Verbraucherschutzzentrale kritisiert Bahn wegen Digitalzwang
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und Mitgliedsverbände haben an die Deutsche Bahn appelliert, beim Fahrkartenkauf keine Menschen im Zuge der Digitalisierung auszuschließen. Ein am Montag veröffentlichtes Positionspapier mit Lösungsvorschlägen richtet sich auch an die Bundesregierung und öffentliche Verkehrsunternehmen.
Die Verbände, zu denen Senioren-, Jugend-, Digital- und Fahrgastverbände sowie der Auto Club Europa zählen, kritisieren darin unter anderem, dass die Deutsche Bahn und andere Verkehrsunternehmen beim Verkauf von Tickets und anderen Produkten wie der BahnCard zunehmend Kundenkontaktdaten wie E-Mail-Adressen oder Mobilfunknummern einfordern. Insbesondere preisreduzierte Fahrkarten würden immer öfter an die Herausgabe von Daten geknüpft – und nicht oder nur stark eingeschränkt an Automaten oder Schaltern verkauft.
Dadurch würden vulnerable Gruppen ausgeschlossen, warnen die Verbände. Dazu zählen die Verfasser ältere Menschen und Personen, die aus finanziellen, sozialen, gesundheitlichen, behinderungsbedingten oder persönlichen Gründen keinen Internetzugang haben oder diesen nicht nutzen möchten. Dem Statistischen Bundesamt zufolge nutzen rund fünf Prozent der Menschen in Deutschland im Alter zwischen 16 und 74 Jahren kein Internet; bei den Menschen über 80 Jahren sei nur ein Drittel online.
“Digitalisierung soll Mobilität einfacher und besser machen und keine neuen Barrieren schaffen. Die Digitalisierung im Ticketvertrieb darf nicht zum Ausschluss einzelner Gruppen vom Bus- und Bahnfahren führen”, sagte vzbv-Vorständin Ramona Pop. Politik und Verkehrsunternehmen müssten gemeinsam mit Verbraucherverbänden eine Digitalisierungsstrategie entwickeln, die alle mitnimmt.
Laut Positionspapier macht nur eine datenschutzkonforme Digitalisierung, die inklusiv ist und auch Offliner mitnimmt, die Mobilität einfacher, komfortabler und sichert die Teilhabe für alle. Die Organisationen fordern die Bundesregierung und den Vorstand der Deutschen Bahn auf, Angebote für alle Bevölkerungsgruppen zu schaffen und niemanden von Tickets und anderen Produkten wie der BahnCard auszuschließen.
“Busse und Bahnen tragen dazu bei, dass Menschen ohne Auto am gesellschaftlichen Leben teilhaben und wichtige Orte erreichen können”, heißt es in dem Positionspapier. Gleichzeitig werde durch die gemeinschaftliche Nutzung von Verkehrsmitteln weniger CO2 ausgestoßen als im Individualverkehr.
Kunden stimmen für analoge Alternativen
Laut einer repräsentativen forsa-Umfrage im Auftrag des vzbv stimmten 96 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass auch Menschen ohne Internetzugang oder Smartphone Zugang zu allen Angeboten im öffentlichen Personenverkehr haben müssen. 54 Prozent hätten angegeben, es schlecht zu finden, dass die Deutsche Bahn einige Produkte nur noch digital vertreibt.
84 Prozent der Befragten sähen vor allem die Verkehrsunternehmen in der Verantwortung, sicherzustellen, dass auch Menschen ohne Smartphone und Internetanschluss Fahrkarten kaufen können. An zweiter Stelle sei die Politik gefordert (59 Prozent).
Die Verbraucherschützer weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sowohl die Deutsche Bahn als auch der öffentliche Nahverkehr größtenteils von allen Steuerzahlenden finanziert werden. “Deshalb steht die Deutsche Bahn in besonderer Verantwortung, Garant für Inklusion zu sein und Angebote für alle Bevölkerungsgruppen zu schaffen”, so die Verbände.
Nur noch digital
Seit dem 9. Juni gibt die Deutsche Bahn die BahnCard nicht mehr als Plastikkarte aus, sondern nur noch digital. Alternativ zur Speicherung in der App erhalten die Kundinnen und Kunden ein PDF-Dokument mit QR-Code zum Ausdrucken. Allerdings muss in allen Fällen ein Kundenkonto angelegt werden. Gleiches gilt für Probe BahnCards. Nur die BahnCard 100 wird es weiterhin in Kartenform geben.
Der Konzern begründete den Schritt mit Umweltschutz und der Vermeidung von Plastikmüll. Verbraucherschützer sind der Ansicht, dass dieses Argument vorgeschoben wird. Melanie Schliebener von der Schlichtungsstelle Nahverkehr sagte im März gegenüber tagesschau.de: “Es ist ja kein Naturgesetz, dass die BahnCard auf Plastik gedruckt werden muss.” Es gebe an anderen Stellen mehr Potenziale für Umweltschutz. “Die Bahn will mit der digitalen BahnCard einfach Kosten sparen”, Schliebener weiter.
Um Fahrkarten zum “Sparpreis” oder “Super Sparpreis” zu kaufen, müssen Bahnfahrende seit Oktober 2023 zwingend eine Mobilfunknummer oder E-Mail-Adresse angeben, auch wenn das Ticket am Schalter gelöst wird.
Weitere Forderungen
Um die Hürden bei den öffentlichen Verkehrsmitteln wieder zu senken, schlagen die Verbände weitere Maßnahmen vor: Aufsichtsbehörden sollten die digitalen Maßnahmen auf die Einhaltung von Datensparsamkeit und Barrierefreiheit überprüfen – und gegebenenfalls ablehnen. Öffentlich finanzierte Verkehrsunternehmen sollten bei der Entwicklung von Angeboten zu “privacy by default” und “privacy by design” verpflichtet werden.
Informationen, beispielsweise über Störungen oder Änderungen in der Wagenreihung, dürfen den Verbänden zufolge nicht nur in der App angezeigt werden, sondern müssen auch an Bahnsteigen und in Fahrzeugen angekündigt werden. Der Verkauf von Fahrkarten im Fahrzeug und via Telefon müsse als Alternative neu bewertet und gegebenenfalls wieder eingeführt werden.
Eine Anleitung für den Abruf der ausdruckbaren BahnCard findet sich hier bei der Bahn. Auch sollen die DB-Mitarbeitenden in den DB-Reisezentren und dem BahnCard Service bei dem Vorhaben helfen. (hcz)