Google klagt gegen das NetzDG
Google hat vor dem Verwaltungsgericht Köln Klage gegen Änderungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) eingereicht. Das teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Google sieht in der Gesetzesänderung einen Verstoß gegen den Datenschutz, das Grundgesetz und das Europarecht. Es geht um die neu geschaffene Pflicht für Plattformen, bestimmte Beiträge nicht nur zu löschen, sondern auch Daten der Nutzerinnen und Nutzer an das Bundeskriminalamt (BKA) zu übermitteln. Dies betrifft auch Googles Videoplattform YouTube.
Durch das an Ostern in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität wurde die Anzahl der im NetzDG genannten Straftatbestände erhöht. Die im neuen Paragrafen 3a eingeführte Meldepflicht an das BKA soll erst im Februar 2022 in Kraft treten. Ende Juni ist zudem das Gesetz zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes in Kraft getreten, das unter anderem zusätzliche Verpflichtungen in Bezug auf Transparenz festlegt.
Die neue Meldepflicht sieht vor, dass Betreiber von sozialen Netzwerken und Video-Sharing-Plattformen bei konkreten Anhaltspunkten für eine bestimmte Straftat automatisch sensible Nutzerdaten an das BKA übermitteln müssen. Außer den eigentlichen Inhalten betrifft dies die jeweiligen Nutzernamen, IP-Adressen und Portnummern. Dies gilt beispielsweise bei Volksverhetzung oder Anleitungen zur Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten. Erst nach dieser Übermittlung prüft das BKA, ob die Inhalte tatsächlich strafrechtlich relevant sind und leitet gegebenenfalls Ermittlungen ein.
Rechtsverstoß durch Meldepflicht
In einem Blogbeitrag erklärt Sabine Frank, Leiterin Government Affairs und Public Policy bei YouTube, Nutzerinnen und Nutzer müssten somit befürchten, dass ihre personenbezogenen Daten bei der Polizei gespeichert werden – auch wenn sie nur rechtmäßige Inhalte veröffentlicht haben. Einmal weitergegebene Daten könnten nicht mehr zurückgenommen werden.
Frank verweist in diesem Zusammenhang auf eine Einschätzung des Gesetzgebers: Demnach wird erwartet, dass rund 40 Prozent der von Anbietern weitergegebenen Inhalte nicht strafbar sind.
Dies sei ein massiver Eingriff in die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer, der nicht nur im Konflikt mit dem Datenschutz stehe, sondern auch mit dem Grundgesetz und dem Europarecht. Denn die Regelung im Gesetz würde privaten Unternehmen hoheitliche Aufgaben übertragen, ohne dass es rechtsstaatliche Kontrolle gäbe. Auch seien umfassende Datenbanken mit personenbezogenen Daten einer Vielzahl von Nutzern problematisch. Zudem würden die Rechte der Betroffenen ausgehebelt: Denn das Gesetz erlaubt ihre Benachrichtigung erst nach vier Wochen.
Das Verwaltungsgericht Köln soll die aus dem Gesetzespaket hervorgehenden Verpflichtungen für YouTube nun im Rahmen einer Feststellungsklage prüfen. Erst nach einer richterlichen Bestätigung sei für YouTube “eine derart massenhafte Weiterleitung personenbezogener Daten” an die Strafverfolgungsbehörde möglich.
Weiterhin Zusammenarbeit mit Behörden
Frank betont in dem Blogbeitrag, dass Google seit vielen Jahren Auskunftsersuchen der Behörden zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr nachkomme. Das Unternehmen werde auch weiterhin mit den Behörden zusammenarbeiten. Der “Kampf gegen Hass und Hetze im Netz” sei für Google “von größter Bedeutung”. Umso wichtiger erscheine es jedoch, “bei der Gestaltung des rechtlichen Rahmens mit Augenmaß vorzugehen”.
Der legitime Anspruch einer effektiven Strafverfolgung müsse mit der Datenschutzgrundverordnung, dem Recht auf Meinungsfreiheit und anderen Eckpfeilern des Rechtsstaates in Einklang gebracht werden. Es gehe darum, “das Netz als offene Plattform für einen zivilen und konstruktiven Austausch zu verteidigen”.
Eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums sagte dem Spiegel, ihr Ministerium gehe davon aus, dass die in der Klage angegriffenen Vorschriften europarechtskonform seien.
Gegen die neuen Vorgaben für soziale Netzwerke im Rahmen des neuen NetzDG hatte es im Vorfeld Widerstand von Vertretern aus der Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sowie vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages gegeben.
Wann das Gericht in dem Fall entscheiden wird, ist noch offen. (js)