Pegasus: Israelische Polizei soll Politiker und Journalisten überwacht haben

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Auch das EU-Parlament will eine Untersuchungskommission zum Einsatz von Pegasus innerhalb der EU einsetzen. (Quelle: Unsplash)

Die israelische Polizei soll Politiker, Aktivisten, Geschäftsleute und Journalisten unrechtmäßig mit der Spionagesoftware Pegasus überwacht haben. Die israelische Wirtschaftszeitung Calcalist hat in der vergangenen Woche eine Liste mit 26 mutmaßlichen Ausspähopfern veröffentlicht.

Laut Calcalist befinden sich unter den Spionagezielen drei Bürgermeister. Auch der Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu, Avner Netanyahu, sowie zwei Berater des Politikers sollen überwacht worden sein. In allen Fällen soll die zuständige Einheit der Polizei ohne richterlichen Beschluss gehandelt haben – und teilweise, bevor offiziell Ermittlungen eingeleitet wurden.

Ziel der Überwachung seien auch hochrangige Beamte gewesen. So sei etwa das Smartphone von Keren Turner ausspioniert worden, die erst das Transportministerium und später das Finanzministerium geleitet hatte. Auch ihr Vorgänger im Finanzministerium, Shai Babad, soll Ziel gewesen sein. Calcalist berichtet, sie hätten beide in Verdacht gestanden, geheime Dokumente an Journalisten weitergegeben zu haben.

Zu den mutmaßlichen Opfern zählen außerdem Aktivistinnen und Aktivisten, die Proteste für die Rechte von Menschen mit Behinderung organisiert hatten. Auch die Smartphones von äthiopisch-stämmigen Israelis sollen überwacht worden sein. Diese hatten gegen schlechte Behandlung durch die Polizei demonstriert. Die Polizei habe frühzeitig Informationen zu den geplanten Protesten sammeln wollen, da angeblich eine mögliche Bedrohung der öffentlichen Sicherheit bestanden habe.

Zeugen ausgespäht

Die illegalen Ausspähaktionen sollen außerdem mit dem laufenden Korruptionsprozess gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten Netanyahu in Verbindung stehen. Die Justiz wirft ihm vor, als Kommunikationsminister dem Telekommunikationsunternehmen Bezeq Vergünstigungen gewährt zu haben. Im Gegenzug soll das bis zum Jahr 2020 zu Bezeq gehörende Online-Medium Walla positiv über ihn berichtet haben.

Auf der nun von Calcalist veröffentlichten Liste stehen mehrere Journalisten von Walla. Auch die ehemalige Bezeq-Chefin Stella Hendler sowie der aktuelle Firmenchef Dudu Mizrahi wurden demnach mit Pegasus angegriffen. Teils sollen die Betroffenen ausspioniert worden sein, um die Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen zu überprüfen. Gesammelte Beweise seien an die zuständigen Ermittler weitergegeben worden, ohne deren Ursprung preiszugeben.

Polizei untersucht Vorwürfe

Bereits im Januar hatte Calcalist erstmals über den Einsatz von Pegasus durch eine Einheit der israelischen Polizei berichtet. Demnach hatte die Polizei die Spionagesoftware bereits im Jahr 2013 angeschafft und setzt sie seit 2015 ein. Nach Angaben der New York Times soll die israelische Polizei in den vergangenen zwei Jahren die Telefone von jeweils mehr als 100 Personen mit Pegasus infiltriert haben.

Was ist Pegasus?

Pegasus ist eine Spionagesoftware der israelischen Firma NSO Group. Die Spähsoftware kann ein infiltriertes Gerät komplett übernehmen und beispielsweise die Kamera und das Mikrofon unbemerkt anschalten – oder sämtliche Daten kopieren. Auch Standortdaten lassen sich abrufen und Passwörter auslesen. Das Überwachungsprogramm steht seit Jahren im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in der Kritik.

Zunächst hatte die Polizei den Bericht als “unwahr” zurückgewiesen. Anfang Februar hatte die Behörde dann aber erstmals eingeräumt, es gebe Beweise für den missbräuchlichen Einsatz von Spionagesoftware – ohne Pegasus explizit zu nennen.

Inzwischen untersucht die Polizei die Vorfälle. Ende vergangener Woche berichtete der israelische TV-Sender Channel 12 über erste Ergebnisse: Drei der 26 von Calcalist genannten Personen sollen demnach laut Polizei tatsächlich mit Pegasus angegriffen worden sein – in nur einem Fall sei das Telefon der betroffenen Person auch infiziert worden. Der Bericht nannte die Betroffenen nicht namentlich – allerdings soll es in allen drei Fällen einen richterlichen Beschluss gegeben haben.

Wie der Guardian berichtet, soll die Polizei die Vorfälle weiter untersuchen. An den Ermittlungen sollen auch der Inlandsgeheimdienst Schin Bet und der Auslandsgeheimdienst Mossad beteiligt sein. Erst im Anschluss soll über die weitere Aufarbeitung entschieden werden. Bereits in der vergangenen Woche hatte der israelische Polizeiminister angekündigt, er wolle eine Untersuchungskommission auf Kabinettsebene einsetzen. Andere Politiker fordern eine nicht-staatliche Untersuchungskommission.

NSO soll für den Mossad aktiv geworden sein

Auch der Auslandsgeheimdienst Mossad soll Pegasus in der Vergangenheit genutzt haben, berichtete die israelische Tageszeitung Haaretz am Sonntag. Dabei soll der Geheimdienst die Spähsoftware jedoch nicht selbst eingesetzt haben: Mitarbeiter des Pegasus-Entwicklers NSO sagten der Zeitung, Mossad-Beamte hätten NSO mehrfach gebeten, Telefone für den Geheimdienst zu überwachen.

Pegasus steht schon lange wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik: Im Juli hatten die Organisationen Forbidden Stories und Amnesty International sowie mehrere internationale Medien aufgedeckt, wie weltweit Medienschaffende, Menschenrechtler und Oppositionelle mit der Spionagesoftware Pegasus überwacht wurden.

Auch ungarische Journalisten und polnische Oppositionelle wurden überwacht. Deshalb plant das Europäische Parlament nun ebenfalls eine Untersuchungskommission, berichtet der Guardian. Ein entsprechender Vorschlag soll voraussichtlich diese Woche vom EU-Parlament angenommen werden. Die Fraktion Renew Europe hatte Mitte Januar einen Untersuchungsausschuss zum Missbrauch von Pegasus in der EU gefordert. Der Vorsitzende von Renew Europe, Stéphane Séjourné, mahnte: “Der Pegasus-Skandal ist nicht nur ein Angriff auf die individuellen Freiheiten. Er ist ein Angriff autokratischer Regime auf das Wesen unserer europäischen Demokratien.” (js)