Walisische Polizei soll Gesichtserkennung per App nutzen

Gesichtserkennungs-Van der Polizei
Die britischen Polizeibehörden speichern weiterhin Fotos von Personen, die sie hätten löschen müssen. (Quelle: IMAGO / Pond5 Images)

Polizeibehörden in Wales sollen künftig eine Smartphone-App zur Gesichtserkennung verwenden. Bürger- und Menschenrechtler warnen vor massiven Eingriffen in die Privatsphäre. Kritik gibt es auch, weil die Polizei in Großbritannien weiterhin Fotos speichert, die nach einem Urteil schon längst hätten gelöscht werden müssen.

Die Polizeibehörden von Gwent und Südwales werden künftig die App “Operator Initiated Facial Recognition” (OIFR) einsetzen. Sie sei bereits von 70 Beamtinnen und Beamte getestet worden und werde nun für den alltäglichen Einsatz eingeführt, teilte die Polizei Ende vergangener Woche mit.

Die Polizisten nutzen die App demnach auf ihren Dienst-Smartphones. Personen können beispielsweise mit dem Handy fotografiert werden, es sollen aber auch Bilder aus Überwachungskameras eingespeist werden können, berichtet die BBC. Die Software führt dann einen biometrischen Abgleich mit in Polizeidatenbanken gespeicherten Fotos durch. So soll beispielsweise im Rahmen von Fahndungen die Identität von Personen festgestellt werden. Aber auch bewusstlos oder tot aufgefundene Personen sollen so identifiziert werden.

Nach Angaben der Polizei werden die mit der App aufgenommenen Fotos und die zugehörigen biometrischen Daten nach dem Abgleich nicht gespeichert.

Kritiker warnen vor Eingriff in Grundrechte

Kritik kommt unter anderem von der britischen Menschenrechtsorganisation Liberty. Charlie Whelton von der Organisation sagte der BBC, die Technologie greife tief in das Recht auf Privatsphäre ein und verstoße gegen Datenschutzgesetze.

Jake Hurfurt von der Bürgerrechtsorganisation Big Brother Watch warnte, durch die App werde ein “gefährliches Ungleichgewicht” zwischen den Rechten Einzelner und den Befugnissen der Polizei geschaffen.

Er kritisierte außerdem: “Diese Orwellsche Technologie kommt der Einführung von Personalausweisen durch die Hintertür bedrohlich nahe.” Sogenannte ID-Cards wurden in Großbritannien zwar im Jahr 2009 eingeführt, aber bereits im Jahr 2011 wieder abgeschafft.

Hurfurt erklärte: “In Großbritannien muss sich niemand ohne triftigen Grund gegenüber der Polizei ausweisen. Diese unregulierte Überwachungstechnologie droht, uns dieses Grundrecht zu nehmen.” Die Regierung müsse den Einsatz von Gesichtserkennung regulieren, um die Rechte der Bevölkerung zu schützen, und sollte die Polizei am Einsatz “mobiler Gesichts-Scanner” hindern.

Hurfurt mahnte außerdem: “Die Polizei von Südwales wird bei jedem Gesichtsscan Tausende von unrechtmäßig gespeicherten Fotos durchsuchen”.

Polizei speichert Fotos jahrelang unrechtmäßig

Der britische “Biometrics and Surveillance Camera Commissioner” hatte in seinem Anfang Dezember veröffentlichten Jahresbericht geschrieben, es sei “besorgniserregend”, dass die Polizei weiterhin Fotos von Personen speichere, die zwar festgenommen aber nie angeklagt wurden. Diese erkennungsdienstlichen Fotos würden von jeder festgenommenen Person angefertigt. Auch wenn Betroffene nicht verurteilt werden, könnten ihre Fotos auch für den Abgleich mit Gesichtserkennung verwendet werden.

Die Zeitung The Guardian erklärte, der britische High Court habe es bereits im Jahr 2012 für rechtswidrig erklärt, Bilder von Personen zu speichern, gegen die kein Verfahren eingeleitet wurde oder die freigesprochen wurden. Trotz dieses Urteils behält die Polizei aber weiterhin solche Fotos in ihrer nationalen Datenbank, auf die sämtliche britische Polizeibehörden zugreifen können.

Laut dem Bericht sprach die britische Regierung im Jahr 2017 von mehr als 19 Millionen Fotos in der Datenbank. Mehr als 16 Millionen davon könnten mit Gesichtserkennung durchsucht werden.

Charlie Whelton von Liberty sagte dem Guardian, es sei äußert besorgniserregend, dass die Polizei sensible biometrische Daten von Menschen speichere, die niemals angeklagt wurden – und diese sogar für Gesichtserkennung verwende. Die Polizei müsse erklären, warum sie die Daten auch mehr als 10 Jahre nach dem Urteil des High Courts weiterhin vorhalte.

Ein Sprecher des britischen Innenministeriums sagte dem Guardian, die Polizei lege die Regeln für die Speicherung der Bilder fest. Nicht verurteilte Personen könnten einen Antrag stellen, damit ihre Fotos gelöscht werden.

Jake Hurfurt von Big Brother Watch kritisierte gegenüber dem Guardian, weder die Polizei noch das Innenministerium wüssten, wie viele Fotos sie unrechtmäßig speichern. Dabei habe die schottische Polizei gezeigt, dass es möglich ist, Fotos zu löschen – andere Behörden müssten diesem Beispiel folgen.

Der Guardian berichtet, die schottische Polizei lade von Festgenommenen nur in die nationale Polizeidatenbank hoch, wenn Betroffene auch wegen einer Straftat angeklagt wurden. Außerdem würden Fotos gelöscht, wenn Personen nicht verurteilt werden.

Millioneninvestitionen in Gesichtserkennung

Die damalige britische Regierung hatte bereits Anfang des Jahres Millioneninvestitionen in Gesichtserkennungstechnik für die Polizei angekündigt. Auch der im Juli gewählte Premierminister Keir Starmer hat sich für den Einsatz von Gesichtserkennungstechnik ausgesprochen. Aktuell möchte die Regierung laut einer im November veröffentlichten Ausschreibung über 20 Millionen britische Pfund neu in Echtzeit-Gesichtserkennungssysteme investieren.

Mehrere Polizeieinheiten in Großbritannien setzen sogenannte Live-Gesichtserkennung bereits ein – teils seit Jahren. Wegen einer Falschidentifikation durch die Londoner Polizei hat ein Betroffener im Mai Klage gegen die Behörde eingereicht.

Ein Berufungsgericht hatte den Einsatz von Gesichtserkennung durch die Polizei von Südwales schon im Jahr 2020 für unrechtmäßig befunden, weil das Recht auf Privatsphäre des Klägers verletzt wurde. Dieser war unter anderem bei einer Demonstration von der Technik erfasst worden. Bürgerrechtler hatten daraufhin gefordert, die Polizei solle auf den Einsatz verzichten – diese hatte jedoch angegeben, sie könne ihre Tests mit einigen Änderungen fortführen.

Wissenschaftler der Universität Cambridge hatten im Jahr 2022 zudem die Tests der “Operator Initiated Facial Recognition” in Südwales kritisiert, unter anderem weil Bilder mit den unrechtmäßig gespeicherten Fotos abgeglichen wurden. Die Wissenschaftler hatten ein Verbot polizeilicher Gesichtserkennung gefordert. (js)