Bericht: Manipulation der sozialen Medien ist billig

Facebook und Twitter
Twitter ist laut den Forschern am besten gegen Manipulationen gerüstet. (Quelle: Pixabay)

Inmitten des US-Wahlkampfes hat das Strategic Communication Centre of Excellence (Stratcom) der NATO getestet, wie gut sich soziale Medien gegen Manipulation schützen. Für den Bericht “Social Media Manipulation 2020” kauften die Forscher im September und Oktober bei drei “hochwertigen” russischen Anbietern von Social-Media-Manipulation Interaktionen mit 39 Beiträgen. Getestet wurden Twitter, Facebook, Instagram, YouTube und TikTok.

Mit gefälschten Kommentaren oder Likes wird in sozialen Medien beispielsweise versucht, den Eindruck zu erwecken, dass Beiträge auf ein breites Interesse stoßen. Das soll Algorithmen dazu verleiten, die Beiträge weiteren Nutzerinnen und Nutzern anzuzeigen – und so beispielsweise Desinformationen zu verbreiten.

Für 300 Euro lieferten die Anbieter 1150 Kommentare, 9690 Likes, 3726 geteilte Beiträge und 323.202 Views. Letztere geben an, wie oft ein Beitrag angesehen wurde – je häufiger, desto öfter erscheint der Beitrag auch bei anderen Nutzerinnen und Nutzern. Insgesamt seien die gefälschten Aktivitäten von 8036 verschiedenen Accounts ausgegangen.

Dabei arbeitete Stratcom auch mit dem republikanischen US-Senator Chuck Grassley und dem demokratischen Senator Chris Murphy zusammen. Beide nutzen Twitter, Facebook und Instagram und besitzen von den Plattformen verifizierte Konten. Die Forscher wählten je einen Beitrag der beiden Senatoren auf jeder Plattform für ihren Test aus.

Von den 337.768 gefälschten Interaktionen waren nach vier Wochen noch 98 Prozent online, so die Forscher.

Keine Gegenmaßnahmen bei TikTok

Bei den Gegenmaßnahmen versagte TikTok komplett: Die chinesische Plattform entfernte Manipulationen und Fake-Accounts im Test grundsätzlich nicht. Auch die Manipulation von Instagram funktioniere “billig und effektiv”. Obwohl Instagram zu Facebook gehört, arbeitet der Mutterkonzern gewissenhafter: Facebook verhindere in vielen Fällen, dass Fake-Konten erstellt werden. Gelingt dies aber doch, blieben sie im Durchschnitt 147 Tage aktiv, bevor Facebook eingriff. Bei Facebook sei es außerdem kaum noch möglich, mit Bots Kommentare zu hinterlassen. Hier müssen die Manipulationsanbieter Menschen bezahlen, die dann Beiträge kommentieren.

Twitter entfernte die gekauften Likes von allen Plattformen am schnellsten. Nach 24 Stunden waren 80 Prozent gelöscht, nach zwei Tagen praktisch alle, so die Forscher. Fake-Accounts löscht Twitter zudem dreimal schneller als Facebook. Allerdings lassen sich diese Konten bei Twitter weiterhin ohne Probleme anlegen.

Von den US-Plattformen geht YouTube am wenigsten gegen Manipulationen vor. Kommentare würden meist nicht entfernt: Youtube löschte im Test nur drei von 380 gekauften Kommentaren. Allerdings gelingt es der Videoplattform im Unterschied zu den anderen Diensten, manipulierte Videoaufrufe zu unterbinden.

Alle Plattformen unternehmen wenig, wenn man Konten meldet, von denen Manipulationen ausgehen. Von 499 gemeldeten Accounts waren 482 auch fünf Tage später noch aktiv. In den Fällen, in denen die Plattformen auf Beschwerden antworteten, teilten sie den Forschern nur mit, dass sie keine Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen festgestellt haben.

Stratcom hatte bereits 2019 eine ähnliche Untersuchung durchgeführt. Damals hatten die Forscher neben russischen auch deutsche und französische Anbieter für die Online-Meinungsmache beauftragt. TikTok wurde in diesem Jahr zum ersten Mal getestet.

Plattformen unternehmen zu wenig

Im Zuge der diesjährigen US-Wahl hatten die sozialen Netzwerke angekündigt, verstärkt gegen Manipulationen und Fake News vorzugehen. Doch insgesamt unternehmen die Plattformen nicht genug, resümieren die Forscher. Es sei weiterhin zu einfach, die Manipulation sozialer Medien in Auftrag zu geben. “Das ist besonders in Krisenzeiten beunruhigend, da diese Systeme ausgenutzt werden können, um Emotionen zu schüren”, sagte Jānis Sarts, Direktor des NATO-Stratcom.

Man habe zwar bei einigen Plattformen Verbesserungen im Vergleich zum Vorjahr gesehen, so die Forscher. Aber es sei offensichtlich, dass die Unternehmen nicht zusammenarbeiten, um Erkenntnisse über Manipulationsversuche auszutauschen. Insgesamt müssten die sozialen Netzwerke mehr tun, um Manipulationen zu verhindern. Es sei “peinlich”, dass sie selbst die Manipulationsdienstleister nicht davon abhalten können, ihre Dienste direkt auf den Plattformen anzubieten. (js)