Brasilien: Facebook erlaubt Desinformationen in Werbeanzeigen

Jair Bolsonaro bei einer Wahlkampfveranstaltung
Beobachter warnen, bei einer Niederlage des amtierenden Präsidenten Bolsonaro könnte es zu Unruhen kommen. (Quelle: IMAGO / Xinhua)

Facebook hat in Brasilien Werbung mit falschen und irreführenden Informationen zu den anstehenden Wahlen genehmigt. Das geht aus einer am Montag veröffentlichten Untersuchung der Nichtregierungsorganisation Global Witness hervor. Alle Anzeigen hätten gegen die Richtlinien der Plattform verstoßen. Facebook-Eigentümer Meta müsse bei der Moderation von Inhalten dringend nachbessern.

Am 2. Oktober finden in Brasilien parallel die Präsidentschaftswahlen sowie Parlaments- und Gouverneurswahlen statt. Global Witness hat im Vorfeld untersucht, wie gut Facebook Desinformationen zu den Wahlen erkennt und zur Probe bezahlte Werbeanzeigen eingereicht.

Wie die Organisation berichtet, enthielten fünf Anzeigen Falschinformationen wie etwa ein falsches Wahldatum. Fünf weitere Anzeigen zielten darauf ab, den Wahlprozess zu diskreditieren.

All diese Inhalte könnten Menschen davon abhalten, ihre Stimme abzugeben – und sie verstoßen gegen Facebooks Gemeinschaftsstandards. Dennoch hat Facebook laut Global Witness alle zehn eingereichten Anzeigen genehmigt. Eine sei zwar zuerst abgelehnt worden, wurde jedoch einige Tage später freigeschaltet, ohne dass Global Witness Änderungen daran vorgenommen hatte.

Die Organisation hatte sich bei ihrem Test für Werbeanzeigen und nicht für normale Beiträge entschieden. So konnte Global Witness die Inhalte nach der Genehmigung durch Facebook wieder löschen, ohne dass Nutzerinnen und Nutzer sie zu Gesicht bekamen.

Anzeigen ohne verifiziertes Konto

Bereits beim Einreichen der Anzeigen hatte die Organisation gegen Facebook-Richtlinien verstoßen: Denn anders als in Brasilien vorgeschrieben, wurden sie nicht von einem verifizierten Benutzerkonto eingereicht. Außerdem habe man sich nicht aus Brasilien, sondern aus London und Nairobi bei Facebook angemeldet und auch keine brasilianische Bezahlmethode verwendet. Global Witness kritisiert, all dies seien Warnsignale gewesen, anhand derer Facebook potenzielle Wahleinmischung aus dem Ausland hätte erkennen können.

Meta hatte erst vergangene Woche in Vorbereitung auf die Wahlen in Brasilien Maßnahmen angekündigt. So gebe es einen direkten Kommunikationskanal zum Obersten Wahlgericht, das unrechtmäßige Inhalte auf der Plattform melden kann. Geplant ist demnach auch ein “Elections Operations Center”, in dem Expertinnen und Experten zusammenarbeiten sollen, um falsche Inhalte zu identifizieren – dieses soll seine Arbeit aber erst noch aufnehmen.

Global Witness kritisiert, Facebook versage dabei, Brasilianerinnen und Brasilianer vor einem “Desinformations-Albtraum” zu schützen. Es sei klar, dass die von Facebook ergriffenen Maßnahmen unwirksam sind. Das Unternehmen müsse daher dringend seine Moderationsressourcen ausbauen. Auch der Prozess zur Überprüfung von Konten, die Anzeigen schalten, müsse gestärkt werden. Das Unternehmen solle regelmäßig bewerten, welche Risiken seine Dienste für die Menschenrechte in einzelnen Ländern darstellen und diese Bewertung veröffentlichen.

Bolsonaro steht zur Wiederwahl

Im Oktober steht neben dem amtierenden rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro auch Luiz Inácio Lula da Silva zur Wahl, der das Land bereits von 2003 bis 2011 regiert hatte. In Umfragen liegt Lula derzeit vorne. Beobachter befürchten, Bolsonaro könnte eine Niederlage nicht akzeptieren – und es könnte zu Gewalt kommen.

Schon bei den Wahlen im Jahr 2018 hatte Bolsonaro falsche Behauptungen verbreitet – und wurde vom Obersten Wahlgericht angewiesen, einige seiner Veröffentlichungen auf Facebook und YouTube zu löschen.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) berichtet, seit dem damaligen Wahlkampf prägten Hetze, Desinformation und Gewalt das Klima gegenüber Journalistinnen und Journalisten im Land. Daran seien der Präsident und seine Söhne aktiv beteiligt.

Global Witness hatte erst Ende Juli eine ähnliche Untersuchung in Kenia durchgeführt: Dort hatte die Organisation vor den Wahlen sogar Mordaufrufe in Werbeanzeigen eingereicht – die von Facebook zugelassen wurden. Auch in Kenia hatten Beobachter vor Ausschreitungen nach der Wahl gewarnt. (js)