Bahrain: Aktivisten mit Pegasus ausspioniert

NSO-Webseite auf Computer
Sicherheitsforscher hatten schon im Jahr 2017 erstmals einen Missbrauch von Pegasus in Bahrain entdeckt. (Quelle: IMAGO / Lehtikuva)

Die Smartphones von einer bahrainischen Aktivistin und einem Aktivisten wurden im vergangenen Jahr mit der Spionagesoftware Pegasus infiltriert. Auch ein Journalist wurde mit der Software der israelischen Firma NSO überwacht. Das haben Sicherheitsforscher vom Citizen Lab an der Universität Toronto nachgewiesen. Experten von Amnesty International haben die Untersuchung anschließend unabhängig bestätigt.

Dem Ende vergangener Woche vom Citizen Lab veröffentlichten Bericht zufolge handelt es sich bei einem der Opfer um Mohammed Al-Tajer. Sein Telefon wurde im September 2021 mindestens dreimal mit Pegasus infiziert. Der erste Angriff habe sich am 2. September 2021 ereignet – nur eine Woche, nachdem das Citizen Lab berichtet hatte, wie neun weitere Aktivistinnen und Aktivisten in Bahrain mit Pegasus ausspioniert wurden.

Der Anwalt war früher Vorsitzender der Menschenrechtskoalition Bahrain Human Rights Observatory und hatte politische Gefangene und Aktivisten verteidigt. Nach Angaben von Amnesty International hatte er auch die Familien von zwei Personen vertreten, die im Jahr 2011 nach Folter durch die bahrainischen Sicherheitskräfte ums Leben gekommen waren.

Anwalt wurde schon früher ausgespäht

Bereits während des Arabischen Frühlings im Jahr 2011 soll der Computer von Al-Tajer mit der Spionagesoftware der Münchner Firma FinFisher überwacht worden sein. Im selben Jahr wurde er verhaftet und gefoltert. Auch seine Frau wurde damals festgenommen, weil sie verletzte Demonstranten medizinisch versorgt hatte.

Al-Tajer zeigte sich gegenüber dem Citizen Lab “schockiert”. Er konzentriere sich nur noch auf seine Anwaltskarriere und sei nicht mehr beim Bahrain Human Rights Observatory tätig – weshalb er nicht verstehe, nach welchen Informationen auf seinem Telefon gesucht wurde. Er erklärte: “Am schlimmsten und beunruhigendsten ist das Gefühl, nicht sicher zu sein und dass dein Telefon nicht mehr dein Freund, sondern dein Feind ist. Man weiß nicht mehr, welche Informationen noch privat sind und welche an den Staat weitergegeben wurden. Das ist schmerzhaft.”

Psychologin ist aus Bahrain geflohen

Das zweite Spionageopfer ist die Psychologin Sharifa Siwar. Laut der Untersuchung des Citizen Lab wurde ihr Smartphone im Juni 2021 mit Pegasus infiziert.

Siwar hatte im Jahr 2019 ein Mitglied der bahrainischen Königsfamilie beschuldigt, am illegalen Handel mit einem verschreibungspflichtigen Medikament gegen Angststörungen beteiligt gewesen zu sein. Das Medikament soll in Bahrain von Schülerinnen und Schülern missbräuchlich genutzt worden sein. Der Vorfall wurde anschließend untersucht, doch die Behörden kamen zu dem Ergebnis, dass es sich um einen Einzelfall gehandelt habe – und Siwar wurde zu einem Jahr Gefängnis wegen Verleumdung und Diffamierung verurteilt. Zu einem weiteren Jahr Gefängnis wurde sie verurteilt, weil sie angeblich einem psychisch kranken Teenager ein Schmerzmittel gegeben hatte.

Wie das Citizen Lab berichtet, wurde Siwar im Mai 2021 vom bahrainschen König begnadigt, nachdem sie mehrere Monate in Haft saß. Der Angriff mit Pegasus erfolgte nur einen Monat später. Im November brachte die Staatsanwaltschaft den Fall erneut vor Gericht. Daraufhin floh die Psychologin im Januar nach Großbritannien und beantragte Asyl. Siwar erklärte: “Die Gewissheit, dass ich gehackt wurde, hat mich unter enormen Stress und emotionalen Druck gesetzt. Ich habe Angst davor, was sie mir in Zukunft antun könnten.”

Zudem wurde auch ein namentlich nicht genannter Journalist in Bahrain mit Pegasus ausgespäht. Der Betroffene berichtet über die Demokratiebewegung in dem autoritär regierten Inselstaat im Persischen Golf. Auch sein Smartphone wurde im September 2021 mit Pegasus infiziert.

Er konstatierte: “Die Geräte von Bürgerinnen und Bürgern zu überwachen, ist keine Lösung, sondern verschlimmert nur die bestehenden Probleme. Die Lösung besteht darin, die grundlegenden Menschen- und Bürgerrechte zu achten.”

Regierung spioniert Dissidenten aus

Die Sicherheitsforscher machen die Sicherheitsbehörden Bahrains für die Angriffe verantwortlich. Frühere Recherchen hätten gezeigt, dass Bahrain Verträge mit dem Pegasus-Entwickler NSO und anderen Herstellern von Spionagesoftware geschlossen und gezielt Regimekritiker und Menschenrechtler ausspioniert hat. Die neuesten Enthüllungen sollten “daher nicht überraschen”. “Die Tatsache, dass das Gerät eines Opfers nur eine Woche nach unserer früheren Veröffentlichung über Missbrauch von Pegasus in Bahrain gehackt wurde, unterstreicht, wie rücksichtslos die Sicherheitsdienste des Regimes Spionagesoftware einsetzen.”

Im Juli hatte Amnesty International gemeinsam mit der Organisationen Forbidden Stories sowie mehreren internationalen Medien aufgedeckt, wie weltweit Medienschaffende, Menschenrechtler und Oppositionelle mit der Spionagesoftware Pegasus überwacht wurden. Sie hatten einen Datensatz mit mehr als 50.000 Telefonnummern ausgewertet, die offenbar von Pegasus-Nutzern als potenzielle Ausspähziele ausgewählt wurden. Auf der Liste sollen auch Hunderte bahrainische Telefonnummern gestanden haben – darunter Politiker und Mitglieder der königlichen Familie.

Bahrain blicke auf eine lange Geschichte politischer Unterdrückung und Autoritarismus zurück, so das Citizen Lab. Die Herrscherfamilie kontrolliere die gesamte politische Macht, obwohl es sich offiziell um eine konstitutionelle Monarchie handelt. Laut Amnesty International wird die Meinungsfreiheit in Bahrain unterdrückt. Menschen, die die Regierung im Internet kritisieren oder protestieren, werden verhaftet und in Verfahren verurteilt, die Amnesty International als unfair kritisiert. Es gibt Berichte über Folter – und Gerichte verhängen Todesurteile.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht das Land auf Platz 168 von 180: Die Regierung unterbinde jede unabhängige Berichterstattung, kritische Internetseiten lassen die Behörden sperren. Gegen Medienschaffende werde strafrechtlich vorgegangen; teils würden Journalisten zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

NSO handelt “unethisch”

Lynn Maalouf, stellvertretende Direktorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International, kritisierte: “Die bahrainischen Behörden sind in den letzten Jahren immer härter gegen Andersdenkende vorgegangen und haben die Überwachung der digitalen Medien verschärft, die nach dem Verbot der legalen Oppositionsgruppen durch die Regierung den einzigen Raum für offene Diskussionen darstellten.” Die Organisation fordert die bahrainischen Behörden auf, den Einsatz von Überwachungstechnologien sofort zu beenden. Außerdem müsse es eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle geben.

Das Citizen Lab kritisiert auch den Pegasus-Entwickler NSO: In der Vergangenheit hatte dieser behauptet, beim Verdacht auf Missbrauch seiner Überwachungstechnik Untersuchungen einzuleiten und Verträge zu kündigen. Die neuesten Enthüllungen bewiesen das Gegenteil, kritisieren die Sicherheitsforscher. Es habe eindeutige Beweise für den Missbrauch von Pegasus in Bahrain gegeben – NSO habe jedoch nichts unternommen. Bereits der Verkauf von Pegasus an Bahrain sei unverantwortlich gewesen – dem Regime den weiteren Einsatz des Spionageprogramms zu ermöglichen, sei darüber hinaus unethisch.

Amnesty International und weitere Organisationen wie Human Rights Watch und Reporter ohne Grenzen fordern ein sofortiges Moratorium für den Verkauf, die Weitergabe und den Einsatz von Überwachungstechnologien. Auch Menschenrechtsexpertinnen und –experten der Vereinten Nationen fordern ein solches Moratorium. Sie erklärten, durch Spionagesoftware würden die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Privatsphäre verletzt – und die Technik sei “lebensbedrohlich”. (js)