Österreich: Regulierungsbehörde verbietet IP-Netzsperren

Stoppzeichen
Sinnvoll oder nicht – die österreichischen Provider mussten bislang IP-Sperren umsetzen. (Quelle: IMAGO / Shotshop)

Den Zugriff auf Webseiten mithilfe von IP-Sperren zu verhindern, ist nach einer Grundsatzentscheidung in Österreich rechtswidrig. Das hat die österreichische Regulierungsbehörde Telekom-Control-Kommission (TKK) am Donnerstag entschieden. Netzsperren auf Basis von DNS-Sperren würden demnach ausreichen, um die Rechte Dritter wie Urheberrechte zu wahren.

IP-Sperren würden hingegen die Netzneutralität gefährden, erklärte die Behörde.

“Da unter einer einzigen IP-Adresse unzählige Webseiten abrufbar sein können, ist im Falle einer Sperre das Risiko, auch Websites oder Internetdienste unbeteiligter Dritter mitzusperren, ganz besonders hoch”, warnte Klaus Steinmaurer, Geschäftsführer der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR). Die TKK sieht in ihrer Entscheidung einen wichtigen Grundsatz für den Schutz der digitalen Rechte der Internetnutzer in Österreich. Sie stelle damit sicher, “dass das Internet auch weiterhin seine Rolle als Katalysator für Meinungsfreiheit, Wachstum und Innovation wahrnehmen kann”.

Die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works kommentierte auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter), die Behörde habe sich auf die Seite der Netzneutralität gestellt. Im Zusammenhang mit IP-Sperren sprach die Organisation von “Overblocking”, da auch legale Inhalte “zensiert” würden.

Provider fordern Klarheit

Auch der Verband der österreichischen Internetprovider <a href=“https://www.ispa.at/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailansicht/presseansicht/detail/2023-08-10/netzsperren-regulierungsbehoerde-bestaetigt-unverhaeltnismaessigkeit-und-rechtswidrigkeit”_blank">ISPA begrüßte die Entscheidung. Diese hatten die angeordneten Sperren bislang umsetzen müssen. “Die Rechteinhaber:innen betonen immer den Schutz von geistigem Eigentum. Das ist grundsätzlich richtig und wichtig. Aber was ist mit dem Eigentum an den zu Unrecht gesperrten Websites? Es müssen die Rechte aller geschützt werden, nicht nur die einer einzelnen Gruppe”, beklagte ISPA-Generalsekretär Stefan Ebenberger.

Er forderte den Gesetzgeber auf, für Rechtssicherheit bei Netzsperren zu sorgen, statt die Verantwortung auf Internetanbieter abzuwälzen. Die ISPA regt an, Netzsperren künftig vorab von einer Behörde auf Rechtsmäßigkeit prüfen zu lassen. So einen Prozess gebe es bereits, wenn fingierte Onlineshops gesperrt werden sollen. “Denn derzeit stehen die Internetanbieter vor der Wahl, ob sie sperren und ein Behördenverfahren riskieren, oder sich von den Rechteinhabern [ver]klagen lassen”, so Edenberger.

Bemerkenswert an der jetzigen Entscheidung sei auch, dass im Rahmen eines Gutachtens bestätigt worden sei, was die Internetanbieter seit Jahren sagen: Dass es technisch unmöglich ist, bei einer IP-Adresse im Vorhinein zu erkennen, welche anderen, legalen Websites diese ebenfalls nutzen. ISPA-Präsident Harald Kapper sagte dazu: “Endlich wurde berücksichtigt, was der Gesetzgeber ignorierte, nämlich die technischen Realitäten. Das ist wichtig, weil genau hier eine weitere Gefahr schlummert: IP-Sperren bergen immer das Risiko auch legale Inhalte oder Dienste zu sperren und bedrohen damit die Meinungs- und Informationsfreiheit aller Bürger:innen.”

IP-Sperre verursachte Internet-Shutdown

Hintergrund der jetzigen Entscheidung waren IP-Sperren im im Jahr 2022, die wegen Urheberrechtsverstößen bei einem Musikportal verhängt worden waren. Die damals betroffenen IP-Adressen gehörten zum DNS-Dienstleister Cloudflare, der viele Internetseiten seiner Kunden unter diesen Adressen gebündelt hatte. Deshalb wurden auch zahlreiche unbeteiligte Internetseiten in Mitleidenschaft gezogen – und waren im Zuge der Sperre nicht mehr erreichbar.

Umgesetzt wurde die Blockade durch Internetprovider wie Magenta oder A1. Sie waren aufgrund der richterlichen Anordnung gesetzlich zur Sperrung verpflichtet und hatten keine Möglichkeit zum Widerspruch. Die Organisation epicenter.works hatte damals kritisiert, dass “hunderte bis tausende [legale] Internetangebote von Websites, über Apps bis hin zu ‘Machine-to-machine’-Anwendungen” betroffen waren.

Die Kollateralschäden hätten damals verhindert werden können, wenn statt der IP-Adressen direkt die Domains der illegalen Seiten gesperrt worden wären. Doch auch Domainsperren stehen in der Kritik, weil keine gerichtliche Prüfung stattfindet. Zudem können sowohl IP- als auch DNS-Sperren mithilfe von VPN-Diensten umgangen werden. (hcz)