Aluminium der Autoindustrie verursacht Menschenrechtsverletzungen

Bauxit-Mine
Wo früher lebenswichtiges Ackerland war, bleiben nach dem Bauxit-Abbau nur noch Erdlöcher. (Quelle: IMAGO / Danita Delimont)

Die Automobilbranche ist weltweit einer der größten Abnehmer für Aluminium. Rund ein Fünftel des geförderten Metalls wird jedes Jahr in Fahrzeugen verbaut. Doch die Aluminiumproduktion geht in vielen Ländern mit Umweltzerstörung und Verletzungen der Menschenrechte einher, wie die Vernichtung von Ackerland, massiven CO2-Emissionen und Vertreibung.

Die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch (HRW) und Inclusive Development International (IDI) haben in der vergangenen Woche einen ausführlichen Bericht veröffentlicht, der die globalen Aluminium-Lieferketten der Automobilhersteller und deren Auswirkungen in Förder- und Produktionsländern dokumentiert. Dazu betrieben die Organisationen drei Jahre lang Feldforschung und sprachen mit neun großen Automobilkonzernen: Unter anderem BMW, Daimler, Ford, Toyota und Volkswagen. BYD, Hyundai und Tesla reagierten nicht auf die Anfragen.

Die Aluminiumproduktion hinterlässt Spuren: In den Ländern, in denen das Metall gefördert wird – und in den Nationen, die das Rohmaterial weiterverarbeiten. In weiten Landstrichen werden Ackerflächen und natürliche Lebensräume vernichtet; Anwohner werden verdrängt. Abwässer verschmutzen Flüsse und Seen und führen zu Trinkwasserknappheit. Autohersteller, die das Aluminium abnehmen, untersuchen ihre Lieferketten bislang nicht ausreichend auf solche Missstände. Doch erste Initiativen geben Hoffnung.

Vernichtetes Land

Aluminium stammt aus Minen, Raffinerien und Schmelzwerken in Guinea, Ghana, Brasilien, China, Malaysia und Australien. Der Rohstoff findet sich in sogenanntem Bauxit – rötlichem Aluminiumerz. Bereits die Förderung des Bauxits führt zu Problemen. Denn das Erz wird über Tage abgebaut und die Minen beanspruchen große Flächen. Dabei zerstören die Förderunternehmen oftmals Ackerland und nehmen der Bevölkerung ihre Lebensgrundlage.

Als Negativbeispiel nennt der Bericht das westafrikanische Land Guinea, das mit rund 7,4 Milliarden Tonnen weltweit die größten Bauxit-Reserven aufweist und in den letzten Jahren zum größten Bauxit-Exporteur der Welt aufgestiegen ist:

Laut einer Regierungsstudie aus dem Jahr 2019 wird der Bauxitabbau in den kommenden 20 Jahren 858 Quadratkilometer landwirtschaftliche Nutzfläche in Guinea vernichten. Dabei würden 4700 Quadratkilometer natürlicher Lebensraum zerstört. Die Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Gebiete wird dies schwer treffen, denn laut HRW leben etwa 80 Prozent von ihnen von der Landwirtschaft. Kompensationen fielen zu niedrig aus.

In Australien sind bereits weite Landstriche, die indigenen Völkern gehörten, dem jahrzehntelangen Bauxit-Abbau zum Opfer gefallen. Laut Bericht streiten viele von ihnen noch immer um eine angemessene Entschädigung.

Wasser und Luft verunreinigt

Auch Flüsse und Seen würden beim Abbau in Mitleidenschaft gezogen. Vegetation werde entfernt und es käme zu Erosion. Rotschlamm, der bei der Veredlung des Bauxits anfällt, verunreinige die Gewässer, auf die Gemeinden für Trinkwasser und Bewässerung angewiesen sind.

Im brasilianischen Bundesstaat Pará klagt deswegen eine Nichtregierungsorganisation, die mehr als 11.000 Menschen vertritt, gegen eine Bauxitmine, eine Raffinerie und eine Aluminiumschmelze des Unternehmens Norsk Hydro. Der Firma wird vorgeworfen, Gewässer im Amazonasbecken verschmutzt zu haben.

Ein weiterer Nebeneffekt der Aluminiumproduktion sind massive Treibhausgasemissionen: Das Rohmaterial muss unter großem Energieaufwand raffiniert und verhüttet werden. Das geschieht hauptsächlich in Anlangen in China. Diese deckten ihren Energiebedarf im Jahr 2018 zu gut 90 Prozent aus Kohlekraftwerken. Auch deswegen entstehen bei der Aluminiumproduktion besonders viele Emissionen: Laut Bericht sind es jährlich eine Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent – das sind etwa zwei Prozent der gesamten jährlichen globalen Treibhausgasemissionen.

Mehr E-Autos, mehr Aluminium

Aluminium kann dafür genutzt werden, Autos leichter zu machen – und somit energieeffizienter. Schon heute gehen 18 Prozent der globalen Fördermengen an die Autohersteller. Bis zum Jahr 2050 erwartet die Branchenvereinigung International Aluminium Institute (IAI) eine Verdoppelung des Verbrauches der Branche.

Aluminium sei leicht und energieeffizient zu recyceln; der Prozess brauche nur ein Zehntel so viel Energie wie die Herstellung neuen Materials. Dennoch werde in der Autobranche derzeit zu 58 Prozent neu fabriziertes Aluminium verwendet. Die IAI erwartet, dass dieser Anteil auch im Jahr 2050 noch bei 45 Prozent liegen wird.

Den zukünftigen Mehrbedarf sieht der Industrieverband European Aluminium Association im Übergang zur Elektromobiltät begründet. Umso leichter ein Elektroauto ist, desto größer ist die Reichweite. Wirtschaftsberatungsfirmen gehen davon aus, dass im Jahr 2025 weltweit 12 Millionen Elektroautos verkauft werden, 2030 sogar 21 Millionen.

Die Hersteller bewegen sich

Die Autorinnen und Autoren werfen den Autoherstellern vor, dass die Negativfolgen der Aluminiumproduktion immer noch ein “blinder Fleck” für die Branche seien. Keines der befragten Unternehmen hätte seine Aluminiumlieferketten analysiert, um die Menschenrechtsrisiken darin zu verstehen. “Stattdessen haben die Automobilunternehmen die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette für andere Materialien, die für Elektrofahrzeuge von zentraler Bedeutung sind, wie Kobalt, […] in den Vordergrund gestellt,” heißt es in dem Bericht.

HRW und IDI fordern die Unternehmen dazu auf, mehr Verantwortung zu übernehmen, verbindliche Menschenrechts- und Umweltstandards in ihre Beschaffungsverträge aufzunehmen und selbiges von ihren Zulieferern zu verlangen. Die Lieferketten sollten vollständig erfasst sein und diese Informationen öffentlich verfügbar. So könnten Gemeinden und Nichtregierungsorganisationen Informationen über Menschenrechtsrisiken weitergeben und unabhängige Stellen die Angaben überprüfen.

“Sie [die Autohersteller] sollten ihre immer größer werdende Kaufkraft nutzen, um die Gemeinden zu schützen, deren Land und Umwelt durch die Aluminiumindustrie geschädigt werden”, meint Jim Wormington, leitender Afrika-Forscher bei Human Rights Watch.

Zwar ermutigen die Hersteller Audi, BMW und Daimler ihre Aluminiumzulieferer dazu, dem Zertifizierungsprogramm der Aluminum Stewardship Initiative (ASI) beizutreten, doch reiche dieser Schritt nicht aus. Das Programm prüft Minen, Raffinerien und Schmelzwerke auf die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards. “Die Menschenrechtsstandards von ASI sind jedoch nicht ausdifferenziert genug und bieten keine spezifischen Kriterien, um zu beurteilen, wie gut Unternehmen auf wichtige Menschenrechtsfragen reagieren, wie etwa die Umsiedlung von Gemeinden, die durch den Bergbau vertrieben wurden”, kritisiert Human Rights Watch. Das Programm brauche mehr Transparenz bei den Ergebnissen und müsse Gemeinden besser am Prüfprozess beteiligen.

Positiv bewerten die Autoren wiederum ein Projekt von “Drive Sustainability”, einem Zusammenschluss von elf Automobilkonzernen. Die Initiative startete im Mai ein Projekt, um die menschenrechtlichen Risiken bei der Aluminiumproduktion und neun anderen Rohstoffen zu bewerten. Im Januar kontaktierten sie diesbezüglich die Vereinigung der Aluminiumhersteller, die Aluminum Association, und drückten ihre Besorgnis über die Situation in Guinea aus.

“Drive Sustainability” wurde aktiv, nachdem Human Rights Watch und Inclusive Development International die Firmen bezüglich der Probleme der Aluminiumproduktion kontaktiert hatten. (hcz)