USA: Unschuldige verklagt Detroit nach fehlerhafter Gesichtserkennung

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Gesichtserkennungsprogramme weisen eine besonders hohe Fehlerquelle bei Personen mit dunkler Hautfarbe oder asiatischer Abstammung auf. (Quelle: IMAGO / Panthermedia)

Eine schwarze US-Amerikanerin hat die Stadt Detroit und einen Polizeibeamten verklagt, weil sie für eine Straftat verhaftet wurde, die sie nicht begangen hatte. Die Polizei beschuldigte die Frau, nachdem eine Gesichtserkennungssoftware sie mit der Täterin verwechselt hatte.

Es handelt sich um den ersten bekannten Fall in den USA, in dem eine Frau fälschlicherweise eines Verbrechens beschuldigt wurde, weil automatische Gesichtserkennung sie falsch identifiziert hatte, wie unter anderem die New York Times (NYT) am Sonntag berichtete. In fünf weiteren publik gewordenen Fällen waren bislang immer schwarze Männer betroffen.

Die Polizei von Detroit hatte der Klägerin vorgeworfen, sich im Februar an einem Raubüberfall beteiligt und einen Mann ausgeraubt zu haben. Eine automatische Gesichtserkennungssoftware der Polizei hatte sie als mögliche Täterin identifiziert. Nachdem auch ein Zeuge angab, sie auf einem Foto erkannt zu haben, wurde Porcha Woodruff vor den Augen ihrer Kinder festgenommen. Woodruff habe die Verhaftung zu diesem Zeitpunkt noch für einen Streich gehalten, sagte sie der NYT.

Sie berichtete, elf Stunden lang von der Polizei festgehalten und verhört worden zu sein. Auch wurde sie vor Gericht wegen Raubes und Diebstahls angeklagt. Erst nach Zahlung einer Kaution von 100.000 US-Dollar kam die mehrfache Mutter frei. Einen Monat später wies der zuständige Staatsanwalt das Verfahren gegen sie ab, und das Verfahren wurde eingestellt.

Was deutliche Zweifel an der Schuld der Frau hätte aufkommen lassen können: Woodruff war zum Zeitpunkt der Tat und bei der Verhaftung im achten Monat schwanger. Das Überfallopfer hatte aber nicht von einer Schwangerschaft der Täterin berichtet.

Die mehrfache Mutter war durch Videoaufnahmen vom Tatort – einer Tankstelle – in Verdacht geraten. Kriminalanalytiker hatten das Filmmaterial von einem Gesichtserkennungsprogramm des Anbieters DataWorks Plus analysieren lassen: Das vermeintliche Trefferfoto von der Klägerin war allerdings bereits 8 Jahre alt. Dieses war auch dem Überfallopfer zur Identifizierung vorgelegt worden.

Technologie mit Mängeln

Woodruff wirft der Stadt nun unter anderem vor, sie fälschlicherweise inhaftiert und ihre Grundrechte verletzt zu haben. Auch wird der Polizei in der Klage Diskriminierung gegenüber Schwarzen vorgeworfen – weil sie “Gesichtserkennungstechnologien einsetze, die nachweislich schwarze Bürger häufiger falsch identifizierten als andere”.

Gesichtserkennungstechnologie sei seit langem für ihre inhärenten Mängel und Unzuverlässigkeit bekannt, insbesondere bei dem Versuch, schwarze Personen zu identifizieren, heißt es in der Klage. “Es sollte klar sein, dass die Gesichtserkennung allein nicht als zuverlässige Begründung für Festnahmen dienen kann.”

So sei beispielsweise ein weiterer Verdächtiger, der sich in Gewahrsam befand, nicht zu Woodruffs Beteiligung befragt worden. Auch sei sie zurück in die Zelle geschickt worden, obwohl ihre Unschuld bereits festgestanden hatte.

Mindestens zwei weitere schwarze Personen haben in Detroit bereits Klage wegen ähnlicher Fälle eingereicht.

Der Polizeichef von Detroit, James E. White, versprach gegenüber der NYT, die Angelegenheit ernst zu nehmen, wollte sich aber bislang nicht weiterführend äußern. Die zuständige Staatsanwältin hält die damalige Verhaftung Woodruffs weiterhin für angemessen “auf Grundlage der Fakten”.

Gesichtserkennung patzt bei Schwarzen

Der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware ist allgemein umstritten und gilt als unzuverlässig – die Wahrscheinlichkeit, dass Unschuldige in Verdacht geraten, gilt als hoch. Unter anderem hatte eine von der US-Regierung in Auftrag gegebene Studie der US-Standardisierungsbehörde National Institute of Standards and Technology Ende 2019 festgestellt, dass die Fehlerquote bei Menschen mit dunkler Hautfarbe 10- bis 100-mal höher liegt als bei weißen Menschen. Bei Frauen mit dunkler Hautfarbe kam es zu den meisten Fehlerkennungen. Häufig betroffen waren auch Indigene und Menschen asiatischer Abstammung.

Frühere Untersuchungen hatten ähnliches ergeben. In Folge dessen hatten US-Städte wie San Francisco und Somerville den Einsatz der Gesichtserkennung durch Beamte verboten.

Woodruff hat die Verhaftung während der Schwangerschaft nach eigenen Angaben zusätzlich belastet und Angstzustände, Depression und extremen Stress verursacht. Sie berichtete, sie habe während der mehrstündigen Haft mit Schwangerschaftsbeschwerden zu kämpfen gehabt. “Ich hatte Wehen in der Arrestzelle. Mein Rücken verursachte mir starke Schmerzen. Ich hatte Krämpfe. Ich glaube, ich hatte wahrscheinlich eine Panikattacke”, erzählte Woodruff gegenüber der NYT. Nach der Freilassung habe sie sich direkt in ein Krankenhaus begeben. Dort hätten sie die Ärzte wegen Dehydrierung behandeln müssen. (hcz)