Amnesty International: Zahl der weltweiten Hinrichtungen 2021 gestiegen

Demonstration von Amnesty gegen die Todesstrafe
Amnesty International geht davon aus, dass China weltweit die meisten Todesurteile verhängt und vollstreckt. Das Land hält Zahlen dazu allerdings unter Verschluss. (Quelle: IMAGO / Rolf Zöllner)

Die Zahl der weltweit dokumentierten Hinrichtungen und verhängten Todesurteile ist im vergangenen Jahr gestiegen. Das geht aus dem aktuellen Bericht zur Todesstrafe der Menschenrechtsorganisation Amnesty International hervor. Die Organisation geht außerdem von einer hohen Dunkelziffer aus – weil beispielsweise keine Zahlen aus China vorliegen.

Im Jahr 2021 wurden nach Angaben von Amnesty International mindestens 579 Menschen in 18 Staaten hingerichtet. Das ist ein Anstieg um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damals hatte die Organisation mindestens 483 Hinrichtungen gezählt.

Für den Großteil der dokumentierten Hinrichtungen war der Iran verantwortlich: Dort wurden mindestens 314 Menschen getötet. Das ist die höchste dort registrierte Zahl seit 2017. Der Anstieg sei teilweise darauf zurückzuführen, dass vermehrt Drogendelikte mit der Todesstrafe geahndet wurden. Dabei dürfe sie nach völkerrechtlichen Bestimmungen nur für vorsätzliche Tötungsdelikte verhängt werden.

Drei Länder für die meisten Hinrichtungen verantwortlich

Der Iran ist dem Bericht zufolge gemeinsam mit Ägypten (mindestens 83 Tötungen) und Saudi-Arabien für 80 Prozent der weltweit bekannt gewordenen Hinrichtungen verantwortlich. In Saudi-Arabien hat sich die Zahl der Exekutionen mit 65 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Amnesty International kritisiert, dieser Trend setze sich auch in den ersten Monaten des Jahres 2022 fort: Im März wurden in dem Golfstaat 81 Menschen an nur einem Tag getötet.

In den von Amnesty International veröffentlichten Zahlen sind allerdings keine Hinrichtungen und Todesurteile aus China enthalten, da die Regierung Angaben zur Todesstrafe als Staatsgeheimnis behandelt. Die Organisation geht davon aus, dass China jedes Jahr Tausende Todesurteile verhängt und vollstreckt – und somit mit Abstand für die meisten Hinrichtungen weltweit verantwortlich ist.

Auch Nordkorea und Vietnam fehlen in der Statistik. Dort gebe es ebenfalls keine staatlichen Zahlen oder unabhängigen Informationen. Die Menschenrechtsorganisation nimmt aber an, dass auch diese beiden Staaten im Jahr 2021 die Todesstrafe “übermäßig stark” angewendet haben.

Staaten nehmen Exekutionen wieder auf

Belarus (mindestens eine) und Japan (3) führten im vergangenen Jahr die ersten Hinrichtungen seit 2019 durch. Auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde mindestens ein Todesurteil vollstreckt – zum ersten Mal seit 2017.

Aus Indien, Katar und Taiwan wurden keine Exekutionen bekannt. Diese drei Länder hatten im Jahr 2020 noch Menschen töten lassen. Auch in Singapur wurde im Jahr 2021 die Todesstrafe das zweite Jahr in Folge nicht vollstreckt – allerdings wurden Anfang 2022 wieder Exekutionen vorgenommen.

Unter den weltweit 579 hingerichteten Menschen waren auch 24 Frauen: 14 im Iran, 8 in Ägypten sowie je eine in Saudi-Arabien und den USA.

Im Iran wurden zudem mindestens drei Personen für Straftaten exekutiert , die sie als Minderjährige begangen hatten. Im Jemen wurde deshalb eine Person getötet. Amnesty International kritisiert dies als einen Verstoß gegen internationales Recht. Sowohl im Iran als auch in Myanmar und auf den Malediven sollen weitere Personen wegen Straftaten in Todeszellen sitzen, die sie im Alter von unter 18 Jahren verübt haben.

Todesurteile nach unfairen Verfahren

Die Zahl der im Jahr 2021 weltweit verhängten Todesurteile stieg um fast 40 Prozent auf 2052. Insgesamt wurden in 56 Ländern Menschen zum Tode verurteilt.

Äthiopien, Guyana, die Malediven, Oman, Tansania und Uganda verhängten Todesurteile, nachdem sie dies 2020 nicht getan hatten. Bahrain, die Komoren, Laos und Niger sprachen hingegen 2021 keine Todesurteile aus.

Amnesty berichtet, zahlreiche Staaten hätten die Todesstrafe als Instrument staatlicher Repression eingesetzt: In Myanmar wurden beispielsweise fast 90 Zivilisten von Militärgerichten in Eilverfahren zum Tode verurteilt. Sie konnten keine Rechtsmittel einlegen. Die Organisation bezeichnet diese Urteile als “willkürlich”. Es habe sich “augenscheinlich” um eine “gezielte Repressionskampagne” gegen Demonstrierende und Medienschaffende gehandelt.

Auch in Ländern wie Ägypten, Algerien, Iran, Nigeria, Pakistan und Somalia seien Menschen in Verfahren zum Tode verurteilt worden, die nicht den internationalen Rechtsstandards für ein faires Gerichtsverfahren entsprachen. Amnesty International bemängelt auch andere Urteile, die gegen internationales Recht und internationale Standards verstoßen: So wurden in Japan, auf den Malediven, in Singapur und den USA Menschen mit geistiger oder intellektueller Behinderung zum Tode verurteilt. In Pakistan ergingen Todesurteile wegen “Blasphemie” und in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo, Jordanien, Mali und Myanmar wurden Menschen in Abwesenheit zum Tode verurteilt – also ohne, dass sie während des Gerichtsverfahrens anwesend waren.

Positive Entwicklungen

Trotz der “beunruhigenden Zahlen” sieht Amnesty International aber auch positive Anzeichen “für eine Entwicklung hin zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe”: So haben Kasachstan und Sierra Leone die Todesstrafe abgeschafft. Papua-Neuguinea hat ebenfalls ein entsprechendes Gesetz verabschiedet – es ist jedoch noch nicht in Kraft getreten. Auch Ghana, Malaysia und die Zentralafrikanische Republik haben erste Schritte in diese Richtung unternommen.

Die neue US-Regierung hat Hinrichtungen auf Bundesebene bis auf Weiteres ausgesetzt. Im Jahr 2020 hatte die damalige Regierung sie nach 17 Jahren wieder aufgenommen. Zudem hat Virginia als 23. US-Bundesstaat die Todesstrafe abgeschafft. Die USA blieben im 13. Jahr in Folge das einzige Land auf dem amerikanischen Doppelkontinent, in dem Todesurteile vollstreckt wurden. Guyana und Trinidad und Tobago haben zwar Todesurteile verhängt – vollstreckten sie aber nicht.

Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, kommentierte: “Eine Welt ohne staatliches Töten ist nicht nur vorstellbar, sondern möglich – das zeigt die positive Entwicklung der letzten Jahrzehnte: Der Großteil der Staatengemeinschaft hat diese ultimativ grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe abgeschafft oder zumindest ausgesetzt.”

In 144 Ländern ist die Todesstrafe mittlerweile per Gesetz oder Praxis außer Vollzug gesetzt. Doch Ende 2021 befanden sich mindestens 28.670 Menschen in Todestrakten. Beeko forderte daher: “Es braucht verstärkten Druck der internationalen Staatengemeinschaft auf die kleine, aber sehr aktive Gruppe der weiter hinrichtenden Staaten. Es ist höchste Zeit, die Todesstrafe in die Geschichtsbücher zu verbannen!” (js)