Aserbaidschan: Präsident erlässt umstrittenes Mediengesetz
Der Präsident Aserbaidschans Ilham Aliyev hat ein neues Mediengesetz erlassen, das umstrittene Restriktionen für die Medien im Land vorsieht. Zuvor war es bereits vom Parlament verabschiedet worden. Unter anderem schreibt das Gesetz vor, dass Medienunternehmen in Besitz aserbaidschanischer Staatsbürgerinnen oder Staatsbürgern sein müssen, wenn sie sich vorrangig an Publikum in Aserbaidschan wenden. Gleiches gilt für die Geschäftsführung.
Die Inhaber müssen zudem einen ständigen Wohnsitz im Land vorweisen, wie die Journalistenorganisation Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) berichtet. Medien wird zudem verboten, Mittel aus dem Ausland anzunehmen.
Bei Verstößen droht Medien eine zweimonatige Sperre. Halten sie an, können die Behörden das Medium schließen lassen.
“Das neue aserbaidschanische Mediengesetz ist voller Unklarheiten und belastender Anforderungen und scheint bewusst darauf ausgelegt zu sein, die letzten verbliebenen Bastionen der freien Medien im Land zu treffen”, monierte Gulnoza Said, Koordinatorin bei CPJ. “Präsident Ilham Alijew hätte das Gesetz niemals verabschieden dürfen, und die Behörden sollten nun darauf hinarbeiten, es aufzuheben und sicherzustellen, dass es niemals gegen Mitglieder der Presse eingesetzt wird.”
Betroffen sind sowohl klassische Print-, Online- und Rundfunkmedien und Nachrichtenagenturen als auch Einzelpersonen und Gruppen, die online “audiovisuelles Material” veröffentlichen. Damit dürften unter anderem Videos und Podcasts gemeint sein.
Medienregister
Das Gesetz sieht auch ein verpflichtendes Register für Medien und Journalistinnen und Journalisten vor. Darin soll der Staat personenbezogene Daten von Medienschaffenden und Medienunternehmen sammeln, darunter ihre Adressen sowie Angaben zu Bankkonten und Arbeitsverträgen.
Um in das Register aufgenommen zu werden, müssen Journalisten einen Hochschulabschluss, mindestens drei Jahre Berufserfahrung und einen Arbeitsvertrag vorweisen,
Nur registrierte Journalisten erhalten den neuen Presseausweis, mit dem sie sich bei staatlichen Stellen akkreditieren, an staatlichen Veranstaltungen teilnehmen und Behördenauskünfte erfragen können.
Das Register könnte auch das Ende kleinerer Nachrichtenseiten bedeuten. Denn News-Webseiten können aus dem Register entfernt und sogar geschlossen werden, wenn sie nicht mindestens 20 Meldungen am Tag veröffentlichen.
RSF wies Anfang Januar darauf hin, das Gesetz habe auch Auswirkungen auf aserbaidschanische Medien im Ausland. So hat beispielsweise der Sender Meydan TV seinen Sitz in Berlin, um den Schikanen der Regierung zu entgehen. Doch weil der Sender in Aserbaidschan nicht als Medienunternehmen registriert ist, sei es für seine Korrespondenten nun illegal, dort zu arbeiten.
Über Sperren und Schließungen von Medien sollen die Gerichte entscheiden. Zudem überwacht ein neuer siebenköpfiger Rat Fälle, in denen “audiovisuelles Material” im Internet veröffentlicht wurde. Die Ratsmitglieder werden direkt vom Präsidenten ernannt.
Einem Präsidentenerlass zufolge sollen Medien zudem künftig bestraft werden, wenn sie nach Meinung der Behörden Beiträge veröffentlichen, die keine “objektive” Darstellung der Ereignisse beinhalten. Dieser Begriff ist im Gesetz aber nicht definiert, sodass Gerichte ihn frei auslegen können. Zurzeit arbeiten die Behörden laut CPJ noch an den Regelungen, die unter anderem kurze Haftstrafen oder Schließungen vorsehen und in zwei Monaten in Kraft treten sollen.
“Feind der Pressefreiheit”
Natig Mammadli, Abteilungsleiter bei der staatlichen Medienentwicklungsbehörde, die das Gesetz überwacht, bestritt gegenüber CPJ, dass es die Presse einschränkt. Er erklärte, das Gesetz solle die Mediengesetzgebung modernisieren und die Professionalität der Journalisten verbessern.
Das neue Gesetz wurde von der staatlichen Medienentwicklungsbehörde ohne die Beteiligung unabhängiger Medienvertreter ausgearbeitet und erst einen Tag vor seiner Vorlage im Parlament Mitte Dezember 2021 öffentlich zugänglich gemacht, schrieb CPJ.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Aserbaidschan auf Platz 167 von 180 Staaten. Den seit 2003 amtierenden Präsidenten Ilcham Alijew zählt die Organisation zu den “Feinden der Pressefreiheit”. Medienschaffende würden unter absurden Vorwänden verurteilt. Vor allem unabhängige Medien und regimekritische Journalisten geraten ins Visier der Behörden – etwa, wenn sie über Korruption berichten. Online-Medien würden blockiert, wenn sie aus Sicht der Regierung eine “Gefahr für Staat oder Gesellschaft” darstellen. (hcz)