Zeiterfassung: Arbeitnehmer müssen Fingerabdruck nicht abgeben
Eine radiologische Praxis in Berlin hatte ein Zeiterfassungssystem mit Fingerabdruck-Scanner eingeführt. Doch ein Mitarbeiter hatte sich geweigert, das System zu nutzen. Das muss er auch nicht, hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden. Denn die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erlaubt es nur ausnahmsweise, biometrische Daten zu verarbeiten. Das Arbeitsgericht Berlin hatte so bereits im Oktober 2019 entschieden. Das Landesarbeitsgericht bestätigte dies in seinem Anfang Juni ergangenen Urteil, wie das Gericht nun bekanntgab.
In der Praxis hatten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten ursprünglich handschriftlich erfasst. Doch im August 2018 wurde ein neues System mit Fingerabdruck-Scanner eingeführt. Die Mitarbeiter wurden darüber informiert, dass das System keine kompletten Fingerabdrücke speichere, sondern nur die sogenannten Minuzien. Das sind die eindeutigen Merkmale eines Fingerabdrucks, wie Endpunkte und Verzweigungen. Der in der Praxis als medizinisch-technischer Radiologie-Assistent beschäftige Mitarbeiter trug seine Arbeitszeiten jedoch weiter schriftlich ein und erhielt dafür in der Folge zwei Abmahnungen. Gegen diese klagte der Radiologie-Assistent.
Die Praxis gehört zu einem Konzern, der deutschlandweit Praxen betreibt. Der Fingerabdrucksensor wurde bundesweit in den Niederlassungen des Unternehmens eingeführt. Die Erfahrungen an verschiedenen Standorten hätten gezeigt, dass sich eine Arbeitszeiterfassung per handschriftlichem Eintrag, Kennnummer oder Chipkarte einfach manipulieren ließe, so die Argumentation vor Gericht. Allerdings wurden dem Radiologie-Assistenten keine Falschangaben vorgeworfen.
DSGVO regelt Verarbeitung biometrischer Daten
Bei Minuzien handle es sich um biometrische Daten, so das Gericht. Diese dürfen nach der DSGVO nicht zur Identifizierung von Personen verarbeitet werden. Die DSGVO sieht zwar Ausnahmen vor: Etwa wenn Betroffene zustimmen oder wenn die Verarbeitung erforderlich ist. Eine Zustimmung lag in diesem Fall jedoch nicht vor und für die Zeiterfassung seien die biometrischen Daten nicht erforderlich, heißt es im Urteil. “So könnten biometrische Daten zwar zur Kontrolle beim Eintritt in Sicherheitsbereiche, nicht jedoch im Rahmen der Arbeitszeiterfassung verwendet werden”, hatte bereits das Arbeitsgericht Berlin entschieden.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Mai 2019 geurteilt, dass Arbeitgeber Systeme zur Zeiterfassung einrichten müssen. Es sei aber nicht ersichtlich, dass ein solches System “der Verarbeitung biometrischer Daten des Klägers oder anderer Mitarbeitender bedarf”, so das Landesarbeitsgericht.
Zudem habe das Unternehmen angegeben, dass das eingesetzte System neben einem Fingerabdrucksensor über ein Kartenlesegerät verfügt. Somit ließe sich das vorhandene System von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vollständig nutzen, ohne biometrische Daten zu verarbeiten.
Das Unternehmen hatte in Bezug auf Chipkarten gesagt, dass Mitarbeiter diese verlieren oder vergessen können. Dann sei eine fehlerfreie Zeiterfassung nicht möglich. Dieses Risiko ließe sich aber “erheblich” minimieren, indem man beispielsweise Transponder nutze, die sich am Schlüsselbund befestigen lassen, entgegneten die Richter.
Es sei aber richtig, dass bei einem solchen System Kollegen einen Mitarbeiter mit dessen Karte anmelden könnten. Weshalb das aber nicht auffallen solle, bliebe unklar. Schließlich seien “die übrigen Beschäftigten vor Ort”, die merken würden, wenn ein Mitarbeiter nicht zum Dienst erscheint.
Der Arbeitnehmer muss das Zeiterfassungssystem mit Fingerabdruck-Scanner daher nicht nutzen. Die Abmahnungen müssen aus seiner Personalakte entfernt werden. Eine Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen. (js)