BGH: Facebook verliert Prozess zu Klarnamenpflicht
Nutzerinnen und Nutzer dürfen auf Facebook unter einem Pseudonym auftreten und müssen nicht zwangsweise ihren echten Namen angeben. Das hat der dritte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) am heutigen Donnerstag entschieden. Allerdings haben die Richter nach einer veralteten Rechtslage geurteilt – weshalb das Urteil nur für Nutzer gilt, die sich vor der Einführung der DSGVO im Mai 2018 bei dem sozialen Netzwerk angemeldet haben. Geklagt hatten zwei Personen, deren Facebook-Konten im Jahr 2018 gesperrt worden waren.
Die BGH-Richter entschieden nun, dass Facebooks Bestimmungen zur Klarnamenpflicht nach der damaligen Rechtslage ungültig waren. Facebook hatte das Konto des Klägers so lange gesperrt, bis er seinen echten Name verwendete. Auch das Konto der Klägerin wurde gesperrt, weil diese einen Fantasienamen genutzt hatte. Der Aufforderung des Konzerns, diesen zu ändern, war sie nicht nachgekommen.
In den damaligen Nutzungsbedingungen verlangte Facebook einen Klarnamen. So wie es auch in den aktuellen Nutzungsbedingungen der Plattform heißt, Nutzerinnen und Nutzer müssten “denselben Namen” verwenden, den sie “auch im täglichen Leben” nutzen.
Die obersten Zivilrichter Deutschlands erachten es als ausreichend, dass sich Menschen mit ihrem Klarnamen registrieren. Der Vorsitzende Richter des dritten Zivilsenats, Ulrich Herrmann, sprach von einem Innenverhältnis. Im Außenverhältnis – also zum Beispiel beim Posten von Beiträgen, Kommentieren oder beim Beitreten zu Gruppen auf dem Portal – sei es Facebook zumutbar, dass das unter einem Pseudonym geschehe.
Kai Hamdorf, Presserichter des BGH, erklärte: “Der Bundesgerichtshof hat heute gesagt, dass es den Anbietern nicht zumutbar wäre, den wahren Namen nicht zu kennen im Innenverhältnis zu ihren jeweiligen Nutzern. Sehr wohl ist es ihnen aber zumutbar, im Außenverhältnis die Verwendung eines Pseudonyms zu ermöglichen.”
Alte Rechtsgrundlage
Das Gericht bezog sich bei seiner Entscheidung auf das deutsche Telemediengesetz in der damals gültigen Fassung. Demnach müssen Anbieter es Nutzern ermöglichen, einen Dienst “anonym oder unter Pseudonym” zu nutzen, “soweit dies technisch möglich und zumutbar ist”. Die Vorgabe aus dem Telemediengesetz findet sich seit Anfang Dezember gleichlautend im neuen “Gesetz über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien” (TTDSG).
Die im Jahr 2018 noch gültige EU-Datenschutzrichtlinie habe dem deutschen Recht nicht entgegen gestanden.
Im Mai 2018 ist die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft getreten, sie enthält keine expliziten Bestimmungen zur Klarnamenpflicht oder der Verwendung von Pseudonymen. Die BGH-Richter haben die Fälle nach alter Rechtslage entschieden, weil die Konten vor Inkrafttreten der DSGVO angelegt worden waren. “Daher ist die unmittelbare Reichweite unserer Entscheidung auf Altfälle begrenzt”, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann.
Presserichter Hamdorf sagte: “Tatsächlich ist es so, dass im Mai 2018 die Datenschutzgrundverordnung der EU in Kraft getreten ist.” Es sei umstritten, ob das Auswirkungen hat, ob das Telemediengesetz oder Telemediendatenschutzgesetz Anwendung finde. Hier handele es sich aber um Altfälle.
Verbraucherzentrale begrüßt das Urteil
Eine Sprecherin des Facebook-Mutterkonzerns Meta teilte nach der Urteilsverkündung mit: “Wir nehmen die heutige Entscheidung zur Kenntnis, die ausdrücklich auf einer überholten Rechtslage basiert.”
Kerstin Heidt von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein bewertete das Urteil “in Hinblick auf den Datenschutz positiv”. Sie sagte: “Nach der Entscheidung des BGH vom heutigen Tag, muss der Nutzer eines sozialen Netzwerks das Recht haben, auch mit Pseudonymen aufzutreten. Dies gilt jedenfalls für diejenigen, die schon bei Inkrafttreten der DSGVO im Mai 2018 Mitglied des Netzwerks waren.”
Auch die Organisation HateAid, die Opfer von digitaler Gewalt unterstützt, bezeichnete das Urteil als “gutes Zeichen”. Die Organisation lehnt eine Klarnamenpflicht ab. Insbesondere Aktivistinnen und Aktivisten sowie Angehörige marginalisierter Gruppen müssten geschützt werden. Für ein besseres Klima auf der Plattform müsse Facebook sorgen.
OLG hatte Klarnamenpflicht für rechtens erklärt
Das Oberlandesgericht München (OLG) hatte Ende 2020 in der Vorinstanz noch zugunsten von Facebook entschieden: Nutzer zu verpflichten, ihren echten Namen anzugeben, sei geeignet, sie von rechtswidrigem Verhalten im Internet abzuhalten. In den verhandelten Fällen sei ein Pseudonym für Facebook nicht zumutbar.
Bürgerrechtler weisen seit Jahren auf die Kehrseiten von Klarnamenpflichten im Internet hin: So hatte die Electronic Frontier Foundation (EFF) beispielsweise in der Vergangenheit kritisiert, dass dadurch die Meinungsvielfalt eingeschränkt werde. Menschen verwenden im Internet beispielsweise Pseudonyme, wenn sie sich über sensible Themen wie Gesundheit oder Sexualität austauschen wollen. (dpa / js)