Zivilgesellschaftliche Organisationen kritisieren Sicherheitspaket der Bundesregierung
In einem offenen Brief haben sich zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen gegen das geplante Sicherheitspaket der Bundesregierung ausgesprochen. Der Brief richtet sich an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und kritisiert sowohl die Ausweitung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden im digitalen Bereich als auch die Verschärfungen im Asylrecht.
Zu den Unterzeichnern des Briefes zählen unter anderem Amnesty International, der Chaos Computer Club und Wikimedia Deutschland. Unter dem Titel “Haltung zeigen – Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit verteidigen, biometrische Gesichtserkennung stoppen!” fordern sie die Abgeordneten auf, die geplanten Maßnahmen zu überdenken und sich gegen jede Form der biometrischen Fernidentifizierung in Deutschland einzusetzen.
Sie argumentieren, dass die vorgeschlagenen Gesetze in keinem angemessenen Verhältnis zu dem vermuteten Sicherheitsgewinn stehen und die Sicherheitsbehörden mit zusätzlichen Aufgaben belasten würden, die sie von ihren eigentlichen Tätigkeiten abhalten. In einigen Bereichen besäßen die Regelungen reinen Symbolcharakter.
“Trotz schwerwiegender offener Fragen bezüglich der Effektivität der vorgeschlagenen Maßnahmen und ihrer Konformität mit EU-Recht und dem Grundgesetz soll dieses Paket in Rekordzeit verabschiedet und umgesetzt werden”, heißt es in dem Brief. Die Abgeordneten sollen sich dem “kopflosen Aktionismus” entgegenstellen und für Grund- und Menschenrechte sowie die Rechtsstaatlichkeit eintreten.
Biometrische Massenüberwachung
Anfang September hatte das Bundeskabinett Gesetzentwürfe zur Umsetzung des Sicherheitspakets beschlossen. Besonders kritisch sehen die Organisationen die geplante Einführung massenhafter biometrischer Überwachung. Die Gesetze würden dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlauben, künftig biometrische Daten zu nutzen, um die Identität von Schutzsuchenden festzustellen. Ein Anfangsverdacht für eine Straftat muss demnach nicht vorliegen.
Dem Bundeskriminalamt und der Bundespolizei wäre es gestattet, biometrische Abgleiche zur Gesichtserkennung durchzuführen, um die Identität von Tatverdächtigen festzustellen. Die Behörden dürften die biometrischen Daten der Personen mit öffentlich zugänglichen Fotos, Videos oder Tonaufnahmen aus dem Internet abgleichen. Auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz wäre den Behörden erlaubt.
Für diese Maßnahmen muss eine riesige, unterschiedslose Gesichtsdatenbank angelegt werden, kritisieren die Organisationen. Sie weisen darauf hin, dass solche Gesichtsdatenbanken nach Artikel 5 der KI-Verordnung der EU verboten sind, da sie Massenüberwachung ermöglichen und gegen die Grundrechte verstoßen können.
“Es gibt zwar Ausnahmen im Rahmen der nationalen Sicherheit, aber ein Verbot des Einsatzes von biometrischen Fernidentifizierungssystemen ist laut KI-Verordnung ausdrücklich möglich und kann von den Mitgliedsstaaten rechtlich eingeführt werden”, schreiben die Organisationen.
Der Schutz von Menschenrechten dürfe nicht unter Vorbehalt stehen, warnen die Unterzeichner. “Insbesondere im Kontext erstarkender rechtsextremer Parteien müssen die demokratischen Kräfte gemeinsam die Möglichkeit des institutionellen Machtmissbrauchs minimieren.”
Auch weisen die Organisationen darauf hin, dass sich die Regierungsparteien an zwei Stellen im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet haben, sowohl “biometrische Erkennung im öffentlichen Raum” als auch den “Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken” explizit abzulehnen.
Aktueller Stand des Gesetzes
Das kritisierte Sicherheitspaket ist eine Reaktion der Bundesregierung auf Ereignisse wie den Messerangriff in Solingen, bei dem drei Menschen starben. Es besteht aus zwei Gesetzentwürfen, von denen einer nur Maßnahmen beinhaltet, die keiner Zustimmung des Bundesrates bedürfen.
Am heutigen Montag befasst sich der Ausschuss für Inneres und Heimat in einer öffentlichen Anhörung mit dem Gesetzentwurf "zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems". Die darin beschriebenen Maßnahmen, wie der Abgleich von biometrischen Daten von Asylsuchenden, benötigen keiner Zustimmung des Bundesrates. Der zweite Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen"zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung" muss hingegen auch den Bundesrat passieren.
Wann die Gesetze vom Bundestag in zweiter und dritter Lesung beschlossen werden, ist derzeit unklar. (hcz)