Baden-Württemberg: Polizeigewerkschaft gegen "Cybersicherheitsagentur"
Es geschieht selten, dass sich Polizeigewerkschaften und der Chaos Computer Club (CCC) einig sind. Doch im Fall der geplanten “Cybersicherheitsagentur” (CSA) in Baden-Württemberg kommt von beiden Seiten Kritik. Ermittler und IT-Experten stellen die Sinnhaftigkeit der neuen Behörde in Frage. Die CSA soll nach Plänen des Innenministeriums das “Herz unserer neuen Cybersicherheitsarchitektur” und die zentrale Landesoberbehörde für die Sicherheit im digitalen Raum werden.
“Angesichts von Kosten, dem Mangel an fachkundigem Personal, der vorhandenen Kompetenz bei Polizei und Verfassungsschutz wäre es eine richtige Entscheidung, diese Behörden personell und technisch besser auszustatten, als eine neue Behörde aufzubauen”, kommentiert Ralf Kusterer, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft das Vorhaben gegenüber den Stuttgarter Nachrichten.
Auch ohne eine spezielle Behörde helfen bereits Experten des Landeskriminalamtes und des Landesamtes für Verfassungsschutz Unternehmen bei IT-Angriffen und Spionageversuchen. Kusterer moniert: “Ein Geschädigter oder Ratsuchender muss sich fragen, wo er sich denn hinwenden soll – zum Landeskriminalamt, zum Landesamt für Verfassungsschutz oder zur Cybersicherheitsagentur?”
Üppige Finanzausstattung
Im kommenden Frühjahr soll die Cybersicherheitsagentur errichtet werden, 2022 soll sie in Betrieb gehen. Der Plan ist Teil eines Gesetzesentwurfes, den Innenminister Thomas Strobl (CDU) vorgelegt hatte. Ende September verabschiedete das Kabinett aus CDU und Grüne das Gesetz gemeinsam ohne Gegenstimme. Darin heißt es, dass die “Abwehr von Gefahren für die Cybersicherheit […] zentralisiert und weiter professionalisiert werden”. Dreh- und Angelpunkt soll die neue Agentur werden.
Für die Agentur ist ein Budget von 13 Millionen Euro für die Jahre 2020/2021 vorgesehen; es werden 83 Stellen für sogenannte Cyberkriminalisten geschaffen. Ende September waren laut Nachrichtenagentur dpa bereits 19 Stellen besetzt. Zum Vergleich: Dem LKA und den Polizeipräsidien steht laut Stuttgarter Nachrichten für die Bekämpfung digitaler Kriminalität gerade einmal ein Jahresbudget von 800 .000 Euro zur Verfügung.
Momentan gibt es in der Region Karlsruhe einen Testlauf für die CSA. Das Innenministerium Baden-Württemberg sieht trotz der Kritik Bedarf für die neue Einrichtung und erwartet für dieses Jahr einen Anstieg der Straftaten im Bereich der Online-Kriminalität: Bereits zwischen Januar und August 2020 seien mehr Fälle des Ausspähens und Abfangens von Daten registriert worden als im Vorjahreszeitraum. “Für den Bereich der Datenveränderung und Computersabotage deutet sich dagegen ein Rückgang an”, sagte ein Sprecher des Innenministers.
IT-Experten und Kripo-Beamte einig
Der CCC, der Bund Deutscher Kriminalbeamter und die FDP äußerten ebenfalls Kritik an dem Projekt. Es bestehe die Gefahr, “durch die Gründung der CSA die ohnehin schon unübersichtliche, staatliche IT-Sicherheitsstruktur noch weiter zu verkomplizieren”, warnt der CCC Stuttgart.
Der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Steffen Mayer, kritisiert laut Stuttgarter Nachrichten, dass “die Schnittstellen zu bestehenden Strukturen, namentlich der Polizei, nicht ausreichend beschrieben und berücksichtigt worden sind.” Er sieht die anderen Ermittlungsbehörden vernachlässigt. Denn in den Bereichen politisch motivierter Kriminalität oder Cyber-Kriminalität seien weder im LKA noch beim Landesverfassungsschutz oder den Regionalpräsidien der Polizei Personalaufstockungen im kommenden Jahr vorgesehen.
Daniel Karreis, der im Landtag bei der FDP für Fragen der Digitalisierung zuständig ist, fordert mehr Anstengungen bei der IT-Sicherheit: “Was Unternehmen und Behörden im Land wirklich brauchen, ist eine präventive Stelle zur Stärkung der IT und keine neuen Cybersicherheitsagenten, die den Job des LKA übernehmen” (hcz)