Bayerische Polizei sammelt Daten von Fußballfans

Aufkleber im Grünwalder Stadion
Fananwälte kritisieren, ein Eintrag in die Datenbank könne bereits beim Anbringen von Aufklebern erfolgen. (Quelle: IMAGO / Sven Simon)

Das bayerische Landeskriminalamt (LKA) speichert seit Januar 2020 persönliche Daten von Fußballfans in einer eigenen Datenbank. Das ist nun durch die Antwort des bayerischen Innenministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Landtagsabgeordneten Katharina Schulze und Maximilian Deisenhofer bekannt geworden. Fananwälte halten die Datenbank für verfassungswidrig.

Die Grünen-Abgeordneten waren nur durch Zufall auf die Datenbank gestoßen, berichtet der Bayerische Rundfunk (BR). Ein bayerischer Fußballfan wollte demnach wissen, ob er in der bundesweiten “Datei Gewalttäter Sport” gespeichert ist. In der Antwort tauchte dann der bis dahin unbekannte Name “EASy Gewalt und Sport” (EASy GS) auf.

In der bundesweiten Datei waren bis Anfang des Jahres rund 500 “Personen mit bayerischer Vereinszuordnung” gespeichert. In der Datenbank des bayerischen LKA, die der Öffentlichkeit bisher unbekannt war, sind es sogar deutlich mehr: Bis Ende Juli waren dort laut Innenministerium 1664 Personen erfasst. Sie stammen hauptsächlich aus dem Umfeld des 1. FC Nürnberg (556), des TSV 1860 München (407) und des FC Bayern München (248).

Grüne kritisieren “Vorratsdatenspeicherung”

Die Datenbank ist aus vier zuvor lokal geführten Datenbanken hervorgegangen und soll die polizeiliche Arbeit unterstützen, um etwa “präventiv” Maßnahmen vorbereiten zu können. Offenbar werden dafür viele persönliche Daten der Fans erfasst: Neben Personendaten wie Name, Geschlecht, Geburtsdatum- und ort, Staatsangehörigkeit, Beruf und “Beschreibungsmerkmale des äußeren Erscheinungsbildes” können auch Verfahrensdaten und Lichtbilder gespeichert werden. Unter bestimmten Umständen hält die Polizei auch Aufenthaltsorte wie Stadionbesuche fest.

Maximilian Deisenhofer, sportpolitischer Sprecher der Grünen, kritisierte diese Menge an Daten gegenüber dem BR: “Unter Präventionsarbeit im Sport verstehen wir Grüne vieles, sicher aber nicht einen Ausbau der Vorratsdatenspeicherung.” Die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte, die regelmäßig Fußballfans vertritt, kritisierte die Datenbank als eine “neue Dimension polizeilicher Datensammelwut”.

Eintrag bei Verdacht

Ein Eintrag erfolgt laut Innenministerium unter anderem bei “Gewalttaten gegen Personen oder Sachen”, der “Unterstützung gewaltbereiter Gruppierungen” oder bei “gewaltverherrlichenden, rassistischen, fremdenfeindlichen, extremistischen Handlungen”. Aber auch das “Besteigen von Zäunen” oder das “Anbringen von Graffiti, Schmierschriften oder Aufklebern” kann zu einem Eintrag führen, der unter anderem durch sogenannte szenekundige Beamte vorgenommen wird.

Das Innenminiserium gibt zudem an, die Speicherung erfolge “nicht auf Basis eines einzelnen relevanten Sachverhalts, sondern auf Grundlage einer sogenannten Individualprognose”. Die Strafverteidigerin Martina Sulzberger ordnete dies gegenüber dem BR ein: Alleine der Verdacht, jemand könnte in Zukunft eine Straftat begehen, reiche aus, um erfasst zu werden.

Die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte kritisierte: “Man kann also in der Datensammlung landen, wenn die Polizei meint, dass von einer Person die Gefahr des Anbringens von Aufklebern oder eine überhaupt nicht näher definierte Gefahr ausgeht.” Es seien “mehrheitlich” Daten von Personen gespeichert, die sich nicht strafbar gemacht hätten. Willkürliche Entscheidungen durch Beamte seien nicht auszuschließen. Die Polizei wolle mit der Datenbank eine “ganze Fangemeinde” überwachen.

Der Grünen-Agebordnete Deisenhofer zeigte sich schockiert, “dass niemand genau weiß, wie er oder sie eigentlich in dieser Datei landet”. Auch sei nicht klar, was genau mit den Daten passiert. Er kritisierte außerdem, dass Betroffene nicht informiert werden: “Das ist aus unserer Sicht höchst problematisch – in datenschutzrechtlicher Hinsicht.”

Auch der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Thomas Petri sagte dem BR, eine generelle Benachrichtigungspflicht würde für mehr Transparenz sorgen. Das Innenministerium gab an, seit “geraumer Zeit” mit dem Datenschutzbeauftragten im Austausch zu stehen. Gemäß dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz muss er jedoch keine Genehmigung für eine solche Datenbank erteilen, sagte ein Sprecher des Datenschutzbeauftragten dem Fußballmagazin Kicker.

Abschaffung der Datenbank gefordert

In der Kritik stehen außerdem die Speicherfristen: Geprüft wird nach zwei bis zehn Jahren. Unverzüglich gelöscht werde, wenn aus einer “der Polizei bekannten Entscheidung der Justiz eindeutig hervorgeht, dass im Verfahren über den Beschuldigten jeglicher Tatverdacht ausgeräumt worden ist”. Sei der Tatverdacht nicht durch Staatsanwaltschaften oder Gerichte “vollständig” ausgeräumt, gebe es eine Einzelfallprüfung durch die Polizei.

Die AG Fananwälte kritisiert, Betroffene müssten daher selbst eindeutig ihre Unschuld beweisen, wenn etwa ein Ermittlungsverfahren eingestellt wurde. Das sei in der Realität kaum zu bewerkstelligen. Anwältin Sulzberger sagte dem BR, dies widerspreche der Unschuldsvermutung.

Nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft greift die Datenbank “erheblich” in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein – und sei in ihrer jetzigen Form verfassungswidrig. Die Anwälte fordern daher eine unverzügliche Information der Betroffenen und die Abschaffung der Datenbank. Das fordern auch die Grünen in Bayern.

Deisenhofer hält auch den Aufbau der Datei für nicht nachvollziehbar, “weil wir genau wissen, dass der Besuch von Fußballspielen in Bayern gefahrlos möglich ist. Die Anzahl der Delikte und Ordnungswidrigkeiten bei Fußballspielen geht seit Jahren kontinuierlich zurück, was unsere Landtagsanfragen zeigen”. Es sei daher “absolut unverständlich, dass die bayerische Polizei still und heimlich eine weitere Datenbank zur Speicherung von Fußballfans angelegt hat”.

Welche tatsächlichen Auswirkungen ein Eintrag in die Datenbank hat, lasse sich bisher nicht feststellen, schreibt der Kicker. Bei der bundesweiten “Datei Gewalttäter Sport” könne dies zu Problemen bei Reisen ins Ausland führen, auch wenn diese keinen Bezug zum Fußball haben. Deisenhofer hatte schon in der Vergangenheit kritisiert, bereits eine Personenfeststellung im Umfeld eines Stadiums könne ausreichen, um in der bundesweiten Datei gespeichert zu werden. (js)