Vor Bundestagsabstimmung: Experten zweifeln an Klimaschutzgesetz
Am Donnerstag stimmt der Bundestag über die Novelle des Klimaschutzgesetzes ab. In einer offiziellen Anhörung am Montag kritisierten Experten die Pläne harsch.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Verband kommunaler Unternehmen sehen die neu festgesetzten Klimaziele nicht mit konkreten Maßnahmen unterlegt. Es bleibe offen, wie diese erreicht werden sollten. Die Deutsche Umwelthilfe und die Rechtsanwaltskanzlei Günther zweifelten die Rechtmäßigkeit des neuen Gesetzes an und sehen es im Widerspruch zum im April gefällten Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Die Verfassungsfrage
Die Regierung steht momentan in der Pflicht, das Klimaschutzgesetz zu überarbeiten, weil das Bundesverfassungsgericht Ende April geurteilt hatte, dass die bis dahin beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen nicht ausreichen. Dem neuen Gesetzentwurf zufolge soll der Ausstoß an Treibhausgasen bis zum Jahr 2030 um 65 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 verringert werden – zuvor betrug das Reduktionsziel 55 Prozent. Bis 2040 sollen die Emissionen um 88 Prozent fallen, und im Jahr 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Der Umweltausschuss hatte am Dienstag seine Beschlussempfehlung zur Novelle abgegeben.
Die Deutsche Umwelthilfe hatte die Klagen vor dem Verfassungsgericht zusammen mit weiteren Organisationen initiiert und finanziert. Im neuen Entwurf sieht sie die vom Gericht formulierten Bedingungen nicht erfüllt. “Das was jetzt hier vorgelegt wurde, ist nicht verfassungskonform. Denn man kann sich das ausrechnen […]. Verfassungskonform wären 70 Prozent Minderungsziel in 2030”, kritisierte Barbara Metz, stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe.
Das Klimaschutzgesetz wird von einem sogenannten Sofortprogramm flankiert, das kurzfristigere Hilfe bei den Klimaproblemen bieten soll als das eher langfristig angelegte Klimaschutzgesetz. “Alle konkreten Maßnahmen, die unmittelbares politisches Handeln erfordern würden, wurden rausgestrichen aus dem Programm”, stellte Metz in der Anhörung fest. Um CO2-Emissionen zu reduzieren, müssten Maßnahmen wie ein Tempolimit und energieeffiziente Sanierungen an öffentlichen Gebäuden “unausweichlich und sofort” umgesetzt werden. Allein dadurch könnten bis zum Jahr 2034 100 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.
Weder gerecht noch schnell
Roda Verheyen von der Rechtsanwaltskanzlei Günther zweifelte ebenfalls die Rechtmäßigkeit des novellierten Gesetzes an – die Kanzlei hatte einige Beschwerdeführer vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten. Sie könne nicht verstehen, wie die Beurteilung der Regierung zustande kam, wonach der neue Gesetzentwurf der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts “nicht nur im Tenor, sonder auch im Geist” entspräche.
“Das Bundesverfassungsgericht hatte geurteilt, das es ein Recht auf eine schnelle, planbare und gerechte Transformation [der Gesellschaft] gibt.” erinnerte Verheyen. Keine dieser Bedingungen würden von dem Entwurf erfüllt: Unternehmen hätten keine Planungssicherheit und die Transformation werde nicht schnell verlaufen.
Gerecht sei das Gesetz ebenfalls nicht, da das verbleibende CO2-Budget auch nach dem neuen Plan bereits zum Jahr 2030 zu 91 Prozent ausgeschöpft sein wird und sich jüngere Generationen entsprechend stärker einschränken müssen als ältere.
“Wir haben hier eine ganz moderate Anpassung”, beurteilte Verheyen die von der Regierung festgelegten Neuerungen. Der CO2-Preis sei so niedrig angesetzt, “dass wir keinerlei Wirkungen bei Investitionen des Bundes sehen werden”.
“Aufgabe der nächsten Regierung”
Vertreter des Verbands kommunaler Unternehmen und des Bundesverbands der Deutschen Industrie sowie der Gewerkschaften forderten konkreter formulierte Maßnahmen, um die neuen Ziele zu erreichen. Sie wünschten sich ökonomische und soziale Planbarkeit und Ausgleichsmechanismen für Arbeitnehmer, Arbeitgeber sowie Bürgerinnen und Bürger.
Außerhalb der Anhörung äußerte sich die Umweltschutzorganisation BUND zu den Gesetzesplänen. Zusammen mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband verwies sie in einer Stellungnahme auf den fehlenden sozialen Ausgleich. Zudem sei das Gesetz “klimapolitisch unambitioniert”. “Es fehlt an Maßnahmen, die die neuen Klimaschutzziele erreichbar machen. Diese Bundesregierung überlässt diese Aufgabe der nächsten. […] Gleichzeitig zerredet Unions-Kanzlerkandidat Laschet wichtige Klimaschutz-Maßnahmen wie einen höheren CO2-Preis”, kommentierte Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender. (hcz)