Australien: Nachrichtensperre bei Facebook
Im Streit um ein geplantes Mediengesetz in Australien ist Facebook auf Konfrontation gegangen – und hat am Donnerstag Inhalte von populären Nachrichtenseiten auf seiner Plattform gesperrt. Australische Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer können nun keine nationalen oder internationalen journalistischen Inhalte mehr sehen. Auch Notdienste, Katastrophenwarnungen, Corona-Informationen und NGOs sind von der Sperre betroffen. Die Regierung will dennoch an dem Gesetz festhalten und setzt darauf, dass Facebook einlenkt.
Durch den “News Media Bargaining Code” sollen Werbeeinnahmen zwischen Plattformen und Verlagen verteilt werden. Google und Facebook sollen künftig örtliche Medienunternehmen bezahlen müssen, wenn sie deren Inhalte verbreiten. Andere Internetdienste könnten in Zukunft ebenfalls unter das Gesetz fallen. Die Plattformbetreiber hatten in dem seit Monaten schwelenden Streit mehrfach betont, sie hielten dies für nicht umsetzbar. Bereits im August 2020 hatte Facebook gedroht, Medieninhalte zu blockieren, sollte das Gesetz in Kraft treten. Das australische Repräsentantenhaus hatte den Gesetzentwurf am Mittwoch verabschiedet.
Daraufhin habe man sich “schweren Herzens” für das Sperren entschieden, teilte das Unternehmen mit. Internationale Nutzer können ebenfalls keine Postings australischer Nachrichtenseiten mehr lesen. Australische Medienhäuser dürfen ihre Facebook-Seiten zwar behalten, können jedoch keine neuen Beiträge erstellen.
Regierung will Gesetz weiter umsetzen
Australiens Premierminister Scott Morrison erklärte am Donnerstag, seine Regierung lasse sich von Facebook nicht einschüchtern. Die Maßnahmen nannte er “ebenso enttäuschend wie arrogant” und wetterte, Facebook habe Australien “entfreundet”. Mit Blick auf die immer mächtigere Position der Plattformen sagte er: “Sie mögen die Welt verändern, aber das bedeutet nicht, dass sie sie regieren.”
Schatzkanzler Josh Frydenberg monierte vor allem, dass Facebook die Blockade nicht angekündigt habe. In einem Telefonat mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg habe er die verbleibenden Probleme daraufhin noch einmal besprochen. Frydenberg betonte aber, dass Australien das umstrittene Mediengesetz umsetzen werde. Die Gespräche sollen in den kommenden Tagen fortgesetzt werden.
Facebook vertritt die Ansicht, dem Gesetzentwurf liege ein Missverständnis zum Verhältnis zwischen den Plattformen und Verlagen zugrunde. Australische Verlage profitierten bereits davon, ihre Beiträge auf Facebook zu teilen. Sie würden Werbeeinnahmen erzielen, indem Nutzer über Facebook auf ihre Nachrichtenseiten gelangen. Für Facebook hingegen sei der Gewinn aus journalistischen Inhalten gering.
Kritik an Australiens Vorhaben gibt es jedoch nicht nur von Facebook. Der Web-Erfinder Tim Berners-Lee schrieb in einer Stellungnahme: “Die Möglichkeit, frei zu verlinken – also ohne Einschränkungen in Bezug auf den Inhalt der verlinkten Seite und ohne finanzielle Gebühren – ist grundlegend dafür, wie das Web funktioniert, wie es bis heute gediehen ist und wie es in den kommenden Jahrzehnten weiter wachsen wird.” Wenn dieser Präzedenzfall anderswo nachgeahmt würde, “könnte er das Web weltweit unbrauchbar machen”.
Organisationen und Behörden blockiert
Als Folge der Sperre waren in Australien auch Facebook-Seiten wichtiger Behörden blockiert – unter anderem die der australischen Polizei, der Feuerwehr und einiger Regierungsstellen, die aktuell zur Corona-Pandemie informieren. Auch verschiedene Organisationen wurden blockiert, beispielsweise der Dachverband der Gewerkschaften, eine Hilfsorganisation für Opfer häuslicher Gewalt und die Bürgerrechtsorganisation Access Now.
Access Now vermutet Kalkül hinter dem Sperren von Gewerkschaften und NGOs. Dies sei nicht einfach eine Reaktion auf einen schlechten Gesetzentwurf. “Facebook will das Narrativ kontrollieren, und sie wollen, dass die Weltöffentlichkeit und die Nutzer dies zur Kenntnis nehmen”, sagte Melody Patry von Access Now.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch monierte, es sei “beispiellos”, Menschen mitten in der Nacht von wichtigen Informationen abzuschneiden. Amnesty International warnte, es gefährde die Menschenrechte, wenn ein Unternehmen eine derart dominante Machtposition auf dem Informationsmarkt habe.
Facebook teilte mit, die Sperre von Behörden und Organisationen sei nicht beabsichtigt gewesen und die Seiten würden wiederhergestellt. Wann die Seiten wieder zugänglich sein sollen, gab Facebook indes nicht bekannt, berichtet die BBC.
Auch Google hatte als Reaktion auf das geplante Gesetz zunächst damit gedroht, seine Suchmaschine in Australien abzuschalten. Das Unternehmen lenkte in dem Streit jedoch ein und einigte sich mit mehreren Verlagen auf Zahlungen für journalistische Inhalte. (dpa / js)