Knight Institute sagte gegenüber der Nachrichtenseite The Register, weil das Thema so wichtig sei und weil die Gerichte bisher zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien, bestehe eine gute Chance, dass die Problematik in Zukunft den Obersten Gerichtshof beschäftigen werde. (js)