Big Brother Awards gehen an Behörden und Lieferando

Big Brother Awards 2022
Unter anderem wurde Lieferando für die dystopische Überwachung seiner Mitarbeiter per App ausgezeichnet. (Quelle: Digitalcourage)

Der Verein Digitalcourage hat am Freitabend die “Gewinner” seiner diesjährigen Big Brother Awards bekannt gegeben. Der Negativpreis geht seit 20 Jahren an Unternehmen, Organisationen und Personen, die in besonderer Weise den Datenschutz missachtet haben.

Die fünfköpfige Jury bestand aus Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Datenschutz. Unter anderem waren Frank Rosengart vom Chaos Computer Club und der ehemalige Datenschutzbeauftragte und Vorstandsmitglied der Deutsche Vereinigung für Datenschutz, Thilo Weichert.

Bei der Preisverleihung hat der Essenslieferdienst Lieferando den Preis in der Kategorie Arbeitswelt erhalten. Die Firma überwacht seine Kurierfahrerinnen und -fahrer während der Arbeit mithilfe der sogenannten Scoober-App. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen die App auf ihrem Smartphone installieren und während der gesamten Arbeitszeit laufen lassen. Sie erfasst unter anderem dauerhaft den Standort der Lieferanten. So kann beispielsweise kontrolliert werden, ob sich Mitarbeiter verspäten, Pausen einlegen oder Umwege fahren.

“Und all diese Daten sammelt er [der Arbeitgeber] – für unbestimmte Zeit”, schreibt Digitalcourage. Zugleich leite Scoober personenbezogene Daten an “eine Reihe von Internet-Trackern” – also Datensammler. Viele der Informationen seien für die Abwicklung der Lieferungen nicht notwendig.

Hinter Lieferando stehen die in Berlin ansässigen Unternehmen yd.yourdelivery GmbH und Takeway Express GmbH. Die Firma bilde nur "die Spitze eines Eisbergs von Firmen aus der ‘Plattform-’ oder ‘Gig-Economy’. Sie machten eine Tätigkeit davon abhängig, dass Beschäftigte ihnen persönliche Daten zur Verfügung stellen.

Datensammler Klarna

Der BigBrotherAward in der Kategorie Verbraucherschutz ging an den schwedischen Zahlungsdienstleister Klarna Bank. Er wird in Online-Shops des Öfteren als Bezahloption angeboten. Außerdem hat die Firma einen Preisvergleich im Angebot und ist eine Bank. In dieser Funktion gehören auch Ratenzahlungen, Festgeldanlagen und Kreditkarten zu den Dienstleistungen.

So sammele das Unternehmen eine große Menge Informationen über das Konsum- und Finanzverhalten der Nutzerinnen und Nutzer. Gleichzeitig fehle es laut Jury aber an Transparenz. Die Nutzungsbedingungen räumten Klarna viele Rechte gegenüber den Nutzern ein.

Das Unternehmen hat 147 Millionen Kundinnen und Kunden und 400.000 Partnerhändler. Mit einer Bewertung von mehr als 10 Milliarden US-Dollar ist es das am höchsten bewertete Finanztech-Unternehmen Europas.

Blockchain für Zeugnisse

In der Kategorie Behörden und Verwaltung wurde das Bundeskriminalamt stellvertretend für die deutsche Polizei ausgezeichnet. Die Jury kritisierte die Strafverfolger dafür, wie sie personenbezogene Daten digital speichern und nutzen. In den Datenbanken erfasste Personen könnten durch unvollständige Kennzeichnung unverschuldet unter Verdacht geraten.

Weitere Preisträger in den Kategorien Technik und Lebenswerk sind die Bundesdruckerei und die Irische Datenschutzbehörde DPC.

Die Bundesdruckerei wurde für ihr Blockchain-Projekt “Digitale Schulzeugnisse” ausgezeichnet. "Persönliche Daten, wie die im Zeugnis, in einer Blockchain abzuspeichern, wäre ein “Totalschaden für den Datenschutz”, kritisiert Digitalcourage. Falsche oder widerrechtlich gespeicherte Daten würden sich dann nicht löschen lassen. Die Verwendung von Blockchain-Technik für die Echtheitsprüfung von Zeugnissen sei vollkommen fehl am Platz.

Der Irischen Datenschutzbehörde warf die Jury “dauerhafte Sabotage von Bemühungen, europäisches Datenschutzrecht durchzusetzen” vor. US-amerikanische Konzerne wie Google, Apple und Facebook haben ihre Europazentralen in Irland. Somit ist in Fragen des Datenschutzes die irische Behörde für sie zuständig. Die Behörde verhindere aber, dass geltendes Recht durchgesetzt wird, indem sie Datenschutzverfahren verschleppe, Beschwerden nicht bearbeitet, Beschwerdeführer mit hohen Kosten belegt und nicht mit europäischen Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeitet. Die DPC mache einen miserablen Job, so die Jury.

Erwartungsgemäß waren keine Vertreterinnen oder Vertreter der Preisträger auf der Gala der Preisverleihung anwesend. (hcz)