Russland blockiert oppositionelle Internetseiten
Die russische Medienaufsicht hat am Montag 49 Internetseiten sperren lassen. Dies sei auf Beschluss der Moskauer Generalstaatsanwaltschaft erfolgt, berichtete die unabhängige Organisation Roskomswoboda. Auch alle Seiten des inhaftierten Oppositionellen Alexej Nawalny sind in Russland nicht mehr erreichbar.
Die Organisation Roskomswoboda, die sich für freien Zugang zum Internet einsetzt, hat eine Liste der gesperrten Seiten veröffentlicht. Auch die Seiten von Nawalnys Regionalbüros und seiner Anti-Korruptionsstiftung FBK sind demnach betroffen.
Die russische Medienaufsicht Roskomnadsor begründete die Blockaden laut der Moscow Times mit “Propaganda und verbotenen extremistischen Aktivitäten”.
Im Juni hatten die Behörden Nawalnys Organisationen als extremistisch eingestuft. Auf den Internetseiten Nawalnys wurden von einem Millionenpublikum beachtete Enthüllungen veröffentlicht, unter anderem mit schweren Korruptionsvorwürfen gegen Regierungsmitglieder, Kremlbeamte und andere Staatsfunktionäre.
Weitere Sperren erwartet
Auch die Portale der Oppositionellen Ljubow Sobol und der unabhängigen Allianz der Ärzte, die etwa Missstände in der Corona-Pandemie in Russland aufgedeckt hatte, wurden gesperrt. Die Seite einer Lehrergewerkschaft ist ebenfalls betroffen. Sie bestätigte die Blockade auf Twitter und wies darauf hin, dass ihre Seite weiterhin mithilfe geschützter VPN-Verbindungen erreichbar sei.
Auch Nawalnys Mitarbeiter Leonid Wolkow bestätigte die Blockade der Webseiten auf Twitter. Er gehe davon aus, dass vor der russischen Parlamentswahl am 19. September auch noch die Seite zur sogenannten smarten Abstimmung gesperrt werde. Dort will die Opposition Wählern Empfehlungen geben, welchen Kandidaten sie am besten ihre Stimme geben, um die Bewerber der Kremlpartei Geeintes Russland am Einzug in die neue Staatsduma zu hindern.
Einschränkung der Meinungsfreiheit
In Russland sind bereits Tausende Internetseiten gesperrt. Darunter viele von Oppositionellen, aber auch von unabhängigen und kritischen Medien. Die Behörden begründen die Sperren mit Verstößen gegen russische Gesetze, nach denen etwa Internetseiten mit extremistischen Inhalten nicht zugänglich sein dürfen. Betroffene beklagen hingegen, dass Kritik am russischen Machtapparat zunehmend kriminalisiert und die Meinungsfreiheit insgesamt immer stärker bedroht werde.
Auch gegen soziale Netzwerke gehen die Behörden verstärkt vor: So hatte ein Moskauer Gericht erst im Mai Geldstrafen gegen Twitter, Google und TikTok verhängt. Ihnen wurde vorgeworfen, verbotene Beiträge nicht gelöscht zu haben. Beanstandet wurden unter anderem angeblich an Minderjährige gerichtete Aufrufe zur Teilnahme an Kundgebungen für Nawalny. Wegen der Löschaufforderungen war wochenlang die Übertragungsgeschwindigkeit von Twitter-Inhalten in Russland gedrosselt. Zwischenzeitlich hatte die Medienaufsicht Roskomnadsor Twitter sogar mit einer vollständigen Sperrung gedroht.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte im Juni 2020 befunden, dass das Sperren mehrerer oppositioneller Internetseiten in Russland gegen die Meinungsfreiheit verstoßen hatte. Das Gericht hatte vier Beschwerden verhandelt, die zwischen 2013 und 2015 beim EMGR eingereicht worden waren. Auch Ex-Schachweltmeister und Kreml-Kritiker Garry Kasparow zählte damals zu den Beschwerdeführern. (dpa / js)