Bangladesch: Internet-Sicherheitsgesetz unterdrückt Meinungsfreiheit

Straßenszene in Dhaka, Bangladesch
Die Vereinten Nationen hatten das Gesetz bereits vor seinem Inkrafttreten im Jahr 2018 kritisiert. (Quelle: IMAGO / photothek)

In Bangladesch wurden bis Juli 2021 mindestens 433 Personen auf Grundlage des dortigen Gesetzes zur digitalen Sicherheit (DSA) inhaftiert, berichtet Amnesty International. Den meisten von ihnen werde das Verbreiten von Falschinformationen oder üble Nachrede im Internet vorgeworfen. Betroffen sind auch Aktivisten und Journalisten. Die Organisation sieht die Meinungsfreiheit durch das Gesetz eingeschränkt und fordert die Regierung auf, es zu reformieren oder abzuschaffen.

Das Gesetz ist bereits seit Oktober 2018 in Kraft. Amnesty International kritisiert, es gebe den Strafverfolgungsbehörden willkürliche Befugnisse. So dürften sie Durchsuchungen durchführen, Geräte und deren Inhalte beschlagnahmen sowie Personen ohne Haftbefehl festnehmen, wenn diesen ein Verstoß gegen den DSA vorgeworfen wird. Betroffenen drohen bis zu zehn Jahre Haft und Geldstrafen von umgerechnet bis zu 10.000 Euro.

Das verstoße gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den auch Bangladesch ratifiziert hat.

Aktivisten und Journalisten betroffen

Exemplarisch listet die Menschenrechtsorganisation in ihrem Bericht zehn Personen auf, die verhaftet wurden, weil sie beispielsweise die Regierung in sozialen Netzwerken kritisiert oder sich über Politiker lustig gemacht hatten. Darunter sind Journalisten, Karikaturisten, Aktivistinnen und Aktivisten, Unternehmer und eine Musikerin. In acht der Fälle hatten Mitglieder der Regierungspartei Awami League oder Strafverfolgungsbehörden Klage eingereicht.

So wurde der Schriftsteller Mushtaq Ahmed im Mai 2020 verhaftet, weil er die Maßnahmen der Regierung während der Corona-Pandemie auf Facebook kritisiert hatte. Ende Februar 2021 verstarb Mushtaq Ahmed im Gefängnis – nach offiziellen Angaben an einem Herzinfarkt. Laut einem Mithäftling wurde er gefoltert. Die Behörden haben dies dementiert.

Der Aktivist Ruhul Ami wurde am 26. Februar verhaftet, weil er die Regierung nach dem Tod von Mushtaq Ahmed ebenfalls auf Facebook kritisiert und zu einer Demonstration aufgerufen hatte. Nach 45 Tagen im Gefängnis wurde er gegen Kaution vorläufig freigelassen. Bei einer Verurteilung drohen ihm eine Gefängnisstrafe von bis zu sieben Jahren.

Amnesty International berichtet zudem vom Fall des Bauern Abu Zaman. Ein Nachbar hatte ihn bei der Polizei angezeigt und ihm vorgeworfen, er habe auf Facebook Falschinformationen über den Vater des Nachbarn geteilt. Laut Amnesty International kann Abu Zaman jedoch weder lesen noch schreiben. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

Die Oppositionspolitikerin Mahmuda Akhter Lita wurde im Januar 2019 für fast zwei Monate inhaftiert, nachdem sie Karikaturen von Premierministerin Hasina Wajed auf Facebook veröffentlicht hatte. Der Höchste Gerichtshof hatte ihre Freilassung gegen Kaution angeordnet. Ihr drohe aber weiter eine Verurteilung und damit eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren. Mahmuda Akhter Lita sagte Amnesty International: “Sie haben mich verhaftet, weil ich mich lautstark gegen die Missetaten der Regierung ausgesprochen habe. Sie haben mich verhaftet, um die Opposition zum Schweigen zu bringen.”

Gesetz kriminalisiert freie Meinungsäußerung

Bernhard Hertlein, Bangladesch-Experte bei Amnesty International, kritisierte: “Wie das Vorgehen der Behörden unter Berufung auf das DSA zeigt, riskiert man in Bangladesch Freiheit, Gesundheit und Leben, wenn man die eigene Meinung äußert und andere als die offiziellen Ansichten vertritt.” Das Gesetz kriminalisiere die freie Meinungsäußerung. Die Behörden sollten es nicht weiter “als Waffe gegen Andersdenkende” einsetzen. Amnesty fordert außerdem, alle Gefangenen freizulassen, die nur ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben.

Nach Angaben von Amnesty International gibt es ein Muster, nach dem die Behörden gezielt drei Paragrafen des Gesetzes einsetzen, um kritische Stimmen zu unterdrücken. Die Regeln stellen unter anderem die Veröffentlichung von beleidigenden, falschen und verleumderischen Informationen unter Strafe. Zwischen dem 1. Januar und dem 6. Mai 2021 habe das zuständige Gericht in Dhaka 199 Fälle bearbeitet – 134 davon auf Basis der drei besagten Paragrafen.

Das Gericht habe zwar fast die Hälfte der Fälle wegen mangelnder Begründung oder Beweise abgewiesen. Die Organisation merkt aber an, dass Betroffene dennoch Menschenrechtsverletzungen erlitten haben: Beispielsweise weil sie über lange Zeiträume inhaftiert waren, bevor ihr Fall vor Gericht verhandelt wurde.

Amnesty fordert Reform oder Abschaffung des DSA

Das UN-Menschenrechtsbüro hatte das Gesetz in Bangladesch erst kürzlich als viel zu weitreichend und schwammig formuliert kritisiert.

Die Kritik an Bangladeschs Digital Security Act besteht aber schon länger: Bereits vor Inkrafttreten hatten die UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit und für die Lage der Menschenrechtsverteidiger Bedenken geäußert. 2018 empfahlen zahlreiche UN-Mitgliedsstaaten, das Gesetz zu ändern, um “die Meinungsfreiheit im Internet sicherzustellen”. Die Regierung Bangladeschs habe diese Empfehlungen damals zwar angenommen, aber nicht umgesetzt. Amnesty fordert die UN-Mitgliedsstaaten dazu auf, nun tätig zu werden und erneut auf eine Gesetzesänderung zu drängen.

Amnesty International fordert die Regierung Bangladeschs auf, das Gesetz umgehend abzuschaffen oder eine menschenrechtskonforme Reform umzusetzen. Die Regierung solle zudem die Öffentlichkeit an der Ausarbeitung von Gesetzen, die das Internet betreffen, teilhaben lassen. Auch müsse der Tod von Mushtaq Ahmed unabhängig untersucht werden. (js)