Neues Mediengesetz bedroht Pressefreiheit in Aserbaidschan
Das aserbaidschanische Parlament hat ein neues Mediengesetz verabschiedet. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) kritisiert, es legalisiere Zensur und verletze die Europäische Menschenrechtskonvention.
Das Gesetz sieht nach Angaben von RSF vor, dass sich Journalistinnen und Journalisten registrieren lassen müssen. In dem Register sammelt der Staat personenbezogene Daten von Medienschaffenden und Medienunternehmen, darunter ihre Adressen sowie Angaben zu Bankkonten und Arbeitsverträgen. Um sich registrieren zu lassen, müsse zudem journalistische Erfahrung nachgewiesen und ein polizeiliches Führungszeugnis ohne Einträge vorgelegt werden, erklärte Giorgi Gogia, stellvertretender Direktor der Abteilung für Europa und Zentralasien bei Human Rights Watch (HRW). Diese Regelung setze Journalisten in dem autoritär regierten Land zusätzlichen Risiken aus, kritisiert RSF.
Staatliche Behörden wollen mithilfe eines Tests bestimmen, wer als Journalistin oder Journalist arbeiten darf. Details dazu habe die Regierung bisher nicht bekannt gegeben.
Das Gesetz sieht einen einheitlichen, staatlich ausgestellten Presseausweis vor. Nur Journalisten, die diesen besitzen und deren Medien von den Behörden registriert wurden, würden offiziell anerkannt. Wer nicht registriert sei, verliere den Zugang zu offiziellen Quellen – Behörden können dann beispielsweise Auskünfte verweigern.
Aserbaidschanische Auslandsmedien betroffen
Das Gesetz habe auch Auswirkungen auf aserbaidschanische Medien im Ausland, kritisiert RSF. So hat beispielsweise der Sender Meydan TV seinen Sitz in Berlin, um den Schikanen der Regierung zu entgehen. Doch weil der Sender in Aserbaidschan nicht als Medienunternehmen registriert ist, sei es für seine Korrespondenten nun illegal, dort zu arbeiten.
RSF bemängelt, das Gesetz greife weitreichend in die Arbeit von Journalisten ein: Es verbiete, Informationen aus inoffiziellen Quellen zu verbreiten. Das mache es unmöglich, investigativ zu berichten oder die Behörden zu kritisieren. Zudem schreibe die Regelung vor, Fakten und Ereignisse “objektiv” zu interpretieren. Dieser Begriff sei im Gesetz aber nicht definiert, sodass Gerichte ihn frei auslegen können.
Es verstoße auch gegen die aserbaidschanische Verfassung, die Informationsfreiheit garantiert – und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, in der die Meinungsfreiheit festgeschrieben ist. Aserbaidschan hatte diese im Jahr 2002 unterzeichnet. Seitdem wurde das Land mehrfach vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ermahnt, unter anderem wegen Verletzung der Meinungsfreiheit und der Festnahme von Journalisten.
RSF-Geschäftsführer Christian Mihr kritisierte: “Dieses Gesetz ist voller ungenauer Formulierungen und Widersprüche und zielt darauf ab, die Kontrolle über die Medien zu verstärken und Zensur auf dem Wege der Verfassung zu ermöglichen. Der Staat mischt sich damit in unzulässiger Weise in die Arbeit der Medien ein.” Die Organisation forderte den Europarat auf, gegenüber Aserbaidschan auf eine Überarbeitung des Gesetzes zu bestehen.
Regierung geht gegen Kritiker vor
Das Gesetz sei im Geheimen ausgearbeitet worden, ohne dass unabhängige Medien oder Fachleute zum Thema Meinungsfreiheit angehört wurden. Nach Angaben der Nachrichtenseite Eurasianet war der Gesetzentwurf erst Anfang Dezember öffentlich geworden – wenige Tage, bevor das Parlament darüber in erster Lesung beraten hatte. Einen Tag vor dem Beschluss im Parlament Ende Dezember hatten Journalistinnen und Journalisten unabhängiger und oppositioneller Medien vor dem Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Baku gegen das Gesetz demonstriert. Dabei wurde auch eine Reporterin von der Polizei verletzt.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Aserbaidschan auf Platz 167 von 180 Staaten. Den seit 2003 amtierenden Präsidenten Ilcham Alijew zählt die Organisation zu den “Feinden der Pressefreiheit”. Medienschaffende würden unter absurden Vorwänden verurteilt. Vor allem unabhängige Medien und regimekritische Journalisten geraten ins Visier der Behörden – etwa, wenn sie über Korruption berichten. Online-Medien würden blockiert, wenn sie aus Sicht der Regierung eine “Gefahr für Staat oder Gesellschaft” darstellen.
Auch die Familien von im Exil lebenden Journalisten würden schikaniert. Selbst über die Landesgrenzen hinweg gehe die Regierung gegen Journalisten vor: So war der Investigativjournalist Afgan Muchtarli 2014 ins Exil nach Georgien gegangen. Dort wurde er entführt und nach Angaben des Committee to Protect Journalists im Jahr 2017 illegal zurück nach Aserbaidschan gebracht, wo er zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Im März 2020 wurde er freigelassen. (js)