Ölkatastrophe: Frachter havarierte auf Suche nach Internet
Das Auflaufen des Frachters MV Wakashio vor Mauritius und die anschließende Umweltkatastrophe sollen einen banalen Grund gehabt haben: Der Kapitän wollte seiner Mannschaft wieder Zugang zum Mobilfunknetz ermöglichen.
Am 25. Juli 2020 war das Frachtschiff MV Wakashio vor der Küste der Insel Mauritius im Indischen Ozean auf ein Korallenriff gelaufen – und erlitt Havarie. Am 6. August trat dann Treibstoff aus dem Schiff aus. Folgen waren ein Ölteppich mit einer Ausdehnung von über 24 Quadratkilometern und die größte Umweltkatastrophe in der Geschichte der Insel.
Im Rahmen einer öffentlichen Anhörung sagte der 59-jährige Kapitän laut der Nachrichtenseite africanews nun aus: “Wir hatten kein Internet auf dem Schiff und ich habe zugestimmt, vor Mauritius zu ankern, damit die Besatzung mit Verwandten kommunizieren kann, weil das die Moral der Besatzung hoch hält.” Offensichtlich hoffte die Mannschaft in Küstennähe auf Mobilfunkempfang. Mehrere Crew-Mitglieder sagten zudem aus, vor der Küste mit ihren Mobiltelefonen nach Empfang gesucht zu haben.
Geburtstagsfeier an Bord
Der Kapitän erklärte außerdem, er sei schon bei früheren Fahrten auf der Route (von Singapur nach Brasilien) vergleichbar nah an die Küste gefahren. Laut der Tageszeitung L’Express wusste er, dass es dort Aussicht auf Mobilfunkempfang gab. Die Küstenwache habe das nie gestört, am Tag der Havarie habe sie gar keinen Kontakt zu seinem Schiff aufgenommen. Zwei Radaranlagen der Insel waren offenbar außer Betrieb.
Einige Mannschaftsmitglieder gaben vor der Untersuchungskommission zu, dass sie während des Unfalls betrunken waren – der Kapitän hatte eine Geburtstagsfeier erlaubt. Auch der Kapitän selbst habe getrunken. Allerdings sei dieser zur Zeit des Unglücks nicht im Dienst gewesen. Stattdessen hatten Offiziere die Befehlsgewalt auf der Brücke. Der Kapitän habe nur zwischendurch eine Kurskorrektur angeordnet, weil er bemerkte, dass sich das Schiff zu weit der Küste näherte. Wer schlussendlich an Bord die gefahrene Route befohlen hatte, blieb unklar, da sich die Aussagen der Mannschaftsmitglieder widersprechen.
Ablauf der Katastrophe
Nachdem der Frachter am 25. Juli ohne Ladung an Bord aufgelaufen war und sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien konnte, drang Öl in den Maschinenraum ein und es entstand ein Wasser-Öl-Gemisch – was aber zunächst im Rumpf verblieb. Erst zwölf Tage nach dem Unfall kam dann die Küstenwache an Bord, was laut heise online auch an den Corona-Quarantäne-Bestimmungen gelegen haben könnte.
In der ersten Zeit nach dem Auflaufen machte das Schiff einen guten Eindruck und wies keine offensichtlichen Strukturschäden auf. Am 6. August trat dann aber doch Schweröl ins Meer aus, das als Treibstoff geladen war. Etwa 1000 Tonnen Öl liefen unter anderem in ein Umweltschutzgebiet, in Lagunen und wurden an Strände angespült. Außerdem verloren vier Personen bei späteren Bergungsversuchen ihr Leben.
Der Fischereiminister Sudheer Maudhoo gab nach dem Unglück zu: “Wir sind dafür unzureichend ausgerüstet.”
Der vordere Teil des Schiffes und somit ein Großteil des Wracks wurde mittlerweile gesäubert, auf das offene Meer geschleppt und versenkt. Umweltschützer hatten zuvor vor dieser Verschrottung gewarnt. Sie vermuten, dass giftige Schwermetalle ins Wasser geraten könnten. Das Heck inklusive Brücke liegt weiterhin auf dem Korallenriff.
Massenproteste und Rücktrittsforderungen
Laut der Wohltätigkeitsorganisation International Seafarers’ Welfare and Assistance Network verursacht die Isolation der Seefahrer vom Internet und anderen Kommunikationsmitteln seelische Belastungen. Die Organisation fordert zusammen mit anderen Verbänden und Gewerkschaften kostenlosen Internetzugang via Satellit für die Bediensteten auf Schiffen. Voice-over-IP-Gespräche müssten zudem mit eigenen Geräten und ohne Zuhörer geführt werden können.
Die Havarie zog auch gesellschaftliche Folgen nach sich: Ende August 2020 demonstrierten Zehntausende Bürger auf den Straßen, um auf die Folgen des Öllecks aufmerksam zu machen und den Umgang der Verantwortlichen mit der Katastrophe zu kritisieren. Aus Sicht der Protestierenden hatte die Regierung zu lange gebraucht, um zu reagieren und beispielsweise das austretende Öl abzupumpen.
Der amtierende Regierungschef Pravind Jugnauth ist hingegen der Ansicht, keine Fehler im Zusammenhang mit der Ölkatastrophe begangen zu haben. Ihm und seiner seiner Verwaltung wurden zuvor bereits Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen. Im Jahr 2017 übernahm er das Amt von seinem Vater.
Die Umweltorganisation Greenpeace spricht von “einer der schlimmsten ökologischen Krisen, die dieser kleine Inselstaat jemals erlebt hat”. Zwei Naturschutzgebiete liegen in unmittelbarer Nähe der Unglücksstelle. (hcz)