China baut Überwachungssystem gegen Journalisten

Überwachungskamera in China
Das Überwachungssystem wurde ausgeschrieben, nachdem ausländische Journalisten im Juli über die Überflutungen in der Provinz berichtet hatten. (Archivbild, Quelle: IMAGO / VCG)

Die chinesische Provinz Henan hat den Bau eines Überwachungssystems mit Gesichtserkennung in Auftrag gegeben, das ausländische Journalistinnen und Journalisten, Studierende und andere Personen verfolgen soll. Wie aus der am Dienstag bekannt gewordenen Ausschreibung hervorgeht, soll das System 3000 Überwachungskameras umfassen und mit nationalen und regionalen Datenbanken verbunden werden.

In der Ausschreibung heißt es, die Bewegungen internationaler Studenten sollten durch Methoden wie Handyortung, Reisebuchungen und Hotelreservierungen registriert werden – insbesondere zu wichtigen Daten wie dem Nationalfeiertag oder der jährlichen Parlamentssitzung. Es ist geplant, dass das Überwachungssystem von 2000 Polizistinnen und Polizisten und weiteren Beamten genutzt wird.

Die Gesichtserkennung soll auch dann zuverlässig arbeiten, wenn beobachtete Personen Gesichtsmasken oder Brillen tragen, damit die Bilder auch unter diesen Umständen zur automatischen Suche in Datenbanken geeignet sind.

“Dieses Dokument ist das erste bekannte Beispiel dafür, dass die Volksrepublik China maßgeschneiderte Sicherheitstechnologie aufbaut, um die staatliche Unterdrückung von Journalisten zu rationalisieren”, sagte Donald Maye, Leiter der Forschungsfirma für Überwachungstechnologie IPVM der Nachrichtenagentur Reuters .

“Einzigartiges” Überwachungssystem

Journalisten sollen in drei Kategorien nach Ampelfarben Rot, Gelb und Grün eingeteilt werden – um die Dringlichkeit der Nachverfolgung zu kennzeichnen. Ob ein akuter Alarm bei der Bewegung bestimmter Medienschaffender ausgelöst wird, soll unter anderem vom Grund der Reise, der Art der Berichterstattung und dem Reiseziel abhängig gemacht werden.

Das Überwachungssystem sei “anders als alles”, was die Forscher bisher entdeckt hätten, berichtete die US-Firma IPVM. Sie hatte die fast 200-seitige Ausschreibung online gefunden. Dass Medienschaffende spezifisch als Überwachungsziele benannt werden, sei “einzigartig”.

Im Großteil der Unterlagen werde auf Journalisten im Allgemeinen Bezug genommen, an einigen Stellen aber spezifisch von “ausländischen Journalisten” geschrieben. Eine Erklärung, warum gerade Journalisten und ausländische Studenten im Fokus der Überwachung stehen, gebe die Ausschreibung nicht. Außerdem werden “Frauen aus Nachbarländern, die sich illegal aufhalten” als Zielgruppe benannt.

Prinzipiell könnten zu überwachende Zielgruppen und Warnungen aber anhand zahlreicher Personeneigenschaften erstellt werden: Weitere Optionen sind Merkmale wie Ethnie, Verhaltensweisen wie der Besuch bestimmter Orte, Ausbildung und Beruf, Alter, Geschlecht oder Äußerlichkeiten wie das Tragen einer Brille.

Die Regierung von Henan hatte laut Reuters bereits im Oktober letzten Jahres eine kurze Zusammenfassung des geplanten Projekts auf ihrer Beschaffungsplattform veröffentlicht. In dieser hieß es, das System sei “ausländerzentriert” und trage zum “Schutz der nationalen Souveränität” bei.

Anfeindungen gegenüber Reportern

Das Projekt wurde dann Ende Juli vom “Amt für öffentliche Sicherheit der Provinz Henan” ausgeschrieben, um “betroffene” Personen in der Provinz zu überwachen und aufzuspüren. Öffentlich bekannt wurde es aber erst durch Veröffentlichung durch IPVM.

In Henan leben rund 99 Millionen Menschen. Den Zuschlag für den 5 Millionen Yuan (rund 690.000 Euro) umfassenden Vertrag habe Mitte September das chinesische Software- und IT-Unternehmen Neusoft erhalten, berichtete IPVM weiter.

Die Ausschreibung erfolgte wenige Tage, nachdem ausländische Reporter in der Region attackiert und bedrängt wurden. Sie hatten über die dortigen Überflutungen berichtet, bei denen mehr als 99 Menschen starben. Angestellte der Nachrichtenagentur AFP berichteten damals, sie seien von Passanten gezwungen worden, Aufnahmen zu löschen; BBC-Reporter seien online angefeindet und mit Mord bedroht worden.

Die Vereinigung der Auslandskorrespondenten in China (FCCC) sieht das Vorgehen gegen die Journalisten als staatlich gewünscht an: “Die Rhetorik von Organisationen, die mit der regierenden Kommunistischen Partei Chinas verbunden sind, gefährdet unmittelbar die physische Sicherheit ausländischer Journalisten in China und behindert die freie Berichterstattung.”

Seit Montag sind die Dokumente laut Reuters nicht mehr auf der Seite der Behörde abrufbar. Neusoft antwortete nicht auf Anfragen der Presse. Ebensowenig reagierten die Regierung der Provinz Henan oder die Polizei auf Fragen. Ob auch andere Provinzen ähnliche Überwachungssysteme aufbauen oder vielleicht schon betreiben, ist ebenfalls unbekannt. Allerdings ist dieses spezifische System auch nur ein Teil der ohnehin bereits umfassenden chinesischen Überwachungsmaschinerie. (hcz)