Österreich: Polizei nutzt Gesichtserkennung bei Demonstrationen

Überwachungskamera
Die Polizei nutzt unter anderem Bildmaterial aus vorhandenen Überwachungskameras. (Quelle: Public Domain)

Die österreichische Polizei hat nach Demonstrationen in Wien mit Gesichtserkennungssoftware nach mutmaßlichen Straftätern gesucht. Das berichtet die Zeitung Der Standard unter Berufung auf ihr vorliegende Dokumente. Das Bundeskriminalamt (BKA) setzt die Software erst seit August im Regelbetrieb ein.

Ende Juni hatten Rechtsextreme aus dem Umfeld der “Grauen Wölfe” eine feministische Kundgebung im Wiener Stadtteil Favoriten angegriffen. In der Folge gab es weitere Demonstrationen mit Auseinandersetzungen – auch ein linkes Zentrum wurde angegriffen. Die Polizei hat daraufhin Bildmaterial von den Demonstrationen ausgewertet. Sie wollte damit mutmaßliche Straftäter identifizieren. Das Innenministerium hat dem Standard den Einsatz der Technik bestätigt. Dabei wurden laut dem Bericht 47 bekannte Personen identifiziert. Die Technik sei genutzt worden, um antifaschistische Aktivisten zu identifizieren. Ob auch Bilder von Rechtsextremen untersucht wurden, hat die Zeitung nicht erfahren.

Technik seit August im Einsatz

Die Gesichtserkennung befindet sich erst seit dem 1. August im Regelbetrieb, wie aus einer parlamentarischen Anfrage an das Innenministerium hervorgeht. Die Technik wurde demnach “vollständig in die EDV-Umgebung des Bundesministeriums für Inneres integriert” und das BKA kann Abfragen durchführen. Spätestens im ersten Quartal 2021 will das Ministerium auch die Landeskriminalämter an das System anschließen.

Das in Österreich eingesetzte System stammt von der Dresdner Firma Cognitec Systems. Es handelt sich nicht um eine Echtzeit-Gesichtserkennung, sondern Polizisten werten Bildmaterial nachträglich damit aus. Dafür werden Aufnahmen aus Überwachungskameras verwendet. Aber auch Aufnahmen aus anderen Quellen, wie beispielsweise Mobiltelefonen, könnten genutzt werden, erklärte das Innenministerium in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage aus dem Jahr 2019.

Der Abgleich erfolgt mit der polizeilichen Datenbank “Erkennungsdienstliche Evidenz”, in der Verdächtige und Verurteilte gespeichert sind. Ein Abgleich mit europäischen Datenbanken findet laut Innenministerium nicht statt.

Funktionsweise ist “Betriebsgeheimnis”

Wie genau das System Übereinstimmungen berechnet, weiß die Polizei allerdings nicht: “Diese Algorithmen sind, wie bei allen solchen Systemen, Betriebsgeheimnis des Herstellers”, heißt es in der Antwort des Innenministeriums. Den Ermittlern würden jeweils 30 übereinstimmende Fotos angezeigt. Die Software soll es auch ermöglichen, nach Kategorien wie Alter, Geschlecht oder Herkunft zu sortieren.

Die Datenschutzorganisation Epicenter Works befürchtet, dass die Technik damit diskriminierend genutzt werden kann. Generell gelten Gesichtserkennungssysteme als fehleranfällig. Eine Studie der US-Standardisierungsbehörde “National Institute of Standards and Technology” hatte erst Ende 2019 festgestellt, dass die Fehlerquote bei dunkelhäutigen Menschen 10- bis 100-mal höher liegt als bei weißen Menschen. Bei Frauen mit dunkler Hautfarbe kommt es zu den meisten Fehlerkennungen.

Ob das in Österreich eingesetzte System jedoch Personen abhängig von ihrem Aussehen besser oder schlechter erkennt, wurde laut Innenministerium nicht getestet. Bei der Überprüfung von Frauen konnte nach Angaben des Ministeriums kein Unterschied festgestellt werden.

Schals beeinflussen Ergebnis

Im Testbetrieb habe man allerdings festgestellt, dass Schals, Masken und Brillen die Ergebnisse beeinflussen. Auch die Neigung des Kopfes habe einen Einfluss. Darüber hinaus hänge die Erkennungsquote etwa von der Position der Kamera und den Lichtverhältnissen ab. Diese Faktoren ließen sich am Computer korrigieren. Das Innenministerium vertritt jedoch den Standpunkt, dass Fehlerquoten irrelevant seien, da es sich nicht um einen Echtzeitbetrieb handelt: “Das Ergebnis des Abgleiches mit dem Gesichtserkennungssystem allein löst keinerlei unmittelbare Reaktion aus.”

Epicenter Works kritisiert hingegen, dass alleine der Einsatz der Gesichtserkennung mit Bildern aus dem öffentlichen Raum die Freiheit einschränkt. Zudem verweist die Organisation auf den sogenannten Chilling Effect – eine einschüchternde Wirkung der Technik, wodurch Menschen ihr Verhalten verändern. So könnten sie etwa von der Teilnahme an einer Demonstration abgehalten werden.

Die Organisation bemängelt auch, dass es keine konkrete Rechtsgrundlage für den Einsatz der Gesichtserkennung gebe. Das Innenministerium beruft sich allgemein auf das Sicherheitspolizeigesetz und die Strafprozessordnung.

Die EU will künftig auch europaweit die Abfrage von Gesichtern im Rahmen des Prümer-Vertrags ermöglichen, der derzeit etwa den Austausch von Fingerabdrücken regelt. Österreich war bei der Arbeitsgruppe zur Gesichtserkennung federführend. Eine entsprechende Machbarkeitsstudie soll kommende Woche im EU-Parlament diskutiert werden, berichtet das Online-Magazin Netzpolitik.org. (js)